Dreitägiger Budget-Marathon startet emotional

Finanzminister Schelling (ÖVP), Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) und Bundeskanzler Faymann
Faymann verteidigt Steuerreform, Strache ortet "Versagen", Glawischnig will Nachbesserungen.

Der Nationalrat ist am Dienstag recht emotional in den dreitägigen Budgetmarathon gestartet. FPÖ-Chef Heinz-Christian ortete ein "Versagen der Bundesregierung". Nachbesserungen verlangte Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) rückte seitens der Regierung zur Verteidigung aus.

Reformstau wollte sich der Kanzler in der Generaldebatte nicht vorwerfen lassen: Die Steuerreform werde eine Entlastung für die Arbeitnehmer bringen, "das ist Reform, wie wir sie meinen", betonte Faymann. Sowohl mit dem Beschäftigungspaket als auch bei der Bildung habe man sehr konkrete Reformschritte festgelegt.

Strukturelles Nulldefizit

Für das vorliegende Budget, das Ausgaben von 77 Mrd. Euro sowie Einnahmen von 71,9 Mrd. Euro und damit ein Minus von 5,1 Mrd. Euro vorsieht, fand Faymann nur lobende Worte: Das strukturelle Nulldefizit solle auch 2016 wieder erreicht werden, "das sind stabile Finanzen", unterstrich er. In der Prognose sei für 2016 ein Wachstum von 1,4 Prozent eingestellt. Dies sei ein Beleg dafür, dass man im Rahmen der Möglichkeit in Wachstum investiere. Es gehe auch um europäische Wirtschaftspolitik, "wir wollen kein Land der Mauern sein". Länder wie Österreich hätten durch ihre sozialen Standards und ihre Wirtschaftskraft hohe Attraktivität und seien ein "Magnet", aber man müsse daran arbeiten, "dass wir in Europa Vorbild bleiben".

Schelling will strikten Budgetvollzug

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) machte klar, dass in seinem Haushaltsentwurf keine Spielräume vorhanden sind. Ein strikter Budgetvollzug sei Bedingung. Zurückgewiesen wurde von ihm Kritik der Opposition, wonach zu wenig in Wachstum investiert werde. Alleine die Steuerreform sei ein Beitrag dazu. In Sachen Heta wies der Finanzminister darauf hin, dieses Problem geerbt und nicht geschaffen zu haben. Und jetzt packe er und nicht etwa die Kärntner Freiheitlichen die Sache an.

Keine Freude hat Schelling mit dem "strukturellen Defizit", dem ja in der EU derzeit das meiste Gewicht gegeben wird: "Das strukturelle Defizit versteht niemand." Es sei intransparent und bringe eine Ungleichbehandlung der Mitgliedsstaaten. Daher setze er sich dafür ein, "dass das sauber wird".

Budgetbegleitgesetz beschlossen

Dienstagmittag wurde das Budgetbegleitgesetz beschlossen. Dem freiwilligen "Integrationsjahr", dem Bonus-Malus-System für Unternehmen bei älteren Arbeitnehmern und der Senkung der Lohnnebenkosten über den Familienlastenausgleichsfonds stimmten lediglich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zu.

Das eigentliche Budget wird erst am Donnerstagabend beschlossen, bis dahin kaut der Nationalrat nun die einzelnen Kapitel durch.

Das Budgetbegleitgesetz bringt u.a. ein freiwilliges "Integrationsjahr": Nach Vorbild des "Freiwilligen sozialen Jahres" sollen anerkannte Flüchtlinge (und subsidiär Schutzberechtigte) ein Jahr lang bei einer NGO Dienst tun, damit die Sprache lernen und Netzwerke knüpfen.

Umgesetzt werden mit dem Gesetzespaket auch Ergebnisse des Arbeitsmarktgipfels der Regierung, etwa das Bonus-Malus-System für Unternehmen bei älteren Arbeitnehmern und die umstrittene Senkung des Dienstgeberbeitrags zum Familienlastenausgleichsfonds ab 2017. Die Arbeitgeberbeiträge zum FLAF werden 2017 um 0,4 Prozentpunkte auf 4,1 Prozent und 2018 dann auf 3,9 Prozent gesenkt. Dass dadurch Familienleistungen gefährdet seien, bestreiten die Regierungsparteien. Unternehmen, die im Rahmen des neuen Bonus-Malus-Systems den vorgegebenen Branchenschnitt an älteren Arbeitnehmern erreichen, winkt eine weitere Reduktion um 0,1 Prozentpunkte. Wer die Quote nicht erfüllt, muss ab dem Jahr 2018 die doppelte Auflösungsabgabe zahlen.

Dreitägiger Budget-Marathon startet emotional
ABD0047_20151124 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler Werner Faymann (R/SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (L/ÖVP) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Dienstag, 24. November 2015, im Rahmen einer Nationalratssitzung im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Kosten für Flüchtlingskrise

Der Schuldenweg werde mit diesem Budget wieder einmal "konsequent fortgesetzt", hatte Strache davor kritisiert. Das Budget sei "ambitionslos", ortete der blaue Klubobmann "Reformverweigerung" der Regierung. "Das ist traurig, aber nicht wirklich überraschend." Bei der Steuerreform etwa sei die Gegenfinanzierung "äußerst dubios".

Auch das Top-Thema Flüchtlinge ließ Strache mit einem Verweis auf Mehrkosten etwa für die Grundversorgung oder den Assistenzeinsatz des Bundesheers nicht aus: "Wir haben es mit einer modernen Völkerwanderung zu tun." Die EU versage und die Regierung sei nicht bereit, "dieses Scheitern zu kompensieren", indem man die Grenze schütze, etwa durch Kontrollen und Registrierungen. Strache befürchtete, dass viele illegal hierbleiben. Es handle sich um ein "sicherheitspolitisches Problem".

Glawischnig forderte weiterhin Nachbesserungen. Die Lücke von 350 Mio. Euro im Bildungsbereich werde mit der jüngst präsentierten Bildungsreform nicht geschlossen. Im Zusammenhang mit der anstehenden Klimakonferenz kritisierte die Grüne Klubobfrau, dass die Regierung die wichtigsten Klimaschutzinstrumente "drastisch zusammengekürzt" habe, "das kann nicht Ihr Ernst sein". Im Bereich der Flüchtlinge bezeichnete es Glawischnig als "absurd", dass etwa die Beiträge fürs Flüchtlingshochkommissariat und das Kinderhilfswerk der UNO weiter gekürzt würden.

Diskussion über FLAF-Absicherung

"Extrem verantwortungslos" gegenüber den Familien sei die geplante Senkung der Arbeitgeberbeiträge an den Familienlastenausgleichsfonds, denn man habe nicht überlegt, wie man den FLAF für die Zukunft absichere, meinte Glawischnig. Man solle nicht "unnötig verunsichern", 2016 würden die Familienleistungen erhöht, entgegnete ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka.

Auch dürfe man die Steuerreform nicht kleinreden, diese bringe jedem Einzelnen etwas, betonte Lopatka. Das Budget gehe in die richtige Richtung. Man habe Herausforderungen wie schleppende Konjunktur und Mehrkosten für Flüchtlinge berücksichtigen müssen. Einmal mehr forderte Lopatka Reformen bei den "großen Kostentreibern wie den Pensionsausgaben": Es gehe keinesfalls um einen Eingriff in bestehende Pensionen, aber man müsse früh beginnen, die Pensionen auch für nachfolgende Generationen zu sichern.

Dreitägiger Budget-Marathon startet emotional
ABD0050_20151124 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler Werner Faymann (R/SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (L/ÖVP) und NEOS-Klubobmann Matthias Strolz am Dienstag, 24. November 2015, im Rahmen einer Nationalratssitzung im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

"Nicht enkelfit"

Das vorliegende Budget sei nicht "enkelfit", befand NEOS-Chef Matthias Strolz. "Diese Regierung steht neben der Spur", man habe keine Konzepte. Im Bildungsbereich fehlten Hunderte Millionen, "das ist verantwortungslos", auch gegenüber dem Parlament, ärgerte sich Strolz. "Sie können nicht mit einem Budget hier herkommen, wo Sie von vornherein wissen, das geht sich nicht aus - das ist ein Schwindel." Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP attestierte Strolz zwar guten Willen, er zeigte sich aber empört über die "Schattenregierung der hemmungslosen Besitzstandswahrer".

Seit Jahrzehnten erzählten die Finanzminister, wo gespart werden müsse, "aber es passiert nichts", kritisierte auch Team Stronach-Klubchef Robert Lugar. Die Steuern würden erhöht, aber die Einsparungen blieben aus. Der Regierung unterstellte er "Reformstau".

In der Drei-Parteien-Erklärung heißt es: "Die fürchterlichen Attentate von Paris stellen eine neue Eskalationsstufe dar, welche der geschlossenen Gegenwehr aller bedarf, die für eine menschliche Wertegesellschaft eintreten."

"Unsere freie, offene, demokratische und auf den Werten der Humanität gegründete Gesellschaft" sei zwar nicht perfekt, ihren menschenfeindlichen Gegnern - verkörpert durch den sogenannten Islamischen Staat IS und dessen "grausame Handlanger" - aber weit überlegen, schreiben die Klubchefs. Gegenüber dem Terror dürfe man nicht zurückweichen sondern ihm mit aller Entschiedenheit entgegentreten.

Frankreich habe die EU um Beistand in diesem Kampf ersucht und selbstverständlich müsse man sich geeint und wirkungsvoll dieser Herausforderung stellen. Es sei von hoher Bedeutung, dass alle, auch die USA und Russland, auf internationaler Ebene gegen den Terrorismus zusammen arbeiteten.

Eines guten Zusammenwirkens bedürfe es auch im Inland und zwar zwischen allen Parteien, Institutionen und auch Religionsgesellschaften. Angehörige aller Religionen und Menschen ohne Bekenntnis seien von dem durch Terroristen verursachten Leid betroffen. Daher wäre es falsch und kontraproduktiv, die islamischen Mitbürger unter Generalverdacht zu stellen.

Gleichzeitig wird jedoch hervorgehoben, dass die Menschen islamischen Glaubens in Österreich und in Europa eine besondere Verantwortung trügen. Denn aktive Beiträge von ihrer Seite könnten besonders wirksam zur Bekämpfung des mörderischen Gedankenguts und der Handlungen der islamistischen Terroristen sein.

Präventionsarbeit

Ferner plädieren die drei Parteien für verstärkte Präventionsarbeit an den Schulen. Gefordert sei auch das Parlament zu prüfen, ob die geltenden Gesetze tauglich zur Bekämpfung des Terrors sind. Den Sicherheitsbehörden müssten jedenfalls die notwendigen Instrumente in die Hand gegeben werden, dazu brauche es auch ausreichende Polizisten, die bestens ausgebildet und ausgestattet seien.

Alle Versuche, die Flüchtlingsfrage auf unsachliche oder gar demagogische Weise mit dem Terrorismusproblem zu verknüpfen, werden zurückgewiesen. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass es nur dann ein friedliches Österreich und ein friedliches Europa geben könne, wenn Integration von allen Ernst genommen werde und jeder seinen Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben leiste, das auf den Werten Freiheit, Menschenwürde, Gleichberechtigung und Demokratie, einschließlich der Trennung von Religion und Staat, fuße.

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