ÖVP stellt erste Forderungen

Mitterlehner ist mit der einstweiligen Führung der Geschäfte des Bundeskanzlers betraut
Mitterlehner will sich Faymann-Nachfolger "genau anschauen". ÖVP bespricht heute Situation.

Die SPÖ demontiert ihren Parteichef und Kanzler – und der Koalitionspartner sieht erste Reihe fußfrei zu.

Ein ÖVP-Stratege bemüht zur Illustration der Gemütslage der Volkspartei von Montagnachmittag folgenden Vergleich: "Wir machen gerade einen gemütlichen Fernsehabend auf der Couch, es läuft der Film ,Niedergang und Zukunft der SPÖ‘ – jetzt hat jemand auf Pause gedrückt, und wir gehen einmal kurz Popcorn holen, bevor es weitergeht."

Abwarten also. Schauen, was kommt in der SPÖ. Und vor allem: wer.

"Genau anschauen"

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war als Einziger im ÖVP-Regierungsteam vorzeitig informiert über den bevorstehenden Rücktritt Werner Faymanns. Er erklärte noch zu Mittag, er nehme die Entscheidung Faymanns "mit Respekt zur Kenntnis". Wer zum neuen SPÖ-Chef gekürt werde, das sei allein Sache der SPÖ, betonte der Interims-Kanzler. Es gebe aber "keine Automatik", dass der neue Chef der Roten auch neuer Kanzler werden müsse. Hier wolle man mitreden, sagte Mitterlehner; schließlich sei das ja auch nicht irgendeine Rolle. Deswegen wollen sich die ÖVP-Granden "genau anschauen, wer das in Zukunft machen soll".

Erste Forderungen

Mitterlehner meinte weiter, dass die zukünftige Bundesregierung sich neu aufstellen müsse, und sich mehr Richtung Wirtschaft und weniger in Richtung Bürokratie orientieren müsse.

Und er machte auch gleich klar: In Sachen Asylpolitik dürfe es keine Änderungen geben. Denn die Regierung habe inzwischen eine gemeinsame Linie gefunden und eine klare gesetzliche Regelung erreicht.

Tatsächlich ist die Stimmungslage innerhalb der Volkspartei aber einigermaßen gespalten darüber, wie man mit dem Rücktritt Faymanns und vor allem dessen Nachfolger umgehen soll.

Grob gesagt gibt es – bevor sich die schwarzen Granden Dienstagnachmittag ab 15 Uhr in Salzburg bei einem Parteivorstand beraten – zwei Strömungen: Die ÖVP-Minister drängen darauf, die Koalition mit den Sozialdemokraten mit neuem Personal fortzusetzen. Und zwar unabhängig davon, wer Faymann als SPÖ-Chef und Kanzler nachfolgt, und was vom neuen Regierungschef programmatisch erwartet werden kann.

Das Kalkül: Die Regierung ist noch bis Herbst 2018 im Amt, da könne man noch viel umsetzen.

Kurswechsel abwarten

Die starken Landesparteien stehen diesem Ansinnen mit viel mehr Skepsis gegenüber. Sie wollen erst wissen, welchen Kurs der Koalitionspartner künftig einschlagen wird. "Eine Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit ist grundsätzlich wünschenswert, aber nicht um jeden Preis", sagt ein Parteistratege.

Auch wenn die Länder zurückhaltend sind: Nur die wenigsten haben ein Interesse, die Regierung endgültig platzen zu lassen und Neuwahlen auszurufen – schließlich liegen SPÖ und ÖVP in Umfragen seit Monaten bei 20 bis 25 Prozent, und es ist nicht sicher, dass sich eine rot-schwarze Mehrheit im Nationalrat noch einmal ausgehen würde.

Koalitionsvertrag neu?

Mancher in der Volkspartei will den Kanzlerwechsel zum Anlass nehmen, die Koalitionsarbeit für die verbleibende Zeit bis zur Wahl auf eine neue Basis zu stellen: Man müsse "die notwendigen Debatten mit der SPÖ führen", sagte Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Es müssten jetzt die "entscheidenden Themen" wie Beschäftigung, Bildung oder Pensionen angepackt und dringend notwendige Reformen rasch umgesetzt werden. Ein möglicher Weg, der auch Faymanns Nachfolger zupass kommen könnte, um Führungsqualität zu demonstrieren: Den Koalitionsvertrag "aufzumachen" – und sich für die kommenden zwei Jahre neue Ziele zu setzen.

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