Medien und Politik: Wo sich die Freundschaft aufhört

Sommergespräche-Moderator Tarek Leitner.
Wie nahe dürfen Journalisten privat Politikern kommen? Für viele Beobachter gilt die Regel: Der Job hat Vorrang – und gemeinsame Familienurlaube gehen gar nicht.

Es war das Finale, gleichermaßen der große Abschluss einer Gesprächsreihe, die durch die vorgezogene Neuwahl politisch jedenfalls an Gewicht gewonnen hatte.

Seit Tagen ist die jahrelange Freundschaft zwischen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und ORF-Moderator Tarek Leitner Thema. Bevor sie einander am Montagabend im Sommergespräch gegenübersaßen, war die Frage vor allem: Wie würden sie miteinander umgehen?

Weil Leitner und Kern bzw. deren Familien mehrfach miteinander im Urlaub waren, zieht die ÖVP in Person ihres Bundeslisten-Fünften Efgani Dönmez die Integrität des ORF-Mannes in Zweifel. "Ich halte es für befremdlich, dass Tarek Leitner im Wahlkampf TV-Duelle moderiert, obwohl er mit Kern gemeinsam auf Urlaub war und schon lange gut mit ihm befreundet ist. In Deutschland wäre so etwas absolut undenkbar. Ein No-Go", sagte Dönmez.

Der ORF und ROMY-Preisträger Leitner sehen die Sache anders, mehr noch: Seit Sonntag prüft man am Küniglberg rechtliche Schritte – immerhin seien die Behauptungen des ÖVP-Mannes nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch kreditschädigend.

Doch abgesehen davon, dass Dönmez bei den Urlaubs-Fakten manches durcheinander gebracht hat (Kern und Leitner bestätigen nur einen gemeinsamen Urlaub, und das als Kern noch ÖBB-Chef war. Danach sind offenbar nur die Familien mit wechselnder Väter-Beteiligung gemeinsam auf Urlaub gewesen) stellen sich ganz grundsätzliche Fragen:

Wie viel Nähe geht zwischen Journalisten und Politikern? Und darf es private Freundschaften oder gemeinsame Urlaube geben?

Kaputte Freundschaft

Einer, der solche Fragen aus eigener, teils schmerzhafter Erfahrung kennt, ist der frühere KURIER-Herausgeber Peter Rabl.

Rabl war Sendungschef und Moderator im ORF und sieht grundsätzlich kein Problem darin, wenn Journalisten mit Spitzen-Politikern befreundet sind. "Ich selbst hatte einige Politiker-Freundschaften, habe daraus nie ein Geheimnis gemacht. Gemeinsame Urlaube hätte es für mich aber nie gegeben."

Aber wo hat er, Rabl, die Grenze gezogen? Wo beginnen für ihn Verhaberung und Befangenheit?

"Bei der Kommentierung. Für mich galt immer: Als Journalist darf man am Ende keine Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen nehmen. Es geht um den Inhalt, um die Sache."

Selbst dann nicht, wenn die Freundschaft unter dem Job leidet? "Manche meiner Politiker-Freundschaften sind an meiner Arbeit bzw. an meinen Kommentaren zerbrochen. Das ist hart, aber der Job geht in dem Fall vor."

Wobei man an dieser Stelle sagen muss: Wie manch anderer Beobachter legt Rabl bei einem aus Steuergeld finanzierten Medien-Unternehmen schärfere Maßstäbe an als bei (kleineren) privaten Medien: "Selbstverständlich sollte der Berufsethos der Journalisten überall gleich sein. Aber der ORF bzw. seine Fernseh-Konfrontationen und -Sendungen haben einen öffentlich-rechtlichen Auftrag und sind aufgrund ihrer Reichweite bei der Wahl extrem wichtig – entsprechend sorgsam muss man mit diesem Vertrauen der Bürger umgehen."

Das sieht auch Meret Baumann ganz ähnlich.

Seit mehr als vier Jahren beobachtet die Schweizerin für die Neue Zürcher Zeitung in Wien die österreichische Innenpolitik. Und auch sie meint, dass "für öffentlich-rechtliche Sender noch strengere Maßstäbe gelten", was "Fragen von Distanz und Unabhängigkeit" angeht. Das "höchste Gut" eines Journalisten sei die "eigene Unabhängigkeit":"Dementsprechend muss er oder sie alles unterlassen, was diese kompromittieren könnte."

Alte Freunde

Also gar keine privaten Kontakte zwischen Journalisten und Politikern?

"Wie jeder Mensch haben Journalisten und Politiker eine Vergangenheit, das bedeutet: Alte Freundschaften können und sollen auch für Journalisten und Politiker möglich sein und bleiben. Allerdings muss man darüber nachdenken, wie man mit diesen Freundschaften beruflich umgeht."

Urlaube in der Familie? Auch für Baumann sind sie tabu. "Ich persönlich halte es für unvereinbar, als Journalistin mit aktiven Politikern oder deren Familien gemeinsame Urlaube zu machen. Ich anerkenne aber: Sind Kinder im Spiel bzw. befreundet, wird die Sache kompliziert. Denn konsequenterweise müsste man auf gemeinsame Urlaube verzichten – zu Lasten der Kinder. Oder man tritt für wichtige Interviews im Wahlkampf in den Ausstand."

Offen bleibt die Frage, warum die Volkspartei die angebliche Befangenheit des ORF-Mannes erst jetzt, und nicht schon im Frühling – also bei Leitners Präsentation – thematisierte.

Immerhin hatte der ORF-Journalist schon damals erklärt, er sei mit dem Kanzler befreundet. Die knappe Auskunft aus der ÖVP-Zentrale: Dazu wolle bzw. könne man derzeit keine Stellungnahme abgeben.

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