Koalitionsstreit: SPÖ spielt den Ball zurück

Koalitionsstreit: SPÖ spielt den Ball zurück
Die SPÖ will sich "Reformunwilligkeit" nicht vorwerfen lassen und kontert. Bures spricht von "Erpressungsversuchen".

ÖVP-Chef Michael Spindelegger hat am Mittwoch bei Bundespräsident Heinz Fischer die "Reformresistenz" der SPÖ beklagt. Der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Koalitionsverhandler Hans Niessl spielt den Ball zurück und wirft der ÖVP "Verzögerungstaktik" vor. Reformunwilligkeit will er sich vom Gegenüber schon gar nicht vorwerfen lassen. "Ich bin der Meinung, dass wir bis Weihnachten eine stabile Regierung in Österreich brauchen", machte auch Niessl Druck in Richtung Einigung. Die Toleranz der Bevölkerung neige sich dem Ende zu. In Richtung ÖVP meint der SPÖ-Verhandler, man dürfe nun nicht taktieren, sondern müsse Nägel mit Köpfen machen, etwa in Richtung Verwaltungs- und Bildungsreform.

Den Knackpunkt sieht Niessl in der von der SPÖ geforderten Reichenbesteuerung. Menschen, "die keinen volkswirtschaftlichen Beitrag leisten, etwa jene, die Geld im Ausland oder in Stiftungen geparkt haben, gehörten zur Kasse gebeten. Konkret sprach Niessl Agrarstiftungen an. Auch Erbschaften über 1 Mio. Euro will die SPÖ weiterhin besteuern und dem Pflegebereich zweckwidmen. "Es geht um faire Verteilung", so Niessl.

Verfassungsverbot der Sterbehilfe

Die Staatsreform-Gruppe, in der Niessl ÖVP-Verhandler Andreas Khol gegenübersitzt, ist die Arbeit bereits abgeschlossen: "Wir sind uns in vielen Bereichen einig." Worin konkret wollen beide Seiten allerdings gemeinsam kommunizieren. Zu einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Sterbehilfe meinte Niessl nur, dass es bei dem Thema keine Auffassungsunterschiede gebe. Die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe sei ohnehin "selbstverständlich".

Bures: "Erpressungsversuche"

Infrastrukturministerin Doris Bures hat den Eindruck, die ÖVP versuche durch ihre derzeitige Haltung in den Koalitionsverhandlungen, die SPÖ zu erpressen: "Hören wir auf mit diesen Spielchen und Erpressungsversuchen. Das macht keinen Sinn." Dies würden auch die Menschen ablehnen, so Bures im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch.

Bures zeigte sich über die ÖVP verwundert: "Ich weiß nicht, worauf das hinauslaufen soll?", und appellierte an den Verhandlungspartner, "Farbe zu bekennen" und zu sagen, ob man eine "stabile Regierung" wolle oder eben nicht. Eine "Liebesehe" zwischen den beiden Parteien ist aus ihrer Sicht gar nicht notwendig für eine gute Zusammenarbeit, "gewisses Vertrauen" hingegen schon, so Bures: "Jetzt ist die Zeit da, Entscheidungen zu treffen." Eine solche fordert sie ein, schließlich habe das auch etwas mit Verantwortungsbewusstsein zu tun.

Sie trafen einander Dienstagfrüh bei der Ministerratssitzung. Danach saßen sie sich im Plenarsaal Auge in Auge gegenüber – Kanzler Werner Faymann auf der Regierungsbank, Michael Spindelegger als Interims-Klubobmann der ÖVP in der ersten Abgeordnetenreihe. Nach der Sondersitzung saßen sie wieder zusammen – diesmal als Verhandler für die neue Koalition. Trotz der ständigen Tuchfühlung stocken die Koalitionsverhandlungen.

Michael Spindelegger schildert dem KURIER, warum: „Weil wir uns in den großen Fragen nicht einig sind. Da können hundert Details in Untergruppen abgearbeitet sein – wenn man die großen Herausforderungen nicht miteinander meistert, kann man keine Koalition bilden.“

Was will die ÖVP unbedingt im Koalitionspakt stehen haben? Spindelegger: „Wir haben im Zuge des Sparpakets 2012 alles aus den Ressorts rausgequetscht, was ging. Das reicht aber nicht für das Nulldefizit. Daher müssen wir jetzt in die Strukturen gehen. Mit dem Klein-Klein kommen wir nicht ans Ziel.“

Für Spindelegger ist ein „klares Übereinkommen“ für die Budgets 2014 und 2015 nötig, „denn das sind die entscheidenden Budgets für das Erreichen des Nulldefizits 2016“. Die Einsparungen im Pensionsbereich werden erst nach 2016 wirksam, was bedeutet, dass die Regierung für das Nulldefizit in anderen Bereichen das Geld auftreiben muss.

Spindelegger will analog zur Gesundheitsreform den Zuwachs bei den Verwaltungskosten eindämmen. „Es soll eine Kostenbremse bei den Verwaltungsausgaben eingeführt werden.“ In einer Abmachung zwischen Bund und Ländern soll der jährliche Zuwachs bei den Verwaltungskosten geringer steigen als wenn man nichts tut.

Weiters muss mit den Ländern jene Förderpyramide finalisiert werden, die sich die Regierung beim Sparpaket 2012 bereits vorgenommen hat. Spindelegger: „Wir müssen die Förderpyramide mit den Ländern und Gemeinden fertig verhandeln.“ Man könne bei den 17 Milliarden Förderungen nicht einfach mit dem Rasenmäher drüberfahren, wie manche Experten vorschlagen. „In dieser Summe sind auch alle Familienförderungen enthalten. Es wird wohl niemand wollen, dass wir hier undifferenziert hineinschneiden.“ Das Sparpotenzial bei den Förderungen müsse durch bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gehoben werden, wozu man eben die Förderpyramide und die Transparenzdatenbank brauche.

Um das Wirtschaftswachstum zu stärken, solle es Investitionsanreize durch vorzeitige Abschreibungen geben und eine Mittelstandsfinanzierung aus privatem Kapital.

Zur Finanzierung von Offensivmaßnahmen will Spindelegger Anteile an Staatsbetrieben (z. b. Verbund) privatisieren und mit dem Erlös die Forschung fördern.

Sparen in der Verwaltung, bei den Förderungen, durch die Anhebung des faktischen Pensionsalters – diese Schlagwörter der ÖVP unterscheiden sich in nichts von denen Faymanns. Worum wird da überhaupt gestritten? Spindelegger: „Um die Größenordnungen. Die SPÖ glaubt, es wird schon alles irgendwie gehen. Ich bin intensiv dran, die SPÖ zu überzeugen, dass wir die großen Fragen meistern müssen.“

Die Chemie zwischen Kanzler und Vizekanzler war zwar schon einmal besser; in einem Punkt sind sich beide aber einig: Bei Verwaltung, Förderungen und Pensionen hoffen beide auf Sparideen ihrer Verhandler.

Die Gruppe Staatsreform etwa hat bereits am Samstag die Idee präsentiert, alle Lehrer künftig bei den Ländern anzusiedeln. „Das würde 1400 Dienstposten einsparen“, heißt es zum KURIER. Das Sparpotenzial für den Bund wird auf rund 70 Millionen Euro jährlich beziffert.

Zahlen soll diese 40.000 Lehrer weiter der Bund. Dafür soll eine „Kopf-Quote“ definiert werden – also ein Subventionsbetrag pro Schüler. Im Gegenzug sollen die Vorgabe von Bildungszielen, die Qualitätskontrolle, Fortbildung und Dienstrecht beim Bund landen. Allerdings: SP-Chef Faymann steht dem Wunsch skeptisch gegenüber.

Ein anderer Sparvorschlag betrifft das Thema Förderungen. Beim ersten Vorschlag für ein Agrarbudget 2014 bis 2018 fehlt laut Fachmagazin DLZ Agrar rund eine Milliarde. Möglich macht die Einsparung der Verzicht auf EU-Förderungen für ländliche Entwicklung. Das spart 567 Millionen Euro Co-Förderung des Bundes.

Teilpension kommt

Auch die Hebung des faktischen Pensionsantrittsalters soll das Budget entlasten. Geeinigt haben sich die Verhandler etwa auf eine neue Teilpension: Der schrittweise Pensionsantritt könnte schon ab 2014 kommen. Bisher dürfen Frühpensionisten maximal bis zur Geringfügigkeitsgrenze (386,80 Euro) dazuverdienen.

Beim umstrittenen Bonus-Malus-System hat man sich indes auf einen Kompromiss geeinigt: Der von der Wirtschaft bekämpfte Malus für Unternehmer kommt, wenn sie Mitarbeiter vorzeitig kündigen. Er soll aber die 2012 eingeführte Auflösungsabgabe bei Kündigungen (derzeit 113 Euro) ersetzen.

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