Halbierung der Obergrenze käme Zuwanderungsstopp nahe

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner verschärft Flüchtlingskurs.
ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner versucht, die Gangart weiter zu verschärfen. In der Praxis würde sein Vorschlag einem "Grenzen dicht" gleichkommen. Kanzler Kern reagierte reserviert.

Endlich ist ihm wieder einmal etwas gelungen. Nach Wochen der für ihn quälenden Obmanndebatte landete ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am Mittwoch einen medialen Coup.

Der Chef-Schwarze nutzte die Auftakt-Pressekonferenz der ÖVP-Klubtagung im steirischen Pöllauberg zu einer scharfen Ansage gegen Flüchtlinge und lenkte damit maximal von der abendlichen Grundsatzrede von Kanzler Christian Kern in Wels ab. Für den Moment zumindest hatte Mitterlehner das Fernduell gewonnen. Das Interesse der Journalisten an Details seines Vorschlages genoss er sichtlich.

Worum geht es? Mitterlehner macht in der Flüchtlingspolitik einen weiteren Schritt nach rechts und fordert die Halbierung der Obergrenze für Asylwerber auf heuer 17.500. Von einem völligen Zuwanderungsstopp wäre Österreich damit nicht mehr weit entfernt.

Die Ziffer von 17.500 sieht Mitterlehner nicht in Stein gemeißelt, aber als "Symbol", und vor allem "politisches Signal": Die ÖVP nehme die Sorgen der Bevölkerung ernst. Die Integration der Asylwerber, die Sicherheitslage und Ängste der Menschen lassen aus Sicht der Schwarzen keinen höheren Flüchtlingszustrom mehr zu. Wenn man so will, sagt die ÖVP: Das Boot ist voll.

Große Altlast

Denn: Die im Vorjahr lange umstrittene Obergrenze beträgt für heuer 35.000 Asylverfahren. Allerdings schleppen die Behörden rund 14.000 Altverfahren aus dem Vorjahr mit. Spätestens im Mai, wenn nicht deutlich früher, wäre also die halbierte Obergrenze erreicht, sagen Fachleute. Setzt sich die ÖVP mit ihrer Forderung durch, heißt es in wenigen Monaten: "Grenzen dicht".

Mit der SPÖ sei die Halbierung der Obergrenze nicht abgesprochen, sagte Mitterlehner. Er sei sich auch durchaus bewusst, dass das eine "harsche Ansage" ist, aber eben auch eine "notwendige". Man werde sich der Diskussion mit der SPÖ stellen. Klubchef Reinhold Lopatka meinte in Anspielung auf Kerns Rede: "Andere halten Reden, wir arbeiten."

Geht es nach der ÖVP soll die Obergrenze von 17.500 Asylverfahren pro Jahr als Größenordnung auch für die kommenden Jahre gelten. Der mühsam erzielte Kompromiss für heuer und 2018 (dann maximal 30.000 Asylverfahren) wäre damit Makulatur.

Verhaltene Reaktion Kerns

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) reagiert reserviert auf den ÖVP-Vorschlag, die Flüchtlingsobergrenze für 2017 auf rund 17.000 Personen zu halbieren: Die Zuwanderung zu regulieren, sei eine "große Aufgabe" und es gebe viel zu tun, sagte Kern Mittwochabend in der ZiB 2 - "da wird's nicht reichen, wenn wir eine statistische Größenordnung auf ein Blatt Papier schreiben".

Den ÖVP-Vorschlag habe er "mit Interesse gelesen", sagte Kern. Entscheidend sei, sich klar dazu zu bekennen, Flüchtlinge menschlich zu behandeln und humanitären Verpflichtungen nachzukommen. Klar sei aber auch, dass die "Wanderungsbewegung" Österreich an seine Grenzen der Fähigkeit bringe, weitere Menschen zu integrieren. Eine Begrenzung der Zuwanderung sei das Ziel und man habe Maßnahmen zu entwickeln, um das Ziel zu erreichen. "Jetzt ist das eine reine Debatte über eine Zahl." Es brauche konkrete Maßnahmen wie etwa Rückführungsabkommen, da seien bekanntlich ÖVP-Minister gefordert.

Neuer Kombilohn

Andere Themen auf der ÖVP-Klausur: Die Volkspartei will die kalte Progression abschaffen, die Körperschaftssteuer senken und Arbeitslosen einen Kombilohn zahlen, wenn sie einen Job in einem anderen Bundesland annehmen. Das neue Gehalt plus 30 Prozent des bisherigen Arbeitslosengeldes soll jemand bekommen, der z.B. aus Wien kommt und einen Job im Tourismus in Tirol annimmt.

Mitterlehner ist optimistisch, dass man schon eine genügend große Schnittmenge mit der SPÖ finden werde, um bis 2018 gemeinsam zu regieren. Ob die halbierte Obergrenze dabei sein wird, darf bezweifelt werden.

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