Der angeblich "liberale" Alltag im NS-Regime

Andreas Mölzer
Gegen FP-Mölzer hagelt es Rücktrittsaufforderungen.

Also sprach Andreas Mölzer, FPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl: Das "Dritte Reich" sei im Vergleich zur "EU-Diktatur" wahrscheinlich "liberal und formlos" gewesen, weil es "nicht so viele Verbote, Gebote und Vorschriften gab".

"Das ist völlig absurd", sagt der Historiker Oliver Rathkolb. Erstens könne man eine Demokratie nicht mit einer Diktatur vergleichen. In der EU kommen Gesetze demokratisch zustande (EU-Parlament, Beschlüsse von gewählten Regierungen, Zustimmung nationaler Parlamente). Das NS-Regime war hingegen eine Einpartei-Diktatur mit "Führer"-Erlässen. Zweitens sei gerade das NS-Regime bekannt dafür, dass es seine verbrecherische Politik auf ein "Pseudorechtssystem" stellte, mit einer Flut von Verordnungen und Gesetzen. Die Juden wurden mit zahllosen Gesetzen verfolgt, vom Sterntragen bis zur Vermögenskonfiszierung. Die Vorschriften gingen bis in Details, wonach mit Haft bedroht wurde, wer sich "freundlich gegenüber Juden" zeigte.

Verboten waren außer der NSDAP alle Parteien, die freie Meinungsäußerung, die freie Presse usw.

Die NS-Gesetze griffen tief in das Leben der Menschen ein: Ab 10 waren Kinder verpflichtet, sich NS-Jugendorganisationen anzuschließen. Es galt allgemeine Wehr- und Kriegspflicht – auf Wehrdienstverweigerung stand die Todesstrafe. Es gab die Verpflichtung zu Arbeitsdienst und zur "Dienstleistung für das Vaterland". Rathkolb: "Jugendliche wurden von der Schule heraus zum Arbeitsdienst eingezogen. Ich wünsche Herrn Mölzer viel Spaß, seinen Wählern beizubringen, dass sie zum Arbeitsdienst sollen."

Zur Wirtschaft: In den Unternehmen wurde das "Führerprinzip" eingeführt: "Vorgesetzte verfügen über absolute Befehlsgewalt, die Untergebenen sind zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet." Die gesamte Wirtschaft wurde sukzessive auf Krieg ausgerichtet, 1944 wurden "minder kriegswichtige Betriebe" überhaupt stillgelegt.

Der deutsche Reichsbauer war mit Todesstrafe bedroht, wenn er "Schwarz-Schlachtungen" vornahm. "Dagegen ist das EU-Agrarsystem wohl das kleinere Übel", sagt Rathkolb. Er "zweifle an dem politischen Willen des Herrn Mölzer."

Das tun auch andere. Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die Israelitische Kultusgemeinde und SOS-Mitmensch fordern die FPÖ auf, Mölzer abzuziehen. Der FPÖ selbst ist auch nicht ganz wohl: Gemeinderat Jung sagt, der Vergleich sei "unglücklich" und "historisch falsch". Mölzer sieht sich – nachdem er seit Freitag auf seinen Aussagen beharrte – zur Erklärung veranlasst, dass er das "NS-Verbrecherregime verurteilt".

Indessen legt die Süddeutsche Zeitung, die über Mölzers Aussagen berichtet hatte, nach: Mölzer habe entgegen seinen Behauptungen die EU nicht als "nekrophiles Konglomerat", sondern als "Negerkonglomerat" bezeichnet. Laut SZ sagte Mölzer bei der Veranstaltung in Wien: "Es ist eine Frage auch des Arbeitsethos, was aus diesem Europa wird: Entweder sind wir ein Negerkonglomerat, totales Chaos, sage ich jetzt bewusst brutal politisch nicht korrekt. Wo das Chaos sich vermehrt, wo Massenzuwanderung, wo wirre Konzerninteressen (sind)." Mölzer hat sich am Montagabend "für die verfehlte Wortwahl" entschuldigt.

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