Zeit der dunklen Schatten über Österreich

Nationalbibliothek Ausstellung März 1938
Die Ausstellung "Anschluss" 1938 in der Nationalbibliothek erinnert an die finstere Zeiten in Österreichs Geschichte.

Heldenplatz am 15. 3. 1938: Ein schwarzer Tag für Österreich. 250.000 Menschen jubelten ihrem neuen „Führer“ zu, der „den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“ verkündete. Eine von der nationalsozialistischen Propaganda durchinszenierte Großveranstaltung traf auf Massenhysterie.

Am selben Tag stellten sich bereits Wiener Juden um Visa an. Am 1. April ging der erste Prominententransport nach Dachau. Und während es auf Flugzetteln in Wien „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ hieß, notierte Hilde Spiel im Londoner Exil in ihren Kalender: „Es ist alles hässlich und unerträglich. Die Eltern sitzen im Feuer. Der Teufel regiert.“

Zeitdokumente

„Nacht über Österreich. Der Anschluss 1938 – Flucht und Vertreibung“ im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) ist eine Dokumentation der historischen Ereignisse – und mehr als das. Denn die Ausstellung erinnert mit Fotos und anderen Zeitdokumenten an eine dunkle Zeit und spannt den Bogen bis zu „Heldenplatz revisited“ mit Ernst Jandl und Thomas Bernhard.

„In der tragischen Nacht vom 11. zum 12. März 1938 sendete Radio Wien Musik, während die Truppen des Dritten Reiches die Grenzen Österreichs überschritten“, schrieb Hans Weigel. „Ein Unbekannter wählte die Platten aus, die in ihrer Abfolge unvergeßlich das historische Geschehen symbolisierten. Zuerst hörte man Mozart und Schubert. Dann kam Bruckner. Dann kamen deutsche Märsche. Dann kam das Horst-Wessel-Lied.“

Fluchtbiografien machen in der Schau die Verluste unter den Intellektuellen aus Kunst und Wissenschaft bewusst und „den ungeheuren kulturellen Rückschlag, den Österreich in dieser Zeit erlitten hat“, so ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger.

Als eine „Geste der Wertschätzung und Verantwortung gegenüber den Vertrieben“ sei die Präsentation in der ÖNB, einem „Ort der Erinnerung im permanenten Kampf gegen das Vergessen“, zu verstehen.

Ausstellungsgalerie

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Flucht ins Ungewisse

An Hand einzigartiger Originaldokumente werden 15 Lebensgeschichten und Wege ins Exil detailliert nachgezeichnet, u.a. von Dichtern wie Elazar Benyoetz und Erich Fried, über Komponisten wie Hans Gal, Erich Wolfgang Korngold und Egon Wellesz bis zur heute wieder in Wien lebenden Malerin Soshana und dem Architekturhistoriker Adolf Placzek.

Erstmals öffentlich gezeigt wird das Fluchttagebuch der Wiener Journalistin und Salonière Berta Zuckerkandl, das am 11. April im Zentrum der Buchpräsentation „Berta Zuckerkandl: Flucht! Von Bourges nach Algier im Sommer 1940“ steht.

Aber nicht allen gelang die Flucht: Als wäre eine Uhr stehen geblieben, zeigt der Abreißkalender aus dem Arbeitszimmer von Egon Friedell das Todesdatum des Schauspielers und Kulturhistorikers, Kabarettisten und Schriftstellers: 16. März.

Zwei SS-Männer hatten an seiner Wohnungstür in der Gentzgasse 7 in Wien Währing geläutet und die Haushälterin nach „dem Juden Friedell“ gefragt. Der sprang aus Angst, „abgeholt“ zu werden, aus dem Fenster in den Tod . „Bitte beiseite treten, ich springe!“, soll er vorher noch gerufen haben.

75 Jahre „Anschluss“

Ausstellung: „Nacht über Österreich. Der Anschluss 1938 – Flucht undVertreibung“ mit rund 200 Exponaten im Prunksaal der Österreichischen Nationalbiblio- thek: Einer Chronologie der damaligen Ereignisse wurden die Biografien von 15 jüdischen Künstlern gegenüber gestellt, die rechtzeitig ins Exil flüchten konnten, u. a. der Autoren Albert Drach und Erich Fried.

Wann & Wo: Bis 28. April; 1, Josefsplatz 1, Di.–So. 10–18 Uhr, Do. 10–21 Uhr, Ausstellungskatalog (Residenz Verlag) 19,90 Euro

www.onb.ac.at

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