Kompromiss bei Vorsitz für U-Ausschuss
SPÖ und ÖVP haben der Opposition einen gemeinsamen Vorschlag übermittelt, wer künftig den Vorsitz in Untersuchungsausschüssen führen soll. Der Kompromiss sieht vor, dass die Nationalratspräsidenten den Vorsitz übernehmen und ihnen ein emeritierter Richter zur Seite gestellt werden soll. Die SPÖ war in den Reformverhandlungen bisher dafür eingetreten, dass die Präsidentin des Nationalrats den Vorsitz übernehmen soll (mit dem Zweiten und der Dritten Präsidenten als Stellvertreter), die ÖVP wollte einen Richter. Der Kompromiss sieht nun beides vor, wie der ÖVP-Abgeordnete August Wöginger der APA am Montag bestätigte: Die Nationalratspräsidentin als Vorsitzende soll für Geschäftsordnungsbelange wie die Tagesordnung zuständig sein, während ein emeritierter Richter als Leiter des Beweiserhebungsverfahrens eingesetzt werden soll. Das heißt, dieser würde auch Auskunftspersonen befragen.
"Mischmasch"
Die theoretisch Betroffene, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist allerdings skeptisch: Sie finde es nicht gut, wenn ein Richter die Befragungen durchführt, denn dann stelle sich die Frage nach der Rolle der Abgeordneten, meinte Prammer am Montag. Sie würde den Vorsitz dagegen in die Hände eines Abgeordneten legen, bei dem dann die Verpflichtungen der Nationalratspräsidenten angewandt würden. Der "Mischmasch" zwischen Vorsitz, Richter und Verfahrensanwalt müsse jedenfalls noch aufgelöst werden, findet Prammer.
"Die Abgeordneten werden da nicht ausgebootet", versuchte Wöginger zu beruhigen. Der Richter würde eine Art Erstbefragung durchführen, dann wären die Mandatare an der Reihe, erklärte er. In nächster Zeit stehen laut Prammer bei den Verhandlungen jedenfalls die Immunität der Abgeordneten und Rechte der Auskunftspersonen am Programm. Man werde darüber reden, ob es in gewissen Bereichen, etwa bei Verleumdung, nicht eine Schwächung der Immunität geben solle - das werde noch eine "heiße Debatte", glaubt die Nationalratspräsidentin. In Deutschland sei es so, dass Abgeordnete auch am Rednerpult nicht hundertprozentig immun seien - das wäre für Prammer ein gangbarer Weg.
Die Verhandlungsgruppe erwartet Ende Mai jedenfalls hohen Besuch, wie Prammer ankündigte. Da das deutsche Modell der Untersuchungsausschüsse nämlich oft als Vorbild für eine österreichische Reform genannt wird, aber ebenso oft unterschiedlich interpretiert wird, wird der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei einem Wien-Besuch mit den heimischen Abgeordneten darüber diskutieren. Prammer hofft, dass damit auch Missinterpretationen ausgeräumt werden könnten.
Opposition distanziert
Auch die Opposition steht dem Vorschlag sehr skeptisch gegenüber. Damit würde das Parlament Kompetenzen aus der Hand geben, was dem Parlamentarismus "nicht dienlich" wäre, meinte etwa der FPÖ-Verhandler Gernot Darmann am Montag im APA-Gespräch. Darmann ortet einen "erzwungenen Kompromiss", damit "beide nicht das Gesicht verlieren". Die FPÖ will die Nationalratspräsidenten als Vorsitzende bei gleichzeitiger Stärkung der Rechte der Auskunftspersonen.
Weil SPÖ und ÖVP Nachfragen zu ihrem Kompromiss nicht beantworten hätten können, ist der Grüne Abgeordnete Dieter Brosz davon überzeugt, dass der Vorschlag unausgereift sei. Der Teufel stecke im Detail, ist auch er skeptisch: An einer Beiziehung eines Richters werde die Reform nicht scheitern, aber dass die Präsidentin dann pro forma im U-Ausschuss sitzt, "wird mit Sicherheit nicht gehen", betonte Brosz.
"Große Bedenken" hat Robert Lugar vom Team Stronach. Von den drei Nationalratspräsidenten seien zwei aus den Regierungsparteien und auch bei der Bestellung des Richters stelle sich die Frage der Unabhängigkeit. Wenn der Richter Befragungen durchführe, sei außerdem die Rolle der Abgeordneten fraglich, meinte Lugar. Der Vorsitz sollte aus dem Parlament und idealerweise auch von der Opposition besetzt sein, findet er.
Die NEOS, die auch einen Vorsitzenden aus dem Parlament wollen, sind wegen der vorgeschlagenen Rolle eines Richters ebenfalls skeptisch: In den Verhandlungen gehe es um das Ziel, den U-Ausschüssen den "Tribunalcharakter" zu nehmen, sagte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Wenn man nun die Präsidentin, einen Richter und den Verfahrensanwalt hat, stelle sich die Frage, ob man dann am Schluss nicht genau dieses Tribunal hätte, gibt Scherak zu bedenken.
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