Muhm: "Industrie bekommt einfach den Hals nicht voll"

AK-Direktor Werner Muhm
Scharfer Konter von AK-Direktor Muhm auf IV-Präsident Kapsch

Nach der Kritik von VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an der sinngemäß "reformunwilligen" Sozialpartnerschaft hatten sich die Reihen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zunächst geschlossen. Doch nachdem auch Industrie-Präsident Georg Kapsch – ebenfalls im KURIER – die Sozialpartnerschaft als "überlebt" bezeichnet hat, ist es vorbei mit dem Frieden. AK-Direktor Werner Muhm kontert scharf.

Schützenswert

Der Arbeiterkämmerer hält insbesondere die gesamtwirtschaftliche Orientierung der Sozialpartner, die ihren zentralen Ausdruck in der Lohnpolitik hat, für schützenswert. Muhms These lautet: Ohne die Vorbildwirkung der Metaller-Lohnrunde würde der öffentliche Dienst dominieren. Muhm: "Eine Lohnführerschaft des geschützten Sektors wäre das Gefährlichste. Wenn man die Sozialpartnerschaft zerschlagen will, dann bekommt man tatsächlich eine andere Republik."

Auch bei Einzel-Themen kritisiert Muhm die Industriellenvereinigung scharf. "Gießkannenpolitik" am Problem der Investitionsschwäche vorbei, sei deren Forderung nach einer Halbierung der Körperschaftssteuer für nicht entnommene Gewinne. Das erhöhe nur die Gewinne der Großkonzerne.

"Einseitige Sicht der Dinge"

Generell ärgert Muhm: "Die Industrie neigt zu einer sehr einseitigen Sicht der Dinge und bekommt einfach den Hals nicht voll." Als Beleg für die harte Aussage führt er an: Die Lohnnebenkosten-Senkung um eine Milliarde Euro; die Erhöhung der Forschungsprämie von zehn auf zwölf Prozent oder die neue Zuzugsbegünstigung für Forscher. Muhm: "Das stecken sie alles ein und reden nicht einmal mehr darüber."

Verteilungsfrage

Für geradezu "lächerlich" hält Muhm die Aussage der Arbeitgeberseite, dass es eben nichts mehr zu verteilen gebe, und die Sozialpartner deshalb so einen schweren Stand hätten. Für 2015 hätten die heimischen Großunternehmen drei Milliarden Euro an Dividende ausgeschüttet. Und die Eigenkapitalrendite der 1500 größten Betriebe sei – mit Ausnahme von 2008 – stets bei komfortablen 12 und 14 Prozent gelegen.

Das Wunschmodell Muhms zur raschen Belebung der Wirtschaft wäre eine degressive Abschreibung. Im ersten Jahr könnte Firmen dabei 40 Prozent einer Anschaffung abschreiben, danach jedes Jahr weniger bis der Gesamtwert z.B. der Maschine abgeschrieben ist. Das würde einen sofortigen enormen Investitionsschub bringen, ist Muhm überzeugt.

Für die einen unverzichtbar, um den Sozialstaat zu retten, für die anderen Gift für die Unternehmen und den Wirtschaftsstandort. Die Idee einer Maschinensteuer spaltet seit jeher das politische Lager. Wohl auch ein Grund, warum sie bisher nicht umgesetzt wurde. Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen zum neuen Aufregerthema zusammen.

Was genau ist eigentlich eine Maschinensteuer?

Der jetzt von SP-Seite verwendete (Über)-Begriff geht auf eine Idee von Ex-Sozialminister Alfred Dallinger aus den 1980-er Jahren zurück. Es geht um die Einführung eines zusätzlichen Beitrags zur Sozialversicherung, die sich derzeit ausschließlich durch Lohn- und Gehaltsabgaben auf menschliche Arbeit finanziert. In diese Lohnkomponente sollen auch Wertschöpfungskomponenten eines Unternehmens einbezogen werden, etwa Gewinne, Zinsen, Mieten und Pachten sowie Abschreibungen. Daher ist auch der Begriff "Wertschöpfungsabgabe" gebräuchlich. Eine solche würde die sogenannte Berechnungsgrundlage deutlich erhöhen und die Belastung des Faktors Arbeit entsprechend verringern.

Warum flammt die Debatte jetzt wieder auf?

Die jetzige Finanzierung des Sozialsystems hängt (zu) stark am Faktor Arbeit. Die Digitalisierung verändert den Arbeitsmarkt jedoch massiv: Menschenleere Fabrikshallen, weniger Vollzeit-, mehr atypische Beschäftigung, weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, internationaler Job-Wettbewerb, hohe Arbeitslosigkeit.

Was spricht für eine Maschinensteuer?

Die Finanzierung des Sozialsystems wird breiter aufgestellt und zielt nicht nur auf die Arbeit ab. Die Digitalisierungsgewinner sollen einen höheren Beitrag leisten als bisher. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn auch die aktuell größten Gewinner, große Internet-Konzerne wie Apple, Google oder Facebook, sich der lokalen Besteuerung nicht entziehen können.

Was spricht gegen eine Maschinensteuer?

Eine solche Besteuerung belaste die Unternehmen zusätzlich, schade daher dem Wirtschaftsstandort und koste Jobs, argumentieren Industrievertreter. Sie fürchten, dass auch Investitionen in Maschinen und Anlagen (Maschinensteuer im engeren Sinn) in die Besteuerung einfließen könnten. Damit wäre die Abgabe auch innovationsfeindlich, Firmen würden notwendige Neuanschaffungen nicht tätigen. Durch die Wertschöpfungsabgabe komme es auch zu Doppelbesteuerung von Gewinnen. Eine Umsetzung wäre überdies hochkomplex und kostspielig.

Wer wären die Gewinner, wer die Verlierer?

Das kommt auf die jeweilige Ausgestaltung der Abgabe an. Details dazu gibt es bis dato nicht. Gewinner einer aufkommensneutralen Einführung der Wertschöpfungsabgabe wären Unternehmen mit vielen Beschäftigten, also vor allem Dienstleister, der öffentliche Dienst, der Handel und Tourismus. Verlierer wären kapitalintensive Branchen wie die Ölbranche, Banken, Versicherungen oder der Immobiliensektor. In der Industrie gebe es sowohl Gewinner als auch Verlierer. Bei einer echten Maschinensteuer, also Abgabe auf Investitionen, wären auch Neugründer betroffen.

In welchen Ländern gibt es bereits eine solche Abgabe?

Eine Art Wertschöpfungsabgabe gibt es innerhalb der EU nur in Frankreich mit der "Allgemeinen Sozialabgabe", die es seit den 1990-er Jahren gibt. Sie finanziert Familien- und Pflegeleistungen. In vielen Ländern wird jedoch über die Folgen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt – und damit auf das Sozialsystem – diskutiert. Motto: Wenn Roboter immer mehr Arbeit erledigen, warum sollen dann nur die Arbeitnehmer die Kosten des Sozialstaates tragen?

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