Neuer Dreikampf um einen alten Haider-Slogan: "Österreich zuerst"

Heinz-Christian Strache vor Christian Kern und Hans Peter Doskozil
Notwehr oder Kurswechsel?Rot und Schwarz propagieren nun einen Slogan, auf den seit Jahren die Blauen setzen.

Jetzt sagt auch Rot-Schwarz: Österreich zuerst. SPÖ-Kanzler Christian Kern hatte im Namen der Regierung Anfang dieser Woche einen "Beschäftigungsbonus" vorgeschlagen, der vor allem (aber nicht nur) österreichischen Arbeitslosen helfen soll. ÖVP-Außen- und EU-Minister Sebastian Kurz legte nach, und präsentierte eine Novelle, wie die Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland teils drastisch gekürzt werden soll. Das stehe dem Diskriminierungsverbot in der EU nicht entgegen, wonach EU-Ausländer nicht schlechter gestellt werden dürfen, betonten Kern als auch Kurz – und präsentierten entsprechende Gutachten.

Neuer Dreikampf um einen alten Haider-Slogan: "Österreich zuerst"
Kurz
SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hält zudem weitere Kürzungen für EU-Ausländer für möglich. Auch die Regeln der Krankenversicherung für Angehörige würde bereits diskutiert, sagte der Minister kürzlich. Entsolidarisierung sei in der ganzen EU "leider" ein Trend.

Auch Österreichs Regierung ist dabei einen radikalen Schwenk in Richtung Re-Nationalisierung der Politik zu machen, der bei SPÖ und ÖVP vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Austria first

Freilich fischen die Regierungsparteien mit ihrer "Österreich zuerst"-Politik vor allem im großen Wählerbecken der Freiheitlichen. Die haben schon vor fast 25 Jahren, noch vor dem EU-Beitritt, mit diesem Slogan für ihr Anti-Ausländer-Volksbegehren geworben, und den Spruch seither immer wieder bemüht. "Damals hat die Regierung pauschal alles als rechts abgetan, sich nicht mit den Inhalten auseinandergesetzt. Jetzt endlich haben ÖVP und SPÖ aus diesem Fehler gelernt und nehmen sich dieser Themen an – und nehmen den Freiheitlichen so ihre Monopol-Stellung", analysiert Stefan Petzner, einst Kampagnenchef des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider.

Neuer Dreikampf um einen alten Haider-Slogan: "Österreich zuerst"
Aufnahmedatum 10.02.1993 Susanne Riess-Passer, Jörg Haider, -, Österreich zuerst, FPÖ
Petzner glaubt, dass sich die politische Kursänderung vor allem für die Volkspartei auszahlen wird. "Die ÖVP ist in der leichteren Position, da sie eine bürgerlich-konservative Ideologie vertritt, die Kurz seit Jahren sehr geschickt mit seinen Themen bedient." Die SPÖ habe es ob ihrer Ideologie schwerer. "Hans Peter Doskozil deckt jetzt den rechten Flügel der Partei ab, doch für Kern und die Partei ist das ein Spagat."

Diesen Spagat bewältigt schon seit ein paar Jahren der burgenländische SPÖ-Chef und -Landeshauptmann Hans Niessl. Er koaliert seit 2015 mit den Freiheitlichen, und begrüßt den Kurswechsel in Wien, schließlich fährt er längst einen "Burgenländer zuerst"-Kurs. Er habe schon lange auf das Problem mit den ausländischen Arbeitskräfte aufmerksam gemacht, Kerns Beschäftigungsbonus sei daher "goldrichtig", so Niessl im KURIER-Gespräch. Kern reagiere nur auf die angespannte Situation am Arbeitsmarkt. Die EU sei gut beraten, dasselbe zu tun. "Ich halte es für einen Fehler zu sagen: Das sind FPÖ-Themen, die greifen wir nicht an. Man muss ansprechen, was die Menschen bewegt – und Sicherheit und Arbeit sind solche Themen."

"Bitte reden wir uns in keine Situation hinein, in der wir die Geister, die wir riefen, so schnell nicht wieder loswerden", entgegnet ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas. Die Stimmungslage und politische Entwicklung – "Nationalismus, Protektionismus, Schuldzuweisungen statt Problemlösung, also Populismus – das bereitet mir große Sorgen." Lösungen, mahnt Karas, sollten in Brüssel gemeinschaftlich gesucht werden.

"Keinen Mumm"

Auch für Heide Schmidt ist die Österreich-zuerst-Politik nach FPÖ-Vorbild nicht okay: "Statt den Mumm zu haben, dem etwas entgegenzusetzen, tut man es ihnen nach. Man bestätigt damit nur deren Politik, anstatt eigene Positionen zu stärken", sagt die Gründerin des Liberalen Forums. "Maßnahmen wie der Beschäftigungsbonus sind nur ein Zugeständnis an die falsche Politik." Es zeige, wie stark der Bundeskanzler "gleich von zwei Seiten unter Druck steht – einerseits vom Wähler, andererseits von Parteifreunden. Werner Faymann hat die Sozialdemokratie richtungslos hinterlassen, und es liegt jetzt auf Kerns Schultern, wieder Inhalt hineinzubringen."

Derzeit sieht es aber nicht nur danach aus, dass der nächste Wahlkampf zwischen den Spitzenkandidaten Kern, Kurz und Strache härter denn je ausgetragen wird. Gemeinsam könnten alle drei nur eines haben – den heimlichen Slogan: "Österreich zuerst".

(Lindorfer/Hager/Gaul)

Kommentare