"Wo bleibt der Solidarbeitrag der Minister?"

Gewerkschafter Fritz Neugebauer sieht sein schlechtes Image des Blockierers gelassen: „Das ist mein Geschäft“.
Der Beamtengewerkschafter gilt als "beton"-harter Blockierer. Im KURIER-Interview erzählt er, wie er über sein negatives Image denkt.

KURIER: Herr Neugebauer, KURIER-Karikaturist Michael Pammesberger hat den Beamtenhimmel (siehe unten) mit Privilegien wie Pragmatisierung, hohen Gehältern, zahlreichen Zulagen, ausgedehnten Mittagspausen ausgestattet. Bringt Sie das auf die Palme?

Fritz Neugebauer: Als Karikatur ist alles zulässig. Wenn die Karikatur ernst gemeint wäre, entspricht vieles nicht der Realität. Privilegien werden uns zwar immer unterstellt. Nach dem Duden sind Privilegien ein ungerechtfertigter Vorteil. Ich wüsste nicht, wo das Parlament den Beamten einen nicht gerechtfertigten Vorteil zukommen lässt.

"Wo bleibt der Solidarbeitrag der Minister?"
Beamtenhimmel Österreich

Laut WIFO-Berechnungen sind die Krankenstände der Beamten um sieben Prozent höher als bei Angestellten. Resultieren diese Zahlen nicht aus dem Privileg: "Ich bin pragmatisiert, mir kann ohnehin nichts passieren"?

Ich weiß nicht, wie das WIFO auf diese Zahlen kommt. Für mich sind die Berechnungen der Fehlzeitenstudie des Bundeskanzleramtes maßgebend. Hier sind die Krankenstände der Beamten und der Angestellten auf dem gleichen Niveau. Und Sie werden wohl nicht glauben, dass der Arbeitgeber die Krankenstandszahlen der Beamten schönfärbt. Was noch dazukommt: Die Arbeit bleibt ja liegen. Österreich hat innerhalb der EU die geringsten Beamten. Wir sind ohnehin so ausgedünnt, dass es sich kein Beamter leisten kann, blauzumachen. Der Anteil der öffentlich Bediensteten an allen Arbeitnehmern liegt in der EU bei 15 Prozent und in Österreich bei 10,7 Prozent.

Die SPÖ sieht das Beamtenleben rosiger und bringt eine alte Forderung von zwei Stunden mehr Unterricht für Lehrer wieder aufs Tapet. Österreichs Lehrer liegen bei den Unterrichtszeiten unter dem OECD-Schnitt. Ist da nicht noch Luft nach oben?

Die OECD-Wertungen sind nicht vergleichbar. Richtig wäre, wenn man sich nicht nur die Stunden im Klassenzimmer anschaut, sondern auch den Gehalt vergleicht und wie sich die Lebensverdienstsummen gestalten. In Bayern oder Baden-Württemberg gibt es deutlich höhere Unterrichtszeiten, aber auch deutlich höhere Bezüge. Die Forderungen von zwei Stunden mehr Unterrichtszeit haben wir vor vier Jahren schon mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied diskutiert.

Claudia Schmied scheiterte an Ihrem Widerstand und war nach den Verhandlungen frustriert...

Man muss wissen, wenn man eine zehnprozentig höhere Lehrverpflichtung fordert, verlieren auch zehn Prozent ihren Job. Das ist für eine Gewerkschaft massiv zu hinterfragen. Dann haben die Lehrer unter Finanzminister Josef Pröll auf 180 Millionen Euro im Jahr verzichtet, weil sie Überstundenvergütungen etc. nicht mehr in Anspruch genommen haben. Diese 180 Millionen sind verschwunden. Was immer wir im öffentlichen Dienst eingespart haben, bei jedem neuen Finanzminister – und der Wechsel passiert ja fast im Jahresrhythmus – haben wir gehört: Wir müssen wieder von vorne anfangen.

Also Fritz Neugebauer blockiert wie immer?

Das neue Lehrerdienstrecht beinhaltete die Aufstockung der Unterrichtszeit um zwei Stunden. Das tritt erst im Herbst in Kraft, und schon kommt der Bundeskanzler himself und fordert flapsig zwei Stunden mehr Unterrichtszeit. Der Kanzler war bei den Verhandlungen dabei und hat hoffentlich kein schwaches Gedächtnis. Er muss wissen, dass wir diese Frage bereits geklärt haben. Das da natürlich alle sauer sind, wenn das Thema wieder angezündet wird, ist nicht verwunderlich.

Das neue Lehrerdienstrecht betrifft nur die Junglehrer. Faymann will ja offenbar auch die älteren Lehrer länger unterrichten lassen...

Das ist reiner Populismus. Stellen Sie sich vor, Sie vereinbaren Kondition mit Ihrem Arbeitgeber, halten es schriftlich fest und eine Woche später kommt der Chef und meint: "Wir haben zwar eine Vereinbarung, aber ich will sie trotzdem nochmals aufreißen."

Denken Sie auch an Streik?

Wir haben eine Vereinbarungskultur und wenn wir uns mit dem Arbeitgeber zusammenraufen, dann muss das picken. Wenn die Kollegenschaft meint, dass ihnen massives Unrecht passiert, dann muss man Maßnahmen setzen, die diesem Unrecht gerecht werden.

Hundert Millionen Euro sollen durch einen Solidarbeitrag der besser verdienenden Beamten eingespart werden. Wäre das ein gangbarer Weg für Sie?

Ich frage mich, mit wem ein Beamter solidarisch sein soll? Mit einem Minister, der sein Geschäft nicht beherrscht? Oder ist das jetzt eine Reichensteuer für die unteren und mittleren Einkommen? Es gibt 120 Sektionschefs mit rund 8000 Euro brutto im Monat – das ist die oberste Führungsebene. Die Gehälter der Minister und Staatssekretäre sind da weit höher. Hat da irgendjemand etwas von einem Solidarbeitrag gehört? Ich nicht. Das ist ungeheuerlich. Dieser Stil, Einsparungen an die Menschen heranzutragen, ist mehr als diskreditierend.

Sie werden als Betonkopf, als Blockierer, als Anti-Reformer bezeichnet. In den Politiker-Rankings sind Sie stets auf den hinteren Plätzen. Wie gehen Sie mit diesem Image um?

Gelassen. Weil es nicht stimmt. Ich kann kein netter Bursch in jede Windrichtung sein. Bei Themen, wo wirklich Unbilliges vom öffentlichen Dienst verlangt wird, kann ich nicht zustimmen und der Regierung grünes Licht geben, dass sich die Steuerreform über die öffentlich Bediensteten finanziert.

Sie gelten als beinharter Verhandler. Wie kann man Fritz Neugebauer weichklopfen?

Mit Fakten argumentieren und nicht mit emotionalen Themen. Ich kann auch im Sinne eines Boulevardblattes agieren. Wenn man sich auf dieses Niveau begibt, kann man zu keinem guten Ergebnis kommen. Wenn mit Fakten argumentiert wird, Überzeugungsarbeit geleistet wird, steht am Ende bei mir immer der Kompromiss.

Warum braucht es dann über 30 Verhandlungsrunden für das neue Lehrerdienstrecht?

Das war von der Arbeitgeberseite schlecht vorbereitet. Wie so vieles in unserem Land. Schauen Sie sich die Verhandlungen mit den Ärzten an. Seit 15 Jahren ist bekannt, dass das Dienstrecht geändert werden muss. Mit den Verhandlungen wartet man, bis der Hut brennt. Da wird es dann hektisch und es entsteht Druck. Eine vorausschauende Politik hätte das solider und eleganter gelöst. Oder: Welche Performance ist das von der Bildungsministerin, wenn sie plötzlich entdeckt: Hoppla! Ich kann die Lehrergehälter nicht mehr zahlen, und sie deswegen die Mieten für die Schulgebäude schuldig bleibt. Andererseits leistet man sich alles, was gut und teuer ist.

Was konkret?

Die Neue Mittelschule hat vernichtende Ergebnisse, aber trotzdem hält man an dem teuren Schulmodell fest.

Verhandeln Sie besser mit einem ÖVP- oder SPÖ-Bundeskanzler?

Als Gewerkschaft ist das für mich völlig irrelevant. Ich habe mit Wolfgang Schüssel nächtelang gestritten. Da ging es beinhart zu , sogar bis zur Aufkündigung der Freundschaften. Mit SPÖ-Finanzministern habe ich oft viel lockerere Gespräche geführt.

Wie schaut die andere, die private Seite des Fritz Neugebauer aus. Stimmt es, dass Sie zwischen Verhandlungen auch gerne Klavier spielen?

Ja, klar. Etwa wenn die Arbeitgeberseite den Stand der Verhandlungen beraten will. Da habe ich mich im Bundeskanzleramt schon mal ans Klavier gesetzt und Wiener Lieder oder Schlager von Udo Jürgens gespielt.

Sie sind Udo-Jürgens-Fan?

Nein, eigentlich nicht. Mir hat Stefanie Werger gefallen, weil sie nicht nur eine hervorragende Pianistin ist, sondern auch unheimlich sensible Texte geschrieben hat, die ans Gemüt gehen.

Machen Sie Hausmusik?

Zu Hause steht ein Pianino. Wenn ich Samstagvormittag Luft habe, spiele ich Klavier und singe Operetten- und Opernarien. Ich bin zwar ein nicht ausgebildeter Bariton, aber man muss sich nicht die Ohren zuhalten, wenn ich singe.

Man liest, dass Fritz Neugebauer schon in seinen Jugendjahren ein harter Handballer war. Haben Sie sich hier die nötige Härte angelernt?

Ich habe am Kreis als Kreisläufer im sozialistischen Klub in Atzgersdorf gespielt. Der Klub hat damals einen guten, rauen, harten aber gerechten Stil gespielt. Das war genau meins.

Wie wichtig ist Ihnen Gerechtigkeit?

Ohne Gerechtigkeit geht gar nichts. Die alten Römer haben gesagt: "Wenn du den Frieden willst, rüste für den Krieg". Aber in Wahrheit müsste es heißen: "Wenn du den Frieden willst, schaffe Gerechtigkeit." Auf allen Ebenen. Das ist natürlich ein mühsamer Weg.

Ist das Ihr Leitfaden als Gewerkschafter?

Es ist mehr eine Handlungsanleitung. Mein Leitfaden stammt von dem Religionsphilosophen Martin Buber: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung." Man lernt aus jeder Begegnung.

Sie wurden vor Kurzem 70. Statt einer Feier gingen Sie lieber mit der Familie auf Reisen. Sind Sie für andere Kulturen offener als für Reformen?

Geografie war immer schon eine Leidenschaft von mir. Das Glück war, mein Vater arbeitete bei der Bundesbahn. Damals gab es Regiekarten für Eisenbahnbedienstete. Als 14-Jähriger bin ich am Wochenende um 15 Schilling nach Innsbruck gefahren, ging dort ins Kino und fuhr mit dem Nachtzug wieder nach Hause. Ich konnte auch zwischen Wien und Innsbruck jede kleine Station auswendig. Das Kursbuch war für mich ein Lesebuch.

Was war Ihr Highlight?

Es gefällt mir überall. Rückblickend ist es für mich ein Privileg, die Welt in ihrer Vielfalt gesehen zu haben. Beeindruckend war für mich Namibia. An der Grenze zwischen Namibia und Angola begegnete ich dem Nomadenstamm der Himbas. Das sind Menschen, die noch im Urzustand leben. Sie besitzen eine gewisse Gelassenheit, leben mit dem Tagesablauf. Sie stehen um vier in der Früh auf und gehen mit Sonnenuntergang schlafen. Das sind Dinge, die man als Europäer nicht mehr kennt.

Kann der harte Neugebauer privat butterweich sein?

Ich kann schon stark emotional werden, da stehe ich relativ schnell beim Wasser.

Das heißt, Fritz Neugebauer kann auch weinen?

Da muss die Stimmung schon sehr ans Gemüt gehen. Da kann man schon eine Träne verdrücken – das ist kein Problem.

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