Lehrlinge sollen 1260 Stunden in Berufsschule

Christian Kern und Sonja Hammeschmid besuchten die Berufsschule für Haar- und Körperpflege in Wien
Die Regierung will das Image der Lehre stärken - mit einem Bündel an Maßnahmen

Die Berufsschule in der Goldschlagstraße in Wien-Penzing scheint ein attraktiver Ort für die hohe Politik zu sein. Nach einem Besuch von Familienministerin Sophie Karmasin vor einigen Tagen, schauten sich gestern Bundeskanzler Christian Kern und Bildungsministerin Sonja Hammerschmid an, wie die Lehrlinge das Frisieren üben. Und sie machten gleichzeitig Werbung für ihre Vorschläge in Sachen Lehre.

Dass es um deren Image nicht zum besten steht, weiß Kern. Dabei hat man mit einem Lehrabschluss mittlerweile oft bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz als mit einem Unidiplom. Um die Qualität der Ausbildung zu verbessern, soll die Mindeststundenzahl für eine dreijährige Ausbildung auf 1260 erhöht werden – 8,5 Millionen Euro macht die Regierung hierfür frei, verspricht der Kanzler.

Zwischen 800 und 1600 Stunden

Wie viel Zeit Lehrlinge momentan in der Berufsschule verbringen, ist derzeit je nach Sparte unterschiedlich: Im Tourismus sind es 1.080 Stunden, im Handel 1.080 bis 1.260, bei Friseuren, Floristen, Bäckern etc. 1.200 und bei KFZ-Technikern 1.440 Stunden. Künftig sollen alle Lehrlinge mindestens 1.260 Stunden Berufsschulbildung erhalten, sieht ein Dienstagabend in Begutachtung geschicktes Gesetz vor.

Sowohl Jugendliche mit Lehrvertrag als auch diejenigen, die keinen regulären Lehrplatz gefunden haben und eine überbetriebliche Lehrausbildung machen, müssen neben der praktischen Ausbildung eine Berufsschule besuchen. Ab Herbst soll nun in jeder Sparte eine Mindestanzahl von 1.260 Stunden gelten. Für manche Branchen bedeutet das eine deutliche Anhebung der Ausbildungsstunden: Angehende Lebzelter und Wachszieher oder Obst- und Gemüsekonservierer etwa mussten die Berufsschule bisher nur 800 Stunden, Rauwarenzurichter 840 Stunden lang besuchen. In anderen Sparten ist hingegen schon jetzt deutlich mehr Theorie Usus, etwa in der Binnenschifffahrt (1.500 Stunden) oder bei der Ausbildung zum Konstrukteur oder in Gießereitechnik (1.620 Stunden).

110.000 Lehrlinge betroffen

Betroffen von der Neuerung sind 110.000 Lehrlinge an den 149 Berufsschulen, insgesamt wurden dafür 200 Lehrpläne überarbeitet bzw. neu erstellt. Laut Bildungsministerium wird die Neuregelung nach Umstellung aller Jahrgänge auf das neue System 8,5 Mio. Euro zusätzlich pro Jahr kosten, die Bund und Länder zu gleichen Teilen übernehmen.
„Mit mehr Stunden in der Berufsschule werten wir die Lehre auf und verbessern die Qualität“, betonte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) beim Besuch einer Berufsschule am Dienstagnachmittag anlässlich der geplanten Gesetzesänderung. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) sah durch die Reform sichergestellt, dass die Lehrlinge „nicht nur handwerklich top ausgebildet werden, sondern auch genug Zeit haben, ohne Stress den Stoff in der Schule lernen zu können“.

Aufwerten

Die Ausweitung der Mindeststundenzahl an den Berufsschulen ist nach Einführung des Modells Lehre mit Matura und der Ausbildungspflicht bis 18 ein weiterer Versuch, die Lehre aufzuwerten. Derzeit beginnen laut Bildungsministerium 40 Prozent der Jugendlichen nach der Pflichtschule (Neue Mittelschule, AHS-Unterstufe) eine Lehre. Allerdings ist in allen Bundesländern abseits von Wien die Zahl der Lehrlinge seit Jahren rückläufig, in den vergangenen zehn Jahren gab es einen Rückgang um zehn Prozent.

Kern kündigte noch weitere Maßnahmen an, die das Image der Lehre verbessern sollen: So soll die öffentliche eine Fremdsprachenausbildung für Lehrlinge im Ausland finanziert werden, und Stipendien für erwachsene Lehrlinge eingeführt werden – für Studenten gibt es diese Form der Unterstützung bereits. Auch der Zugang zu Fachhochschulen soll erleichtert werden. Kern ist sich bewusst, das einige dieser Maßnahmen vor allem symbolischen Wert haben. "Aber genau diese Symbole sind wichtig", sagte er den angehenden Frisörinnen und Kosmetikern.

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