Mikl-Leitner: "Es geht operativ gar nicht anders"

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
Die Innenministerin weist den Vorwurf des Amtsmissbrauchs bzw. der Verfassungswidrigkeit zurück.

Nach ihrer Entscheidung, neue Asylverfahren auszusetzen (der KURIER berichtete), erntete Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Kritik von allen Seiten. Nun hat sie den Vorwurf des Amtsmissbrauchs bzw. der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Sie habe "keine Weisung zum Nichtstun" erteilt, sondern dazu, Dublin-Fälle prioritär zu behandeln. Angesichts der aktuellen Antragsflut ergebe sich automatisch, dass andere Verfahren stillstehen.

"Wir haben massiv hohe Antragszahlen. Es ist überraschend, dass das selbst in Österreich so manche noch immer nicht begriffen haben."

Die Bearbeitung von Asylverfahren "wird nicht gestoppt, aber man konzentriert sich auf Dublin-Fälle, Rück- und Abschiebungen, und das führt automatisch dazu, dass die anderen gestoppt werden". "Es geht operativ gar nicht mehr anders", sagte Mikl-Leitner im Gespräch mit der APA am Samstag. Die Ministerin sprach von einer "Entscheidung der Vernunft". Weil das die Kapazitäten derzeit gar nicht mehr anders möglich machten. "Wir haben massiv hohe Antragszahlen. Es ist überraschend, dass das selbst in Österreich so manche noch immer nicht begriffen haben."

Die andere Möglichkeit sei, mit allen Verfahren weiter zu machen, aber eben mit massiven Verzögerungen oder mit Qualitätsverlust. Und das sei gerade für Dublin-Fälle problematisch, "weil da die Fristen relativ schnell ablaufen. Die bleiben dann erst recht in Österreich." Bei ihrer Vorgehensweise gehe es um eine "Schwerpunktsetzung, die rechtlich gedeckt ist", so die Ministerin.

"Die ÖVP betreibt seit Langem eine rassistische Politik, aber Mikl-Leitner ist mit ihrer jüngsten Entgleisung, alle neuen Asylverfahren zu stoppen, endgültig rücktrittsreif"

Jugend fordert Rücktritt

Fassungslos hat SJ-Vorsitzende Julia Herr auf die Entscheidung von Mikl-Leitner reagiert und den Rücktritt der Ressortchefin gefordert. Mikl-Leitner sei "massiv überfordert", wie das Aufstellen von Zelten und die Situation in Traiskirchen zeigen. "Der jetzige Vorschlag schlägt dem Fass den Boden aus", so Herr.

Die SJ unterstütze daher den Vorschlag des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler (SPÖ), Mikl-Leitner "endlich das Ressort zu entziehen", erklärt Herr in einer Aussendung und fordert von der gesamten Sozialdemokratie einen Kurswechsel: "Die Landtagswahlen zeigten, dass ein Übernehmen rechter Parolen weder die Situation verbessert noch Stimmen bringt. Die Sozialdemokratie muss sich daher für eine offene, humane Asylpolitik einsetzen."

Witzani: "ÖVP betreibt rassistische Politik"

Auch die Jungen Grünen forderten am Samstag den sofortigen Rücktritt von Mikl-Leitner. "Die ÖVP betreibt seit Langem eine rassistische Politik, aber Mikl-Leitner ist mit ihrer jüngsten Entgleisung, alle neuen Asylverfahren zu stoppen, endgültig rücktrittsreif", so Diana Witzani, Sprecherin der Jungen Grünen. "Anstatt Menschen in Not schnell und unbürokratisch zu helfen und Asyl als Menschenrecht ernst zu nehmen, macht Mikl-Leitner brutale Politik auf dem Rücken tausender betroffener Menschen, die in Österreich Schutz suchen."

"Mikl-Leitner verursacht vorsätzlich unnötiges Leid, um andere Menschen davor abzuschrecken, in Österreich Schutz vor Krieg, Vertreibung und Not zu suchen. Dieses menschenfeindliche und zynische Kalkül auf dem Rücken von Schutzbedürftigen hat in Österreich nichts verloren", ergänzte Sprecher Kay-Michael Dankl.

"Asylexpress Österreich stoppen"

Am Dienstag werde die Innenministerin beim Rat der EU-Innenminister Druck auf die anderen Länder ausüben und verdeutlichen, "dass wir den Asylexpress Österreich stoppen müssen". Die Zahl der Anträge habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 183 Prozent erhöht. Österreich sei mit 73 Anträgen pro 100.000 Einwohner aktuell EU-Spitzenreiter. Der Grund dafür sei eben das rasche Bearbeiten von Anträgen.

Während Österreich Anträge von Kriegsflüchtlingen innerhalb von vier Monaten erledige, dauere das in Schweden zehn Monate und in Frankreich zwei Jahre, erläuterte Mikl-Leitner. "Diese Schieflage" will sie mit dem Aussetzen neuer Anträge beseitigen. "Das ist ein Warnsignal an die anderen, endlich Solidarität zu zeigen und einer fairen EU-Quote zuzustimmen." Wie lange diese Weisung aufrecht bleiben wird? "Das läuft so lange, bis sich etwas ändert in der Asylantragszahl oder auf EU-Ebene."

Dass sich dadurch das Problem mit der Unterbringung von Flüchtlingen verschärfen wird, glaubt Mikl-Leitner nicht, denn man bringe ja die Dublin-Fälle rascher aus dem Land und entlaste dadurch die Quartierssituation. Die Unterbringungsprobleme blieben allerdings weiterhin bestehen, weil die Zahl der Neuankömmlinge weiter steige.

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