Kritik mit System: Warum sich die FPÖ auf Milborn einschießt

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Es war eines der härtesten Interviews, dem sich Norbert Hofer bisher stellen musste. Puls 4-Infochefin Corinna Milborn wird deshalb von FPÖ-Seite scharf kritisiert - kein Einzelfall.

Irgendwann musste sie Norbert Hofer dann einfach unterbrechen. "Ich möchte etwas festhalten für den Rest des Interviews, weil sonst drehen wir uns hier im Kreis: Das ist ein Interview mit Ihnen (...). Das heißt, es wäre schön, wenn Sie nicht bei jeder Frage antworten, ich sei nicht objektiv", sagte Corinna Milborn zum freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten. Das werde sie jedenfalls nicht davon abhalten, kritische Fragen an ihn zu stellen, so wie sie das kommende Woche auch bei Alexander Van der Bellen machen werde.

60 Minuten dauerte das gestrige Interview mit Norbert Hofer auf Puls 4. 60 Minuten, in denen vom Rechten-Kongress der "Verteidiger Europas" bis hin zu Hofers Haltung zu Abtreibungen eine Vielzahl kritischer Themen angesprochen wurden. Für viele Kommentatoren auf Twitter war es eines der härtesten Interviews, dem sich Norbert Hofer bislang stellen musste.

Infochefin Corinna Milborn stellte dabei nicht nur mit Nachdruck ihre Fragen, sondern machte auch immer wieder Hofers Rhetorik-Tricks sichtbar. "Wenn Sie objektiv wären, dann würden sie jetzt auch darüber berichten, dass die junge KPÖ in Graz derzeit ein linksextremes Treffen abhält", hatte Norbert Hofer zuvor auf die Frage nach dem rechten Kongress der "Verteidiger Europas", auf dem Ende Oktober auch FP-Generalsekretär Herbert Kickl sprach, geantwortet - eine erprobte Diskussionsmethode der FPÖ. Unliebsame Fragen werden mit dem Verweis auf die vermeintlich mangelnde Objektivität, Vorbereitung oder Sachkenntnis des Interviewers abgewehrt.

Die beiden ORF-Moderatorinnen Lou-Lorenz-Dittlbacher und Ingrid Thurnher können ein trauriges Lied davon singen. Ersterer wurde zuletzt von FPÖ-Seite vorgeworfen, sie setze einen "bösen Blick wie eine Klapperschlange auf, wenn sie Herrn Strache interviewt". Eine vergleichsweise harmlose Kritik. Der Schlagabtausch zwischen Ingrid Thurnher und Norbert Hofer in der letzten TV-Diskussion vor der ersten Stichwahl im Mai zog einen massiven Shitstorm nach sich. Thurnher hatte Hofer mit Rechercheergebnissen des ORF, die sich jedoch als lückenhaft erwiesen, konfrontiert.

"Hetzkampagne"

Und nun also Corinna Milborn. "War schon immer sehr blond. Echt", twitterte FPÖ-Nationalratsabgeordneter Gerhard Deimek - einer der wenigen Ausfaller. Milborn hatte auf Twitter schon vor dem TV-Interview verlautbart, sämtliche Drohungen zur Anzeige bringen zu wollen. "Das hat offenbar gewirkt", sagt sie zum KURIER. "Dieses Mal gab es keine Drohung, sexistische Bemerkungen natürlich schon. Aber drei Viertel der Rückmeldungen waren positiv." Außerdem müsse man sehr genau unterscheiden, "ob es echte Kritik, oder gesteuerte Gruppen sind." Als gesteuerte Attacken identifizierte Milborn über 25 neue Twitter-Accounts ohne Profilbild und ohne Follower, die am Montag plötzlich auftauchten.

Doch auch der FP-Parteichef höchstpersönlich echauffierte sich über Milborn. Auf Facebook meinte Heinz-Christian Strache, "Frau Milborn hätte gleich mit einem Button - Ich unterstütze VDB - auftreten müssen, so tendenziös war ihre Interviewführung!" - wusste das jedoch offenbar auch schon vorher. "Die gestern auf PULS4 eingeleitete Hetzkampagne gegen Norbert Hofer geht sicher heute weiter", heißt es in einem Posting von Montagnachmittag. Und weiter: "Frau Milborn hat heute alle negativen Erwartungen bezüglich 'Faschismuskeule' und 'Systemmedienmanipulation' übertroffen. :) Durchsichtiger geht es ja gar nicht mehr!"

Demokratische Aufgabe

Die Kritik hat Methode - und sie ist nicht neu. "Ich darf daran erinnern, dass sich auch Kurt Waldheim über die einseitige Interviewführung beschwert hat", sagt Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell. Damals gab es dazu eine klare Entscheidung der Aufsichtsbehörde. "Bei Live-Interviews fragt der Interviewer stellvertretend für das Publikum." Die Zuspitzung von Fragen, sogar suggestive Elemente würden dabei in der Natur dieser Interviewtechnik liegen, sagt Hausjell. Und überhaupt: "Wie soll denn bitte eine objektive Frage ausschauen?"

Die Kritik der FPÖ sage vielmehr etwas über ihr grundsätzliches Medienverständnis aus, sagt der Kommunikationswissenschaftler. "Diese Partei will Medien nicht zugestehen, das zu machen, was ihre Aufgabe ist, nämlich Politik kritisch zu hinterfragen." Gerade das sei im demokratischen Zusammenspiel zwischen Medien und Politik jedoch essentiell.

Doch die FPÖ wolle lieber selbst das Verhältnis zur Öffentlichkeit bestimmen. "Am besten funktioniert das natürlich auf Facebook", sagt Hausjell. "Da gibt es keine lästigen Nachfragen."

Hier können Sie das TV-Interview nachsehen

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