"Ihren Mut zur Glatze bewunderte ich"

Sabine Oberhauser nach der ersten Chemo
Ihr Mentor Rudolf Hundstorfer über den Kampf der verstorbenen Ministerin gegen Krebs.

Es war vor 20 Jahren, als sich Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Sabine Oberhauser über den Weg liefen. Es galt damals, das Mautner-Markhof-Kinderspital in die Kinderabteilung der Rudolfstiftung einzugliedern. "Ich bin im positiven Sinn über Sabine gestolpert, weil sie sich für die betroffenen Ärzte eingesetzt hat. Ihre quirlige Art und das Talent, auf die Menschen zuzugehen, hatte sie damals schon", erinnert sich Hundstorfer.

Ein Jahr später 1998 gibt sie ihren Job als Ärztin auf und engagiert sich hauptberuflich als Personalvertreterin in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten. "Sabine hatte den Mut, sich auf dieses Abenteuer einzulassen." Oberhauser war die erste Ärztin, die diesen Schritt wagte. Seit damals bestand zwischen Oberhauser und Hundstorfer eine Verbundenheit, die bis zu ihrem Tod am Donnerstag anhielt.

KURIER: Herr Hundstorfer, wie groß war Ihr Schock über den Tod von Sabine Oberhauser?

Rudolf Hundstorfer: Meine Frau und ich hätten eigentlich eine Einladung für den Opernball gehabt, hatten diesen aber schon vor drei Wochen abgesagt. Als wir die Todesnachricht am Donnerstag von ihrem Mann Gerold bekamen, waren meine Frau und ich sehr gedämpft. Wir hätten nicht auf den Ball gehen können und waren über unsere Absage erleichtert. Wir wussten zwar, dass Sabines Zustand kritisch war. Wir wussten, dass sie um ihr Leben kämpft. Aber wenn die Nachricht über das Ableben kommt, sitzt der Schock trotzdem tief. Auch weil man sich bei Sabine denkt: Warum musste sie mit 53 schon gehen? Sie wurde erst kürzlich Großmutter. In ihrem Fall war leider die Krankheit stärker. Jetzt fehlt etwas: Ihre Fröhlichkeit und Herzlichkeit.

Sie gelten als der Mentor von Sabine Oberhauser. Sie selbst meinte, ohne Ihre Hilfe wäre sie nicht in den Nationalrat gekommen. Was machte die Politikerin Oberhauser aus?

Es gab nicht viele Frauen im ÖGB mit akademischem Rang. Sabine wurde als erste Akademikerin Frauenvorsitzende. Das war ein Quantensprung. Warum schaffte sie das? Weil ihre offene Art nie gekünstelt war. Sie konnte zuhören, konnte zu jedem eine Gesprächsbasis aufbauen, war aber auch ehrgeizig. Sabine kannte beide Seiten der Medaille. Ihre Mutter war Fabriksarbeiterin, der Vater starb früh. Geld ist ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Ihre Herkunft machte viel von Sabine aus: Sie konnte in der Fabrikshalle ebenso eine Verbindung zu den Menschen aufbauen wie zu Akademikern.

Wie haben Sie Ihren öffentlichen Umgang mit der Krebserkrankung erlebt?

Schon vor der Erkrankung gab es in ihrem Leben eine gewisse Transparenz mit den Wetterberichten und den Hundegeschichten von Felix. Als Sabine beschloss, auch die Krankheit öffentlich zu machen, gab es schon Diskussionen. Ich persönlich habe es sehr kritisch gesehen.

Warum?

Ich hätte es nicht so derart offen gemacht. Es entstanden aber auch viele Diskussionen, weil sie den Posten als Ministerin weitermachen konnte. Deswegen hat Sabine auch bei jeder Gelegenheit betont, dass sie sich den Job besser einteilen kann als Betroffene in anderen Berufen. Andererseits wollte sie Krebspatienten auch Mut machen, dass das Leben weitergehen kann.

Chemotherapie und Ministerjob: Wie viel Kraft hat sie die Doppelbelastung gekostet?

Der Job war ein großer Halt für Sabine. Sie hat sich bemüht, den Ministerposten so gut wie möglich zu erledigen. Durch den täglichen Stehsatz "Ich muss...", brachte sie die nötige Disziplin auf, viele Folgeerscheinungen der Chemotherapie wegzustecken. Die Kehrseite war natürlich, dass sie sich und ihrem Körper nach den Operationen und der Chemo nicht genügend Zeit zur Regeneration gegeben hat.

Sabine Oberhauser war Ärztin. Da sollte man meinen, dass man da mehr auf seinen Körper schaut ...

Sie hat sich für diesen Weg entschieden. Sabine wusste, was das bedeuten kann. Ihr Mann Gerold ist auch Arzt. Sie waren beide Informierte, die alle Positiva und Negativa einer solchen Entscheidung kannten.

Hat Sabine Oberhauser über Rücktritt nachgedacht?

Im November gab es eine Phase, wo Sabine begonnen hat, darüber zu philosophieren. Doch über die Phase des Philosophierens ist der Gedanke nie hinausgekommen.

Dass Sabine Oberhauser so lange im Amt bleiben konnte, verdankt sie ihrem Mann Gerold ...

Was Gerold geleistet hat, ist unbeschreiblich. Er war immer da, hat Sabine nach den Operationen gepflegt. Gerold hat sicherlich vieles erledigt, was wir uns gar nicht vorstellen können. Der Zusammenhalt zwischen den beiden war einmalig und großartig .

Er war es angeblich auch, der die Krebsdiagnose seiner Frau mitteilte ...

Als die ersten Beschwerden auftauchten, untersuchte er Sabine, weil er Radiologe ist, und bemerkte den Krebs. Dann lag es auch an ihm, Sabine die Diagnose mitzuteilen.

Wusste Sabine Oberhauser, dass sie bald sterben wird, oder hat sie diese Gedanken verdrängt?

Ich denke, Zweiteres war der Fall. Sabine hat sich bemüht, den Optimismus bis zum Schluss zu erhalten.

Gibt es eine Situation in den letzten 18 Monaten, die Ihnen unvergesslich bleiben wird?

Sabines Umgang mit der Glatze. Das bewunderte ich. Kurz hatte sie eine Perücke, aber die landete schnell in der Ecke. Für Frauen ist das ein heikles Thema und wahrscheinlich verstecken 90 Prozent dieses sichtbare Zeichen der Krankheit. Das war nichts für Sabine. Da dachte ich mir: "Hut ab vor ihrem Mut!"

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