"Werden uns nicht in positive Zukunft schwindeln können"

Michael Häupl
Bürgermeister Michael Häupl will schon beim Wahlparteitag im Juni die brennenden Fragen in der SPÖ gelöst haben. Erstmals nennt er Kriterien, wer für die SPÖ ein Partner sein kann.

KURIER: Ist nach dem Wechsel im Bundeskanzleramt die Krise der SPÖ schon überwunden?

Häupl: Das ist nur zum Teil eine Personalfrage. Zum viel größeren Teil ist das eine inhaltliche Frage. Der personelle Wechsel wird mit der Wahl des Bundesparteivorsitzenden am 25. Juni vollendet. Die Diskussion ums Parteiprogramm und die aktuellen Fragen – wie halten wir es bei ganz anderen Herausforderungen in der Zukunft wie dem Flüchtlingswesen oder Koalitionsoptionen – sind erst zu klären.

Da gab es zuletzt starke Differenzen. Steht die SPÖ vor einer Zerreißprobe?

Ich glaube, diese Fragen sind ohne größere Brüche klärbar.

Sie sind Interims-Parteivorsitzender. Wird das am 25. Juni jetzt der Parteitag des Aufbruchs oder der Klärung?

Beides. Denn ohne Klärung wird es den Aufbruch nicht geben. So ehrlich muss man sein. Man soll sich nicht in die Tasche lügen. Denn wir werden uns nicht in eine positive Zukunft schwindeln können. Dafür steht auch Christian Kern nicht.

Ihr Ansatz in der Flüchtlingsfrage?

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Humanität und Ordnung die Überschriftsprinzipien sind, wie man eine Flüchtlingspolitik zu machen hat. Es ist aber genauso unbestritten, dass wir das gesamte Flüchtlingsproblem des Nahen und Mittleren Ostens nicht lösen können. Daher ist das, was die Wiener Sozialdemokratie nach langer Diskussion beschlossen hat, ein grundsätzlich sehr vernünftiger Weg.

Das ist der Wiener Ansatz.

Ich gehe davon aus, dass die Gesamtpartei sich diesem Weg anschließen wird.

Jetzt gibt es aber auch die brisante Koalitionsfrage mit der FPÖ. Wie halten Sie es da?

Es gibt nicht die FPÖ-Frage, sondern wie die Bedingungen für eine Koalition ausschauen. Ich denke, dass der Vorschlag meines Freundes Peter Kaiser (Kriterien festlegen, Anm.) ein sehr guter ist. Entlang dessen werden wir die Vorbereitungsdiskussionen bis zum Parteitag führen. Kommen wir an diesem Parteitag zu einem Ergebnis, ist es gut.

Und wenn nicht?

Dann ist beim Programmparteitag im November auch noch Zeit.

Die Klärung der Koalitionsfrage kann sich in der SPÖ bis zum Herbst ziehen?

Das ist nicht meine Priorität. Man sollte dies so rasch als möglich lösen. Das ist ja nicht so schwer.

Wie kommt man zur raschen Lösung?

Indem man Kriterien und Punkte festlegt. Also: Wer sich zur österreichischen Nation bekennt, der ist gut. Wer sich zu Europa bekennt, ist ein möglicher Partner. Wer sich zu einem sozialen Ausgleich, sprich einer ökosozialen Marktwirtschaft bekennt, kann ebenso Koalitionspartner sein. Entlang einer solchen Linie werden wir das lösen.

Vor dem Faymann-Rücktritt haben Sie die Befürchtung geäußert, dass 2017 vorzeitige Nationalratswahlen stattfinden könnten. Hat sich daran zuletzt etwas geändert?

Momentan haben sich SPÖ und ÖVP vorgenommen, es doch anders zu machen. Es wird nicht gerade eine Kuschelpartnerschaft steirischer Prägung sein. Aber beide haben sich vorgenommen, ordentlich zu arbeiten und miteinander umzugehen.

Der neue Bundeskanzler hat zum Antritt aber gesagt, die Koalition hat nicht viel Zeit. Was muss sich im nächsten halben Jahr sichtbar ändern?

Die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklungsfrage ist der zentrale Punkt. Wenn wir weiter öffentliche Investitionen weitgehend reduzieren, dann werden wir da nie rauskommen. Wir müssen daher wieder Investitionsmöglichkeiten im öffentlichen Bereich ermöglichen.

Schulden machen?

Das sagt auch Frau Lagarde (Direktorin des internationalen Währungsfonds), die weit davon entfernt ist, Sozialistin zu sein. Wir werden Schulden machen, um das Wirtschaftswachstum ankurbeln zu können. Wenn wir wieder Geld verdienen, werden wir diese zurückzahlen. So wie Wien das immer gemacht hat.

Der Koalitionspartner muss mitgehen?

Nicht nur der. Da müssen sich in Europa die Sozialdemokraten und Konservativen einig sein.

Zurück zur FPÖ. Steht die vor einem Richtungsstreit? Kommt das Match Strache gegen Hofer?

Personaldebatten werden immer vordergründig vorgeschoben. Die FPÖ steht schon länger vor einem Richtungsstreit. Denn wenn man wie in Wien 30 Prozent erreicht, dann wird man sich entscheiden müssen, macht man weiter eine extrem rechtspopulistische Rabaukenpolitik oder macht man eine Politik, die einem tendenziell in eine Regierung führen kann.

Welcher Weg kann für die FPÖ in eine Regierung führen?

Da wird man zunächst zwei Fragen beantworten müssen. Was ist die Haltung zur österreichischen Nation und die Haltung zu Europa.

Hat die FPÖ in Wien den Plafond erreicht?

Meiner Auffassung nach hat sie ihn bereits überschritten. Ob das so ist, wird sicherlich von unserer Arbeit abhängen.

Sie gelten in der SPÖ als Integrationsfigur. Braucht es Michael Häupl noch länger in der Politik?

Solange ich das Gefühl habe, dass ich noch entsprechende Arbeit für die Partei leisten kann und die Leute mich wollen, so lange werde ich da sein. Wenn ich den Eindruck habe, der eine oder andere Faktor fällt weg, werde ich sagen, dann lassen wir es.

Zeitlimit?

Gibt es nicht. Und ein Ende meiner politischen Tätigkeit ist auch nicht abzusehen.

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