Mindestsicherung: 70.000 müssen mit Kürzung rechnen

ÖVP-Klubchef Lopatka, Sozialminister Hundstorfer
Obergrenze 1500 Euro: Setzt sich ÖVP durch, verlieren alle Mehrkindfamilien Geld.

Am Dienstag haben sich SPÖ und ÖVP im Prinzip auf eine Reform der Mindestsicherung verständigt, freilich liegen die Positionen noch weit auseinander. Die SPÖ setzt auf Anreize und will mehr "Hilfe zur Arbeit" anbieten, um Menschen wieder aus der Mindestsicherung heraus zu bekommen. Die Kernforderung der ÖVP ist, eine Obergrenze ("Deckel") bei 1500 Euro einzuziehen, um den Kostenanstieg zu bremsen. Das trifft aber vor allem Familien mit Kindern und würde das Einkommen von fast 70.000 Menschen teils kräftig kürzen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist die Mindestsicherung, wie hoch ist sie und wer bekommt sie?

Die Mindestsicherung ist die Nachfolgerin der früheren Sozialhilfe. Ziel ist, dass die Bezieher auf einen – fix definierten – Mindeststandard kommen. Für Einzelpersonen sind das derzeit 827 €, für Paare 1241 € und pro Kind 149 € zusätzlich. Das ist jeweils der Maximalbetrag, den man aus der Mindestsicherung erhalten kann, wobei alle Bundesländer – bis auf Kärnten – freiwillig höhere Kinderzuschläge auszahlen.

Oft ist die Mindestsicherung aber nur ein Zuschlag zu dem Verdienst aus einem sehr schlecht bezahlten Job. Viele bekommen daher deutlich weniger – im Durchschnitt haben die 256.000 Bezieher 2014 pro Monat 320 Euro erhalten –, weil das eigene Einkommen, aber auch Unterhaltszahlungen oder Wohnungseigentum berücksichtigt werden (siehe Grafik).

Wie hat sich die Mindestsicherung in den letzten Jahren entwickelt?

Die Zahl der Bezieher ist seit der Einführung 2009 von 173.000 auf 256.000 gestiegen – ein Plus von rund 45 Prozent. Auch die Kosten sind sukzessive gestiegen, 2014 wurden 673 Millionen Euro für die Mindestsicherung ausgegeben.

Warum gibt es gerade jetzt eine politische Debatte?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen muss man damit rechnen, dass viele Flüchtlinge, die in Österreich Asyl erhalten, zumindest für eine Zeit lang Mindestsicherung beziehen werden. Für das Jahr 2016 wird mit 40.000 zusätzlichen Beziehern gerechnet. Koalitionstechnisch kommt hinzu, dass in der ÖVP das Gefühl vorherrscht, man habe bei der Steuerreform vergleichsweise wenig für die eigene Klientel erreicht. Jetzt will man offenbar zeigen, dass man gegen die "soziale Hängematte" aktiv wird. Nebenbei kann man das rote Wien, als hauptbetroffenen Ballungsraum, und SPÖ-Sozialminister Hundstorfer anpatzen, der sich anschickt, für die Hofburg zu kandidieren. Haken dabei: Letztzuständig für die Mindestsicherung sind die Bundesländer.

Die ÖVP will bei 1500 € eine Obergrenze ("Deckel") einziehen. Wie viele Bezieher wären davon betroffen?

Rund 68.000 Menschen oder 27 Prozent aller Mindestsicherungs-Bezieher wären vom Deckel betroffen. Sie würden von einem Euro bis zu mehreren Hundert Euro verlieren. Konkret: Im kommenden Jahr steigen die Richtsätze für Einzelpersonen auf 837,76 Euro, für Paare auf 1256,64 Euro. Der Kinderzuschlag beträgt dann mindestens 150,80 Euro. Somit verliert ein Paar mit zwei Kindern rund 60 Euro und mit drei Kindern 210 Euro. Bei vier Kindern macht die Einbuße schon 360 Euro aus.

Welche Alternativen zum Deckel gibt es bei einer Reform der Mindestsicherung?

Unter Mitwirkung der Länder soll im kommenden Jahr versucht werden, einheitliche Sanktionen bei Verstößen zu erarbeiten. Zudem will die Regierung mehr auf Sach- statt auf Geldleistungen setzen. Eine weitere Alternative sind stärkere Anreize zur Wiederaufnahme von Arbeit. Die SPÖ setzt hier auf "Hilfe zur Arbeit" – darunter versteht man einen Bonus beim Wiedereinstieg in einen Job, aber auch Beschäftigungsprogramme in Kooperation mit den Ländern beziehungsweise das Nachholen von Schulabschlüssen.

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