Leitl: Finanzminister soll in ÖVP-Hand bleiben

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl
Der scheidende Großkoalitionär hat kein Problem mit schwarz-blauen Verhandlungen. Wann er den WKÖ-Chefsessel an Harald Mahrer übergibt, lässt er weiterhin offen.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl will das Finanzressort auch künftig in ÖVP-Hand sehen. Den Finanzminister der FPÖ zu überlassen, würde er "nicht begrüßen", betonte Leitl auf eine entsprechende Frage in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag. Mit den schwarz-blauen Verhandlungen hat Großkoalitionär Leitl kein Problem: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache "hat sich geändert", glaubt er.

Er sei immer der Meinung gewesen, dass nur die Große Koalition große Probleme bewältigen könne, sei aber in vielen Punkten enttäuscht worden, erklärte der scheidende ÖVP-Wirtschaftsbund-Obmann. Immer wieder habe er Stillstand beklagt. "Österreich muss wieder aufgeigen, um wieder in die Spitzen Europas zurückzufinden und das ist jetzt der Fall" - deshalb haber er "volles Vertrauen" in ÖVP-Chef Sebastian Kurz und seine Verhandlungen mit der FPÖ.

Strache habe sich "weiterentwickelt"

Vor ein paar Jahren hatte Leitl den Freiheitlichen und Strache noch vorgeworfen, Populismus und Hetzreden zu verbreiten und sie für ihre Haltung zu Europa heftig kritisiert. Strache sei im Wahlkampf nun anders aufgetreten, er habe "überlegt gesprochen" und "nicht polarisiert", rechtfertigte sich Leitl. "Jeder Mensch kann sich weiterentwickeln - warum nicht auch Herr Strache?". Viele Freiheitliche verhielten sich "sehr vernünftig" in Europa-Fragen, meinte Leitl. Kurz habe immer eine proeuropäische Regierung angekündigt, und er erwarte sich, dass die Koalitionsverhandlungen "diesen proeuropäischen Kurs festlegen und definieren".

Ansprüche auf bestimmte Ressorts wollte Leitl für die ÖVP nicht stellen, es gebe keine "Erbpacht". Entscheidend sei ein "neuer wirtschaftspolitischer Kurs". Den Posten des Finanzministers soll die ÖVP seiner Meinung nach aber behalten und nicht der FPÖ überlassen: "Ich würde es nicht begrüßen, weil der Finanzminister für Querschnittmaterien und damit eigentlich für die Gesamtentwicklung eine außerordentliche Zuständigkeit hat." Dies sei aber freilich Sache der Koalitionsverhandler, fügte Leitl an.

Bei den derzeitigen Regierungsverhandlungen soll die FPÖ auf zwei der drei Schlüsselministerien Äußeres, Inneres und Finanzen bestehen.

Kein Problem mit Mitgliederbefragung

Dass die Koalitionsverhandlungen an der Kammern-Pflichtmitgliedschaft scheitern, glaubt er nicht. Als Wirtschaftskammerpräsident hätte er auch kein Problem, die WKÖ-Mitglieder zu befragen, bekräftigte er. Um die Rolle der Sozialpartnerschaft fürchtet Leitl nicht: "Jede Regierung - egal wie sie zusammengesetzt ist - ist gut beraten, wenn sie die Sozialpartner miteinbezieht." Einmal mehr forderte er mit Blick auf Gewerkschafter in den roten Parlamentsreihen eine Trennung von "Interessensvertretung und politischer Funktion".

Explizit begrüßt wurde vom Wirtschaftskammer-Präsident, dass FPÖ-Chef Strache nun wieder das Rauchverbot in der Gastronomie thematisiert. Es brauche hier eine "pragmatische Lösung" - das Thema solle ausdiskutiert werden, damit wieder eine "Zuverlässigkeit der Politik" bestehe, forderte Leitl.

Budgetär wünscht sich Leitl, dass man "endlich weg von der Schuldenpolitik" komme. Entsprechend lobte er auch die viel kritisierten Budgetpläne der schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich, die am morgigen Montag konkret vorgestellt werden. Jedes Ressort soll dort zehn Prozent bei den Ermessensausgaben einsparen, was für Leitl auch für den Bund vorstellbar wäre - "nicht von heute auf morgen", aber über eine Legislaturperiode.

"Keine Eile" bei Übergabe an Mahrer

Weiter offen ließ Leitl, wann genau er auch das Amt des Wirtschaftskammerpräsidenten an Noch-ÖVP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer übergibt. Mahrer solle schon Ideen einbringen, aber die Erfahrung des Älteren bleibe noch eine Zeit lang, "bis die Schienen befahrbar sind", sagte Leitl in der ORF-"Pressestunde".

Die Übergabe in der Kammer stehe "mittelfristig" bevor, während jene im Wirtschaftsbund "kurzfristig" erfolge. "Wir haben keine Eile", betonte Leitl, der sich sehr auf seinen kommenden Vorsitz in der Europäischen Wirtschaftskammer ab Jänner freut und in dieser Funktion auch einiges bewegen will.

Leitl: Finanzminister soll in ÖVP-Hand bleiben
Wirtschaftsminister Harald Mahrer und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl
"Man nimmt die Besten, wenn man etwas sucht", sagte er über die Auswahl Mahrers. "Das Anforderungsprofil spricht so für Mahrer, dass niemand auf die Idee kommen musste, ihn vorzuschlagen", hieß es auf die Frage, ob ÖVP-Chef Sebastian Kurz Mahrer vorgeschlagen habe. "Kurz hat sich nie eingemischt, das ist nicht seine Aufgabe."

Schultz angefragt

Gefragt, ob sie den WKÖ-Chefposten gerne übernehmen würde, hat Leitl in seiner Sondierungsphase unter anderen auch die Tiroler Seilbahnunternehmerin Martha Schultz. "Sondieren heißt nicht präjudizieren", sagte Leitl auf die Frage, ob Mahrer damit nur zweite Wahl gewesen sei. Schultz habe wegen Projekten ihres eigenen Unternehmens abgesagt.

Leitl outete sich einmal mehr als kein Freund der gegenseitigen EU-Russland-Sanktionen. Diese gehörten schrittweise zurückgenommen, nicht zuletzt um Europas "Sandwichposition" zwischen den USA und China aufzubrechen und damit wieder ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werde. Leitl schwebt ein Freihandelsabkommen der EU mit der Ukraine und Russland vor, um eine Freihandelszone "von Lissabon bis Wladiwostok" aufzubauen.

Keinen Fall von Belästigung festgestellt

Zur derzeit breit geführten Debatte rund um sexuelle Belästigung sagte Leitl, dass ihm in seiner bisher 17 Jahre dauernden Zeit als WKÖ-Präsident nie eine Belästigung unter Ausnutzen einer Machtposition untergekommen sei. "Hätte ich so etwas beobachtet, wäre ich massiv eingeschritten", so Leitl. Der Rücktritt von Peter Pilz sei "folgerichtig", wenn es Zeugen für einen Vorfall von sexueller Belästigung gebe, auch wenn sich Pilz selbst nicht mehr daran erinnern könne. Geschehe sexuelle Belästigung aus einer Machtausübung heraus, dann dürfe es dafür null Toleranz geben. Sonst solle aber nicht "übertrieben kleinlich sein", etwa wenn einmal ein "halb-zweideutiger Witz" laufe.

Die Männerdominanz in der Kammer sei in seiner Amtszeit zurückgegangen. Am Anfang - im Jahr 2000 - seien 8 Prozent der Delegierten Frauen gewesen, nunmehr seien 30 Prozent der Delegierten im Wirtschaftsparlament weiblich. Zum Vergleich: Rund ein Drittel der Austro-Unternehmen werden von Frauen geführt.

Auf Fehler in seiner Amtszeit - dem Wirtschaftsbund steht Leitl schon 18 Jahre vor - angesprochen, sagte Leitl: "Wer in 18 Jahren keinen Fehler macht, der möchte sich zu jenen Heiligen begeben, die wir vor ein paar Tagen (Allerheiligen/Allerseelen, Anm.) gefeiert haben."

Leitl positiv gegenüber Schwarz-Blau

Kommentare