Mehr Härte schreckt Sexual-Straftäter nicht ab

.
Türkis-Blau will Strafen für Sexualdelikte erneut anheben. Für Experten ein Placebo. Sie bemängeln zudem, dass erstmals die Polizei statt der Justiz beim Strafrecht den Ton vorgibt.

Zwei Wochen tobte der Meinungsstreit über den Nazi-Skandal rund um FPÖ-Politiker Udo Landbauer, nun will die türkis-blaue Regierung wieder in die Offensive gehen. Das Vehikel: Eine Verschärfung des Strafrechts. Mit dieser schon im Wahlkampf angekündigten (und da bereits kritisierten) Maßnahme sollen Sexualdelikte strenger bestraft werden. Denn geht es nach der Regierung, sind die Strafen für Gewaltdelikte im Vergleich zu anderen Vergehen wie Diebstahl zu niedrig. Die ÖVP-Staatssekretärin im FPÖ-geführten Innenressort, Karoline Edtstadler, wird eine „Taskforce“ einberufen, um das Fundament für Verschärfungen zu legen.

Doch darum kreisen viele Fragezeichen: Was genau ist geplant, wer braucht das und warum kümmert sich das Polizei- und nicht das Justizministerium federführend darum? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die jüngste Strafrechtsreform trat erst vor zwei Jahren in Kraft. Welche Strafrahmen wurden 2016 schon erhöht?

Neu hinzugekommen ist die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung: Wer gegen den Willen des Opfers eine sexuelle Handlung setzt, dem drohen – ohne Untergrenze – bis zwei Jahre Haft. Gewalt oder Drohung sind dazu nicht erforderlich. Bei der Vergewaltigung erhöhte sich der Strafrahmen – bis dahin ein bis zehn Jahre Haft – auf fünf bis 15 Jahre, wenn das Opfer eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hat. Schon jetzt können die Richter bei der Ausmessung der Strafen spezielle Erschwerungsgründe heranziehen, wenn die Hilflosigkeit ausgenützt wurde oder eine besondere Schutzbedürftigkeit des Opfers vorlag. Ist das Opfer einer Gewalttat unmündig (unter 14 Jahre), gilt für den Täter je nach Schwere des Delikts eine gestaffelte Mindeststrafe. Diese beginnt mit zwei Monaten, unterschritten werden darf sie nicht. Laut Edtstadler geht dies zwar alles in die richtige Richtung, sei aber zu wenig.

„Kein einziges Sexualdelikt kann dadurch verhindert werden“, sagt der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer. „Was wirkt, ist das Risiko, erwischt zu werden.“ Sabine Matejka, Präsidentin derRichtervereinigung: „Keine Strafe, egal wie hoch, kann das Leid der Opfer lindern.“

Das Urteil für einen irakischen Flüchtling, der in einem Hallenbad einen zehnjährigen Buben missbraucht hatte, löste heftigen Unmut aus. Der Oberste Gerichtshof reduzierte die Strafe von sieben auf vier Jahre Haft, weil das Erstgericht Erschwerungsgründe doppelt gewertet hatte. Die psychischen Folgen für das Opfer hatten die mögliche Höchststrafe bereits von zehn auf 15 Jahre hinaufgeschraubt. Daher durften sie nicht zusätzlich strafverschärfend wirken. Birklbauer sagt aus Erfahrung, dass Richter bei der ersten Verurteilung für Ersttäter in der Regel nur ein Drittel des möglichen Strafrahmens ausschöpfen: das sogenannte „Einstiegsdrittel“. Die Tendenz bei Sexualdelikten geht laut dem Strafrechtler in den vergangenen Jahren nach oben: Weg von bedingten, hin zu unbedingten Haftstrafen. Werden die Strafrahmen hinaufgesetzt, erhöht sich auch das „Einstiegsdrittel“.

Bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger gibt es für Triebtäter im Erziehungswesen ein Tätigkeitsverbot (§220b StGB) von mindestens einem Jahr bis zu fünf Jahren. Dieses Verbot kann auch auf unbestimmte Zeit ausgesprochen werden, muss dann aber mindestens alle fünf Jahre vom Gericht überprüft werden.
Bei häuslicher Gewalt gebe es mittlerweile viele Hilfsmaßnahmen, resümmiert Udo Jesionek, Präsident der Opferschutzorganisation „Weißer Ring". Aber bei situativer Gewalt lassen diese noch zu wünschen übrig, sagt er.

Birklbauer warnt davor, ohne eingehende Evaluierung das Strafmaß für einzelne Deliktgruppen nach oben zu schrauben. Das Problem, das daraus entstehen kann, zeigt sich bereits bei der Tierquälerei: Weil man Tierquäler härter strafen wollte, drohen ihnen mittlerweile bis zu zwei Jahre Haft – die Maximalstrafe bei vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung beträgt hingegen nur ein Jahr.

Mehr Härte schreckt Sexual-Straftäter nicht ab
ABD0093_20180131 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) BM Herbert Kickl (FPÖ), BM Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und BM Josef Moser (ÖVP) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg am Mittwoch, 31. Jänner 2018, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Im Sinne der Gewaltenteilung wäre eigentlich das Justizressort für die Reform zuständig – und geht es nach Justizminister Josef Moser, ist es das grundsätzlich auch so: „Es ist klar, dass die Kompetenz bei uns liegt“, sagt er zum KURIER. Edtstadlers (im Justizressort teils kritisch beäugte) Taskforce sei lediglich „eine Unterstützung“ für die ohnehin laufenden Pläne zu Strafrechtsverschärfungen. Die Einsetzung der Kommission sei eben eine Entscheidung des Kanzlers gewesen – und die wird heftig kritisiert: „Das Justizministerium hat ja eine eigene Strafrechtssektion, die dafür zuständig wäre“, sagt Matejka. Die Erklärung, dass Moser gerade sehr ausgelastet sei, findet sie „befremdlich“.

Bis Jahresbeginn 2019 wird Edtstadler den Bericht der Taskforce vorlegen – noch vor dem heurigen Sommer sollen allerdings erste Maßnahmen in eine Regierungsvorlage münden. Hier geht es allerdings nur um Sexualstrafrecht und Gewalt an Frauen und Kindern. Die von Moser längst angekündigte Evaluierung der Reform aus dem Jahr 2016 soll in den kommenden zwei Jahren passieren und eine große Strafrechtsreform zur Folge haben. Verschärfungen beim Sexualstrafrecht habe man vorweggenommen, „weil sie eben wichtig sind“, heißt es aus Edtstadlers Umfeld.

Kommentare