Chefverhandler berieten über Krankenkassen-Fusion

Sebastian Kurz vor der Verhandlungsrunde der Steuerungsgruppe
Bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger soll es zu einem Durchbruch gekommen sein. Die Pläne wurden bereits heute zwischen den Chefverhandlern diskutiert. Der ÖGB warnt vor einer Zerschlagung der Sozialversicherung.

Die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ sollen einen Konsens über eine drastische Reduktion der Sozialversicherungsanstalten erzielt haben. Eine Bestätigung dafür gab es auf beiden Seiten nicht. Allerdings wurde auf Ebene der Chefverhandler bereits heute über das neue Modell beraten, wie der KURIER aus Verhandlerkreisen erfuhr. Wie erwartet, wurde heute auch ausführlich über das Thema Bildung gesprochen.

Gebietskrankenkassen zusammengelegt

Die kolportierten Eingriffe bei den Sozialversicherungen: Statt der neun Gebietskrankenkassen soll es nur noch eine für alle Unselbstständigen geben, wie der Standard berichtete. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und jene der Bauern würden in einer Selbstständigenkasse aufgehen.

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) würde es nach diesem Modell nicht mehr geben, die beiden großen Kassen Für Selbstständige und Unselbstständige sollen ihre Aufgaben übernehmen. Die Zahl von derzeit 21 Sozialversicherungsträgern würde damit annähernd halbiert.

Für die Beamten soll laut Standard die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) bestehen bleiben, es sollen aber die 16 Krankenfürsorgeanstalten der Länder und Gemeinden hinzukommen.

Chefverhandler berieten über Krankenkassen-Fusion
Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach bei der Pressekonferenz nur von der Notwendigkeit, Sozialversicherungsträger zusammenzulegen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz blieb ebenso unverbindlich: Es seien einige Modelle in den Untergruppen besprochen worden, es sei aber keines dabei, bei dem nur noch zehn SV-Träger übrig bleiben.

Verwaltungsratsmodell wie bei AMS

Mehr Einfluss will sich die möglicherweise künftige Regierung bei der Beschickung der Sozialversicherungsgremien sichern. Vorgeschlagen wird ein Verwaltungsratsmodell nach dem Vorbild des Arbeitsmarktservice (AMS), wie der KURIER erfuhr.

Das würde die Selbstverwaltung der Kassen deutlich einschränken. Im Verwaltungsrat des AMS sitzen neben Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auch Regierungsvertreter.

Bonus statt Malus

Bis jetzt sollen diese Überlegungen nur in der betreffenden Untergruppe akkordiert sein, noch nicht auf Ebene der Chefverhandler. Die Steuerungsgruppe verhandelt heute zum ersten Mal zum Thema Kassenfusionen. Zuletzt wurde berichtet, dass das Thema erst am Donnerstag auf den Tisch komme.

Diskutiert wird auch noch über das Problem überfüllter Spitalsambulanzen. Hier überlegt man einen "Bonus" für jene, die zum niedergelassenen Arzt gehen, um nicht Erinnerungen an die Ambulanzgebühren zu wecken, die unter der Regierung Schüssel I für große Aufregung sorgten.

Sobotka als Schlichter

Besonders im Sozialbereich soll es auf Ebene der Fachgruppen zuletzt Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖVP und FPÖ gegeben haben, vor allem die FPÖ würde noch wesentlich weitreichender ins bestehende System eingreifen. Aufgrund dessen sei auf ÖVP-Seite Innenminister Wolfgang Sobotka als eine Art Schlichter zu den Gesprächen hinzugezogen worden, war aus Verhandlerkreisen zu hören.

Vor allem die Länder befürchten bei den vorgeschlagenen Systemänderungen einen Verlust an Einfluss. Aus diesem Grund komme bei diesem Thema Sobotka zum Einsatz. Ihm wird ein guter Draht zu den Ländern und im besonderen Maß nach Niederösterreich nachgesagt.

Auch das Thema Mindestsicherung ist Teil des Clusters "Fairness & Neue Gerechtigkeit".

Kurz drängt auf Bildungspflicht

Die Chefverhandler setzen sich heute im Parlamentspavillon auch mit dem Thema Bildung auseinander, dabei gebe es noch einige Fragen zu klären, so Kurz. Er sei aber guter Dinge, dass man sich finden werde. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz pocht auf die Einführung einer Bildungspflicht, denn es gehe nicht darum, dass Kinder neun Jahre in der Schule absitzen. Das erklärte er beim Eintreffen zur heutigen Sitzung der Steuerungsgruppe.

Koalition - Kurz drängt auf Bildungspflicht

Ziel sei es, dass man sich auf die Grundkompetenzen lesen, rechnen und schreiben fokussiere, erklärte der ÖVP-Chef weiter. Absolventen könnten dies zu oft nicht, sah er ein "Riesenproblem" am Arbeitsmarkt. Daher sollte man sich schon in der Volksschule auf diese Grundkompetenzen konzentrieren, forderte Kurz und will eine Bildungspflicht diskutieren. Sollten die Kinder in den Grundkompetenzen ein Mindestmaß nicht erreichen, verlängere sich die Schulpflicht bis 18 Jahre, schlug er vor.

Nur mehr Ziffernnoten

Kolportiert wird ferner, dass künftig in der Volksschule wieder obligatorisch Ziffernnoten vergeben werden sollen. Ferner soll die siebenstufige Benotungsskala bei den Neuen Mittelschulen fallen. Zudem dürfte man Vorbereitungsklassen für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, etablieren.

Kurz hat weiterhin das Ziel, die Gespräche vor Weihnachten abzuschließen, dies sei "machbar". Qualität gehe aber voran, so der Parteiobmann. Den 12. Dezember, der hierfür ebenfalls kolportiert wird, nannte Kurz "sehr ambitioniert". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte auf die Frage nach dem Abschlusstermin lediglich, er sei "kein Hellseher".

Tägliche Koalitionsverhandlungen

Der ÖGB hat am Dienstag vor den kolportierten schwarz-blauen Plänen zur Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern gewarnt. In einer Aussendung war von einer Zerschlagung und dem Aushebeln der Selbstverwaltung und damit der Sozialpartnerschaft die Rede.

Dies laufe ausschließlich auf stärkere parteipolitische Einflussnahme hinaus und sei sicher nicht im Sinne der Versicherten, hieß es nach dem ÖGB-Vorstand. "Das bisschen, das jetzt auf dem Tisch liegt, kann man bestenfalls als unausgegoren bezeichnen", so ÖGB-Chef Erich Foglar.

Die Abschaffung der Unfallversicherungsanstalt AUVA oder die Reduzierung der Zahl der Sozialversicherungsträger habe weder großes Einsparungspotenzial, noch werde dies zur Leistungsharmonisierung beitragen. "Es liegt der Verdacht nahe, dass die künftige Regierung den Einfluss der Arbeitnehmer zurückdrängen will, um bei Leistungen für die Versicherten zu sparen und die Wünsche der Industrie nach Gewinnmaximierung zu erfüllen", gab Foglar zu bedenken.

Der ÖGB bekenne sich zum Prinzip der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger, wurde betont. Diese versichertennahe Form der Verwaltung könne rascher, billiger und unbürokratischer reagieren. "Vor allem bringt dieses bewährte System den Versicherten die bestmöglichen Leistungen", so der ÖGB-Präsident.

Ärztekammer gegen Kassen-Zusammenlegung

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres wendet sich gegen die kolportierten Pläne der schwarz-blauen Koalitionsverhandler zur Zusammenlegung von Krankenkassen. In einer Aussendung sprach er sich auch künftig für starke regionale Entscheidungskompetenzen auf Bundesländerebene aus, da die besten Entscheidungen für die Menschen nur vor Ort erfolgen könnten.

Szekeres kritisierte, dass über Einsparungen oder strukturellen Änderungen im Gesundheitswesen geredet werde, nicht aber über einen drohenden Ärzte- und Versorgungsmangel und auch nicht über Vorsorge. Er forderte, sich über bessere Leistungen Gedanken zu machen. "Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft immer älter wird und chronische Erkrankungen kontinuierlich steigen, ist die Steigerung der Gesundheitsausgaben absehbar." Daher ist es für den Ärztekammer-Präsidenten unzulässig, die Gesundheitsausgaben an die Wirtschaftsleistungen (BIP) zu koppeln.

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