Warum Marcus Franz zur ÖVP gewechselt ist

Franz wechselte zur ÖVP
Der ehemalige TS-Funktionär richtet offenen Brief an seine Gegner - und wirft Stronach Unberechenbarkeit vor.

Es war ein Polit-Coup, den die ÖVP im Lauf der vergangenen Wochen landen konnte. Die Volkspartei übernahm in zwei Schritten insgesamt vier Abgeordnete des strauchelnden Team Stronach - unter der Federführung von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka kam der umstrittene Deal zustande. Damit wuchs die ÖVP im Nationalrat auf 51 Mandate an; durch die Neuzugänge zählt sie nur einen Abgeordneten weniger als die SPÖ-Fraktion.

Pikante Wortmeldungen

Einer der Abtrünnigen des Team Stronach ist der Arzt Marcus Franz, der schon des Öfteren durch pikante Wortmeldungen auffiel. So hatte er Homosexualität ebenso wie freiwillige Kinderlosigkeit als "amoralisch" bezeichnet oder vorgeschlagen, der Bevölkerung einen Chip mit medizinischen Daten einzusetzen.

Nun wollte sich Franz offenbar rechtfertigen: Die Gründe für seinen Wechsel, so schreibt er in einem offenen Brief, seien ganz einfach (den ganzen Brief finden Sie unten). Der ÖVP-Parlamentsklub biete ihm die nötige Aktions-Basis. Vorwürfe, er habe sich von finanziellen Motiven leiten lassen, gingen ins Leere, meint er. Schließlich habe er abseits des Parlaments einen Beruf und sei ein spätberufener Politiker. Auch den Vorwürfen, er habe opportunistisch gehandelt, will Franz entgegen treten: "Alle meine Statements und Reden sind von Anfang an stets und eindeutig meiner bürgerlichen Haltung zuzuordnen gewesen: Der nach meinem Klub-Wechsel erhobene Vorwurf des Opportunismus geht ins Leere." Wenn man eine politische Gruppierung wieder verlasse, bedeute das nicht, "dass man seine persönlichen Überzeugungen 'verrät', sondern vielmehr, dass man ihnen weiterhin und bestmöglich Geltung verschaffen möchte".

Kritik an Stronach

Die Möglichkeiten im Team Stronach hätten sich zudem ständig verschlechtert. Und auch mit Parteichef Frank Stronach rechnet Franz nun ab: "Die Unberechenbarkeit des Partei-Gründers, die sinnlosen Personalrochaden und die dadurch zunehmende inhaltliche Lähmung des Teams führten sukzessive weg vom weithin wahrgenommenen Elan der Gründungsphase. Das von den Wählern nicht erwartete Ausscheiden von Frank Stronach aus dem Parlament und seine dauerhafte Weigerung, seinen Wohnsitz definitiv nach Österreich zu verlegen, waren da nur noch der Anfang vom Niedergang."

Stronach selbst hatte sich ja von seinen ehemaligen Abgeordneten enttäuscht gezeigt. Seine Partei prüft derzeit Schadenersatzklagen gegen alle vier - nunmehr schwarzen - Mandatare.

„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“

(Theodor W. Adorno)

Oft wird behauptet, man versuche sich in der Politik ja nur, um leichtes Geld zu verdienen. Irrtum, denn die politische Arbeit ist viel mehr ein beinharter Job als ein leicht verdientes Geld. Bei einem Quereinsteiger (wie dem Autor dieser Zeilen) wird man von vornherein finanzielle Motivation noch viel weniger unterstellen können: Leute, die keine Berufspolitiker sind, wagen den späten Schritt in die Politik aus Überzeugung und Engagement, nicht wegen des Geldes.

Und es ist ein genau damit zusammenhängender, aber gerne übersehener Punkt, dass man als solcher „Spätberufener“ von der Politik nicht weiter abhängig ist, also von dieser Seite auch nicht unter Druck gesetzt werden kann: Die typischen Quereinsteiger haben in der Privatwirtschaft (oder in der Medizin, wie in meinem Fall) ohnehin eine gute Position, ihnen geht’s also nicht ums Pekuniäre.

Grundsätzlich geht es um die persönliche Überzeugung und die eigene Haltung. Zu der steht man auch dann, wenn einem „der Wind ins Gesicht bläst“, zumindest wenn man Charakter hat. Die persönlichen Grundsätze sind ja das, was letztlich den politischen Menschen ausmacht. Ich selber habe als Mandatar aus meinen bürgerlich-konservativ-wirtschaftsliberalen Prinzipien zu keiner Zeit ein Geheimnis gemacht, sondern diese entschieden verfochten, auf allen Ebenen (nicht nur politisch, und auch schon lange vor meiner politischen Tätigkeit): „Read my lips!“ Alle meine Statements und Reden sind von Anfang an stets und eindeutig meiner bürgerlichen Haltung zuzuordnen gewesen: Der nach meinem Klub-Wechsel erhobene Vorwurf des Opportunismus geht ins Leere.

Die Haltung bleibt, aber der Abgeordnete kann wechseln: Wenn man eine politische Gruppierung wieder verlässt, dann bedeutet das keineswegs, dass man seine persönlichen Überzeugungen “verrät”, sondern vielmehr, dass man ihnen weiterhin und bestmöglich Geltung verschaffen möchte. Das ist das oft auftretende große Missverständnis bei Fraktionswechseln, nicht nur in Österreich.

Nun zu den mehr konkreten Umständen des Falles. Man muss sich immer vor Augen halten: Die Möglichkeiten, im Team Stronach etwas zu bewirken, haben sich nach dem anfänglichen Hoch im Sommer 2013 (also vor der NR-Wahl) ständig verschlechtert. Die Unberechenbarkeit des Partei-Gründers, die sinnlosen Personalrochaden und die dadurch zunehmende inhaltliche Lähmung des Teams führten sukzessive weg vom weithin wahrgenommenen Elan der Gründungsphase. Das von den Wählern nicht erwartete Ausscheiden von Frank Stronach aus dem Parlament und seine dauerhafte Weigerung, seinen Wohnsitz definitiv nach Österreich zu verlegen, waren da nur noch der Anfang vom Niedergang. Jeder halbwegs aufmerksame Beobachter konnte das schrittweise Scheitern dieser ursprünglich von großen Hoffnungen begleiteten politischen Bewegung mitbekommen, das muss hier gar nicht mehr näher erläutert werden.

Damit entstand zu schlechter Letzt das Problem, welches Adorno so treffend auf den einfachen Nenner gebracht hat: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“. Es war also nur konsequent, dass ich mich im Rahmen meines Freien Mandats nach einer besseren Aktionsbasis umgesehen habe, von der aus die Umsetzung in der politischen Arbeit möglich ist.

Warum erfolgte aber der Wechsel zur ÖVP und nicht ins Dasein als „wilder Abgeordneter“, wie oft moniert wird? Der Auftritt als „Wilder“ wäre doch glaubwürdiger gewesen, so konnte man es da und dort lesen oder hören. Allerdings: Das Dasein als „wilder Abgeordneter“ erscheint nur auf den ersten Blick attraktiv, die Realität ist eher frustrierend. Die Wilden können nämlich in keinem Ausschuss Mitglied sein, und sie haben naturgemäß keine Klubstruktur. Das heißt, dem wilden Abgeordneten fehlt es an fachlichen Ressourcen, an Zugang zur Sacharbeit und nicht zuletzt an Redezeit. Das „Wilde“ führt im österreichischen Parlament somit rasch zur relativen Sinnlosigkeit.

Damit ist die Begründung für den Klub-Wechsel zu „Schwarz“ ganz einfach: So wie die Dinge liegen, bietet mir und meinen drei Kollegen, die im Team Stronach begonnen haben, der ÖVP-Parlamentsklub die oben erwähnte Aktions-Basis. Das neue Grundsatzprogramm der Volkspartei schafft jenen weltanschaulichen Überbau, in dem ich mich wiederfinde. Anzumerken wäre noch, dass gesellschafts-, finanz- und wirtschaftspolitische Positionen des TS jenen der ÖVP durchaus ähnlich sind: Der ÖVP ist die Wirtschaft wichtig, sie steht für Familien-Werte und sie vertritt das liberale Bürgertum.

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