Neuwahl-Verursacher werden nicht immer bestraft

Neuwahl-Verursacher werden nicht immer bestraft
Neuwahlen 1995 und 2002 brachten die einzigen Zuwächse für die Regierungsparteien seit 1986. Die Neuwahl 2008 endete aber mit saftigen Verlusten für beide.

Die These, dass Wähler immer denjenigen bestrafen, der vorzeitige Wahlen provoziert, stimmt nicht ganz: Denn die Neuwahlen 1995 und 2002 bescherten den beiden Traditions- und jeweils auch Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP die einzigen Zuwächse, die sie seit dem Aufstieg der FPÖ seit den 80er-Jahren erlebten. Aber 1995 wurde Wolfgang Schüssel (ÖVP) dennoch abgestraft.

Denn der Versuch des damals neuen ÖVP-Chefs, aus der rot-schwarzen Koalition auszubrechen - wie es jetzt auch Sebastian Kurz will - scheiterte. Die ÖVP legte bei der Wahl 1995 nur sehr schwach (0,6 Prozentpunkte), die SPÖ hingegen um 3,8 Prozentpunkte zu. Also blieb die SPÖ Erste, Franz Vranitzky Bundeskanzler - und Schüssel sein Vizekanzler. Denn Schwarz-Blau hatte nur eine sehr dünne Mehrheit.

Schüssel ließ sich davon aber nicht abschrecken - und rief 2002 wieder die Neuwahl aus, diesmal allerdings aus der schwarz-blauen Zusammenarbeit heraus und angesichts des "Knittelfelder Putsches" in der FPÖ. Diese Wahl brachte ihm einen fulminanten Erfolg: Die ÖVP legte um 15,4 Prozentpunkte zu und holte sich den 1970 verlorenen ersten Platz zurück. Auch die SPÖ verbuchte ein Plus (3,4 Punkte), weil die FPÖ massiv verlor. Auch in diesem Fall wurde die Koalition - die schwarz-blaue - fortgesetzt, bis 2006.

Neuwahl-Verursacher werden nicht immer bestraft
BESCHREIBUNG - Wilhelm Molterer, Vizepräsident der Europäischen Investtitionsbank, Interview im Sacher

Danach gingen wieder SPÖ (die sich Platz 1 zurückeroberte) und ÖVP zusammen - und schon 2008 wieder eine vorgezogene Wahl. Diese rief ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer mit der legendäre Ansage "Es reicht" aus - und büßte schwer dafür. Die Umfragen verhießen ihm zwar, dass sich die ÖVP wieder Platz 1 holen könnte, aber die Wähler entschieden anders: Beide Koalitionspartner verloren saftig, die ÖVP noch mehr als die SPÖ - und somit blieb Werner Faymann Kanzler, allerdings mit einem neuen ÖVP-Vizekanzler, Josef Pröll.

Das war die bisher letzte vorgezogene Wahl, 2008 bis 2013 diente die rot-schwarze Regierung voll durch - wohl auch im Blick auf die Umfragen, die die FPÖ immer sehr stark auswiesen. Dies wäre auch jetzt der Fall: Die Blauen liegen seit Sommer 2015 bei der Sonntagsfrage fast durchgehend vorne. Die SPÖ hat sich unter Christian Kern allerdings erholt, Kurz hofft - mit Blick auf seine sehr guten Persönlichkeitswerte - wohl auf einen ähnlichen Effekt, wenn er die ÖVP übernimmt.

Neuwahl-Verursacher werden nicht immer bestraft
Archivbild 28.09.1978

Garantiert nicht mehr aufgehen kann ein Kalkül, das Bruno Kreisky im Jahr 1971 anstellte - nämlich sich die Absolute Mehrheit zu holen. Die SPÖ, seit März 1970 erstmals auf Platz 1, war als Minderheitsregierung am Ruder. Bei einer vom VfGH angeordneten Wiederholung in drei Wiener Wahlkreisen legte sie stark zu. Kreiskys Neuwahl-Plan ging auf: Auch bundesweit wuchs die SPÖ 1971, zwar schwach, aber gerade genug für die Absolute.

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