Lob und Kritik für Kerns Auftritt in der "Box-Arena"

Bundeskanzler Christian Kern bei der Rede zur Zukunft Österreichs
Wie Kommunikationsexperten und Meinungsforscher die Inszenierung der Grundsatzrede von Kanzler Christian Kern beurteilen.

Mittwoch, Punkt 17:30 Uhr: Kanzler Christian Kern (SPÖ) erklimmt die drei Stufen – die erste rot, die zweite weiß, die dritte wieder rot – zum Podium, das mitten in der Halle 21 am Gelände der Welser Messe platziert worden ist. Eine in dunklem Rot gehaltene Saalbeleuchtung, vereinzelt rot-weiß-rote Fahnen. Schon beim Weg in die Halle wird auf Plakatwänden die Frage gestellt: "Worauf warten wir noch? Zeit, die Dinge neu zu ordnen."

Lob und Kritik für Kerns Auftritt in der "Box-Arena"
ABD0100_20170111 - WELS - ÖSTERREICH: Ein Besucher in Foyer anl. der Rede zur Zukunft Österreichs "Worauf warten? Zeit, die Dinge neu zu ordnen", am Mittwoch, 11. Jänner 2017, in der Messehalle Wels.. - FOTO: APA/BARBARA GINDL
Zeit wird wirklich keine verloren. Um 18 Uhr – Kern wird da noch fast eineinhalb Stunden zu den 1500 geladenen Gästen im Saal und den Zusehern vor TV und Livestream sprechen – wird mit dem 146 Seiten starken "Plan A" des Kanzlers "Programm für Wohlstand, Sicherheit und gute Laune" veröffentlicht. Eine als Programmschrift getarnte Hochglanz-Imagebroschüre, wie sie das Land noch nicht gesehen hat: Das Layout state of the art, umfassend illustriert mit Bildern von Land und Leuten, Grafiken und im Schnitt auf jeder dritten Seite einem Foto von Christian Kern. Selten wurde in Österreich Politik so professionell vermittelt.

Faktencheck: Kerns "Plan A" auf dem Prüfstand

Lob und Kritik

Die Inszenierung weckt Erinnerungen an US-Wahlkämpfe und lässt die deutsche Welt titeln: "Warum Österreichs Kanzler auf einmal klingt wie Donald Trump". Timing und Setting der Grundsatzrede seien "geradezu perfekt" gewesen, sagt Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschungsintituts OGM. Das Bühnenbild eine "Mischung aus freundlicher Boxarena und Kirche", das dunkelrot gehaltene Setting ansprechend. "Was mir etwas gefehlt hat, war die Emotion."

Für Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell von der Uni Wien war Kerns Auftritt "sehr professionell inszeniert". Jede Inszenierung brauche "Inhalt und Stimmigkeit, sonst fällt sie durch". "Der Auftritt Kerns hat auf beiden Ebenen den Willen vermittelt, vom Verwalter des Status quo wieder zu einem politischen Gestalter werden zu wollen", erklärt Hausjell im Gespräch mit kurier.at. Dass Kern auf ein Rednerpult verzichtet hat, sieht er durchwegs positiv: "Damit symbolisiert Kern Nähe, Transparenz und Angreifbarkeit - letzteres durchaus im doppelten Wortsinn."

Lob und Kritik für Kerns Auftritt in der "Box-Arena"
  
"Positiv war, dass die Inszenierung nicht überkandidelt war und damit die Inhalte überdeckt hat", erklärt Kampagnenberater Yussi Pick. Die SPÖ habe sich viel von US-Kampagnen abgeschaut. "Aber nicht im Detail", sagt Pick, der im Vorjahr unter anderem alsstrategischer Berater in Hillary Clintons Wahlkampfteamtätig war. Einiges war seiner Meinung nach "nicht ganz zu Ende gedacht": "Wenn man Geschichten von konkreten Personen erzählt, wäre es gut, diese Menschen ins Publikum zu setzen und zu ihnen zu gehen", erklärt er. Und: "Zwei Stunden sind für ein solches Format definitiv zu lang."

Wie geht es weiter?

Für Yussi Pick stellt sich am Tag nach der Grundsatzrede auch die Frage nach der Nachhaltigkeit. Es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, ob man in der SPÖ eine Strategie über den 11. Jänner hinaus habe. So könne man Sympathisanten, die der "Plan A" anspricht, stärker einbinden und auch kleine Fehler in der Inszenierung ausbessern. Die in der Rede angesprochenen Personen ließen sich etwa auch noch im Nachhinein greifbarer machen, etwa durch Videobeiträge auf der Website.

Dass sich Auftritte wie der gestrige in der heimischen Politik wiederholen, hält Politikberater Pick durchaus für möglich. Die Parteien müssten allerdings sehr genau schauen, dass der Stil zum jeweiligen Kandidaten passe. Kommunikationswissenschafter Hausjell geht noch einen Schritt weiter: "Die Frage wird immer sein: Wie stimmig ist die Inszenierung mit dem politischen Handeln?"

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