Heinisch-Hosek: "Ich habe die Nase voll"

Bildungsministerin Minister Gabriele Heinisch-Hosek
Nächste Bifie-Panne bei der Mathe-Matura an einigen Wiener AHS: In den Testheften war nur ein Drittel der Aufgaben vorhanden.

Nach der Empörung über den geänderten Notenschlüssel bei der Zentralmatura im Fach Englisch (siehe Artikel unten) gibt es nun neuen Zündstoff: Die an 48 Schulen laufende Zentralmatura im Fach Mathematik musste am Freitag an fünf Wiener AHS kurz unterbrochen werden. In den verteilten Testheften des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) waren nur acht statt 24 Aufgaben vorhanden. Im Bifie bestätigte man das Problem. Mittlerweile laufe die Matura wieder normal.

SPÖ-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat nach der neuerlichen Panne kundgetan "nicht einfach zur Tagesordnung übergehen" zu wollen: "Es ist genug, da ist zu viel passiert", hieß es aus dem Ministerium. Nach dem Ende des Matura-Testlaufs am Mittwoch werde sowohl die Reifeprüfung als auch das verantwortliche Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) "ohne Tabus überprüft".

"Ich habe die Nase voll und kann das nicht mehr länger akzeptieren", sagte Heinisch-Hosek am Freitag am Rande einer Veranstaltung der SPÖ-Frauen in Innsbruck. Ursache sind die jüngsten Pannen bei der Zentralmatura. Sie verschärft ihre Kritik an den Verantwortlichen des Bifie. Es seien schwerwiegende Management- und Kommunikationsfehler passiert, diese gelte es nun im Zuge einer internen Revision zu überprüfen, erklärte die Ministerin vor Journalisten in Innsbruck. sei "sehr schlampig" und teilweise unabgesprochen mit dem Ministerium kommuniziert worden. Insbesondere bei der Englisch-Zentralmatura läge das Problem rein an diesen Kommunikations-Defiziten, so die Bildungsministerin.

"Die Ministerin schaut nicht länger zu", betonte man weiters. Es werde eine interne Überprüfung des Bifie-Managements eingeleitet. Zunächst hätten aber die Schüler das Recht, die Matura - soweit das noch möglich sei - einigermaßen in Ruhe zu Ende zu bringen. In der kommenden Woche stehen bis Mittwoch noch die Klausuren in Italienisch, Latein und Griechisch am Programm. Dann müsse aber ergebnisoffen überprüft werden, welche Fehler passiert seien: "Es wird im Rahmen einer internen Revision sehr genau nachgeschaut, was hier passiert ist."

Mit Ergebnissen der internen Revision sei in zwei bis vier Wochen zu rechnen. "Dann entscheide ich", meinte die Ministerin.

"Fehldruck in einigen Paketen"

Was war passiert? In einem Mail des Bifie an alle am Schulversuch teilnehmenden Schulen ist von einem "Fehldruck in einigen Paketen" im AHS-Bereich die Rede. Bifie-Direktor Martin Netzer bestätigte das Problem. In einem Teil der Testpakete sei nur ein Drittel der vorgesehenen Ausgaben ausgedruckt gewesen. Betroffen seien ausschließlich Wiener Schulen, so Netzer.

Die fehlenden Aufgaben mussten von den Direktoren daher aus dem Internet heruntergeladen und kopiert werden. Für die Schüler wurde die Arbeit nach Absolvierung der acht vorhandenen Aufgaben unterbrochen und nach einer Pause fortgesetzt.

Walser: "Unfassbare Schlamperei"

Als "unfassbare Schlamperei der Verantwortlichen im Bifie", bezeichnet Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, die Panne bei der Zentralmatura. Er fordert Konsequenzen: "Es war von vorneherein unverantwortlich, dass eine hoheitliche Aufgabe nicht vom Ministerium selbst durchgeführt wird. Nach der Pannenserie aber ist nun wohl endgültig klar, dass das Bifie nicht länger mit der Durchführung der Reifeprüfung betraut werden kann", schlägt Walser kritische Töne an. Nachsatz: "Es ist offensichtlich, dass eine solche heikle Aufgabe nicht von einem externen Institut erfüllt werden kann, derzeit sind die Leidtragenden all dieser Probleme vor allem die SchülerInnen, die vor einer so wichtigen Prüfung besonders aufgeregt sind - eine Panne erhöht den Stress nochmal erheblich und hat damit auch Auswirkungen auf die Leistungen."

Nepp fordert Bifie-Auflösung

In die selbe Kerbe schlägt der Bildungssprecher der FPÖ Wien, Dominik Nepp: "Wenn man nicht einmal erwarten kann, dass Prüfungsaufgaben ordnungsgemäß ausgedruckt verschickt werden, so fehlt jede Berechtigung für den Fortbestand dieser Millionen Euro teuren, unnötigen Organisation", so Nepp. "Damit könnte das Bildungsministerium auf einen Schlag den Sparbedarf im Schulbereich abdecken, ohne bei Schülern oder Schulen sparen zu müssen", fordert er die sofortige Auflösung des Bifie. "Die täglich neuen Pannen bei der Zentralmatura wären beinahe kabarettreif, wären nicht leider viele Maturanten davon betroffen", äußerte sich auch FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz zum Debakel rund um die Zentralmatura.

Schülerunion: "Darf keine Pannen geben"

"Die heutigen Vorfälle in Wien bei der Mathematik-Matura können nur als Chaos bezeichnet werden", zeigt sich Thomas Gaar, Bundesobmann der Schülerunion enttäuscht. "Das Ministerium und das Bifie haben seit Jahren einen Lauf. Leider aber im negativen Sinn, denn sie lassen kein Fettnäpfchen aus. Es darf bei einer Matura schlichtweg zu keinen Pannen kommen. Das sorgt bei den Schülern für viel Unsicherheit und Aufregung", so Gaar.

Der heurige Maturatermin ist die Generalprobe für die verpflichtende Einführung der neuen Matura ab dem kommenden Schuljahr 2014/15 an den AHS. Die berufsbildenden höheren Schulen (BHS) folgen im Jahr darauf. Die neue Reifeprüfung mit der schriftlichen Zentralmatura als Herzstück wird derzeit in mehr als 90 Prozent der AHS in zumindest einem Fach - meist Englisch - als Schulversuch erprobt.

Der Protestschrei ist riesig: Schüler, Eltern, Direktoren, Lehrer und Schulbehörden empören sich über den geänderten Notenschlüssel bei der Zentralmatura im Fach Englisch. Statt wie bisher 60 Prozent müssen Maturanten heuer 63 Prozent der Prüfungsaufgaben richtig beantworten, um positiv zu sein. Die Lehrer haben davon am Dienstagnachmittag – also nach der Matura – erfahren. Am Donnerstag wurde bekannt, dass in Französisch 62,4 Prozent für einen Vierer nötig sind.

Bifie-Direktor Martin Netzer, der für die Zentralmatura zuständig ist, verteidigte in einer Aussendung am Mittwoch den Notenschlüssel: "Er ist fair und sichert eine Vergleichbarkeit." Seine Begründung: "Es ist nicht möglich, jedes Jahr Aufgaben zu formulieren, die gleich schwierig sind. Heuer war die Matura leichter, weshalb es zu diesem Beurteilungsschlüssel kam." Schon Ende März hätte man mitgeteilt, dass es zu solchen Abweichungen kommen könne.

Eine Argumentation der außer der Ministerin niemand folgen wollte. Der Lehrer Helmut Jantschitsch von der AHS Kundmanngasse in Wien kritisiert etwa: "Die meisten meiner Schüler empfanden die Matura schwieriger als die in vorherigen Jahren. Die Aufgaben waren keinesfalls leichter."

Jantschitsch und Kollegen haben deshalb einen offenen Brief ans Ministerium geschrieben, indem sie auch die Kommunikation des bifie kritisieren. Nicht nur sie, auch die steirische Landesschulpräsidentin Elisabeth Meixner und die Wiener Direktorensprecher mahnen hier Verbesserungen ein.

Unverständlich

Doch die Aussendungen des bifie werden nicht verständlicher: In einem Schreiben an die Schulen heißt es sinngemäß: "Bei knappen Ergebnissen entscheidet der Prüfer, welche Note er gibt." Doch was heißt knapp? Netzer zum KURIER: "Wenn weniger als ein Punkt fehlt, um eine bestimmte Note zu erreichen."

Schüler und Eltern wollen das so nicht stehen lassen. Thomas Gaar, Obmann der Schülerunion, akzeptiert das nicht: "Wir bestehen auf die 60 Prozent." Auch Elternvertreter Theodor Saverschel fordert eine Änderung: "Das hätte man vorher den Schülern kommunizieren müssen. Bei Schularbeiten hat der Lehrer ja auch vorab einen Notenschlüssel bekannt zu geben."

Martin Netzer verweist auf die gesetzlichen Vorgaben: "Wir dürfen den Lehrern die Korrekturschlüssel immer erst im Nachhinein übermitteln. Wir sind da an geltendes Recht gebunden."

Kommentare