Van der Bellen: Mitterlehner bleibt Vize, bis Nachfolge geklärt ist

Alexander Van der Bellen öffnete für Sebastian Kurz die Tapetentür.
Der Bundespräsident empfing am Montag zuerst Kanzler Kern, zu Mittag den neuen ÖVP-Chef Kurz. Dieser wünscht sich einen "ruhigen und fairen Wahlkampf". Van der Bellen hat Mitterlehner ersucht, seine Ämter weiter auszuüben, bis die Nachfolge geregelt ist. Dreierrunde am Abend.

Nach dem Besuch von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern (siehe unten) bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing dieser zu Mittag einen weiteren Gast in den Räumlichkeiten der Wiener Hofburg: den designierten ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz.

Van der Bellen: Mitterlehner bleibt Vize, bis Nachfolge geklärt ist
Austria's President Alexander Van der Bellen (L) receives Foreign Minister and designated new leader of the People's Party (OeVP) Sebastian Kurz in his office at Hofburg palace in Vienna, Austria, May 15, 2017. REUTERS/Leonhard Foeger
Mit einem "Grüß Gott! Bitte um Entschuldigung" eilte Kurz, der einige Minuten verspätet eintraf, dem Bundespräsidenten entgegen. Die beiden verschwanden umgehend hinter der Tapetentür - für ein rund 45-minütiges Gespräch.

Kurz will baldige Einigung auf Neuwahltermin

Es sei notwendig, sich zuerst einmal auf einen Neuwahltermin zu einigen, betonte Kurz anschließend in einem sehr knapp gehaltenen Statement vor versammelter Presse. Es gebe einen Zeitraum bis zum Sommer, die ausverhandelten Punkte aus dem Regierungsprogramm noch umzusetzen - um dann "einen ruhigen und fairen Wahlkampf“ zu führen. Er habe "den Eindruck, dass Bundespräsident Van der Bellen sich auch diesen Weg wünscht".

Deshalb wünsche er sich von Kern, "dass wir uns gemeinsam auf einen Termin einigen und es einen Neuwahlantrag gibt". Denn bis dato habe er "vom Bundeskanzler noch keine Bereitschaft gehört, dass es Neuwahlen geben soll".

Bundespräsident Van der Bellen empfängt Sebastian Kurz (ÖVP)

Frage nach Vizekanzler vorerst unbeantwort

Der Frage, ob er nun den Posten des Vizekanzlers von Mitterlehner übernehme, wich Kurz aus. Er respektiere den Wunsch des Kanzlers, es sei aber seine Entscheidung, wie das ÖVP-seitige Regierungsteam aussähe. "Wenn der Bundeskanzler eine Minderheitsregierung starten möchte, dann stellt sich die Frage nach dem Vizekanzler nicht."

Auf weitere Journalisten-Fragen ging Kurz nicht ein und verschwand mit einem "Ciao" aus der Hofburg.

Van der Bellen: "Habe Mitterlehner gebeten"

Wenige Minuten später trat Van der Bellen vor die Presse. Er stehe in kontinuierlichem Austausch mit den Akteuren - auch mit den Spitzen der Opposition - und habe sich dabei "für eine klare, zügige und transparente Vorgangsweise" der Bundesregierung ausgesprochen. "Über der Parteitaktik muss immer das Gesamtinteresse Österreichs stehen."

Zwei Punkte hätten nun Priorität: Einerseits müssten sich die Parteien möglichst rasch klar auf einen Wahltermin einigen. "Mein Eindruck ist, dass die Vorstellungen der einzelnen Parteien über einen konkreten Wahltermin nicht allzuweit auseinander liegen", sagte Van der Bellen. Andererseits soll die Neu-Zusammensetzung der Regierung bald geklärt werden.

Statement Van der Bellen nach Treffen Kern/Kurz

Noch offen ist, wer künftig das Amt des Vizekanzlers (und Wirtschaftsministers) nach dem Mitterlehner-Rückzug ausüben wird. Er habe daher Reinhold Mitterlehner ersucht, erst dann seine Geschäfte zu übergeben, wenn seine Nachfolge geklärt ist. "Dafür danke ich ihm", so Van der Bellen.

Kern: "Es gibt keine Ferien"

Vor Kurz war bereits Kern zu einer Unterredung mit Van der Bellen in der Hofburg. Er wolle mit ÖVP und Opposition einen geordneten Übergang zu Neuwahlen gestalten. Er habe Kurz auch am Vormittag telefonisch gratuliert. Gleichzeitig machte Kern neuerlich klar, dass er bereits vereinbarte Regierungsprojekte auch umsetzen will. Dafür solle man Sommer durcharbeiten: "Es gibt keine Ferien."

Den designierten ÖVP-Chef forderte der Kanzler auf, selbst Verantwortung zu übernehmen und das Vizekanzler-Amt zu übernehmen, "sonst wird es nicht funktionieren".

Dreierrunde am Abend

Ob es bereits am Montag zu einer Einigung zwischen SPÖ und ÖVP auf die Vorgangsweise in Sachen Neuwahlantrag kommt, ist noch offen. Van der Bellen, Kern und Kurz werden sich Montagabend zu einem Dreiergespräch treffen.

Laut Präsidentschaftskanzlei sind von den Oppositionsparteien FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am heutigen Montag um 17 Uhr und danach Grünen-Chefin Eva Glawischnig um 17.30 Uhr geladen. Voraussichtlich am Dienstag sollen NEOS-Obmann Matthias Strolz und Team Stronach-Klubchef Robert Lugar in die Hofburg kommen.

Die Oppositionsparteien sprachen sich unterdessen für ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Neuwahlantrag aus. Auf Einladung der FPÖ war für den Nachmittag ein Treffen der Oppositions-Chefs im Parlament angesetzt. Dabei soll es vor allem darum gehen, auf eine Aufrechterhaltung der parlamentarischen Arbeit bis Ende Juni zu drängen, um die Arbeit des Eurofighter-Untersuchungsausschusses bis zur Sommerpause zu ermöglichen.

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Wie Heinz-Christian Strache - der sich am Montag bereits wahlkampf-fit präsentierte und eine neue Plakat-Kampagne vorstellte - glaubt auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig daran, dass sich die Parteien auf einen Aufschub des Neuwahlantrags im Parlament bis Ende Juni einigen können. Dadurch wären zumindest erste Zeugenbefragungen im Eurofighter-Untersuchungsausschuss möglich, sagte sie. Und auch sie will in der Zwischenzeit im Parlament noch wichtige Projekte auf den Weg bringen - etwa die Bildungsreform oder die Ökostromnovelle.

Gespräche mit allen Parlamentsparteien forderte NEOS-Chef Matthias Strolz ein. Neben Sympathie für einen Fristsetzungsantrag äußerte er auch die Bereitschaft, bis zur Wahl für die Umsetzung einiger Punkte des Regierungsprogramms zur Verfügung zu stehen. Wichtig sei aber vor allem, dass der Eurofighter-Untersuchungsausschuss noch "einige Wochen arbeiten kann". Kritik übte Strolz daran, dass Kurz bei NEOS-Mandataren, wie etwa Sepp Schellhorn, bezüglich einer künftigen Zusammenarbeit vorgefühlt haben soll. Schellhorn selbst bestätigte am Montag das Angebot von Kurz - nämlich als Wirtschaftsminister zu den Schwarzen zu wechseln - und machte klar, dass er dieses dezitiert ablehnt.

Klar für Neuwahlen sprach sich das Team Stronach aus. "Ja, wir werden kandidieren", sagte Klubobmann Robert Lugar.

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