Vranitzky: "Regierung soll überzeugende Politik machen"

Franz Vranitzky.
Alt-Kanzler Vranitzky hält die Frage, ob mit Haider oder Strache, für eine Wahl zwischen "Pest und Cholera".

KURIER: Herr Vranitzky, die SPÖ öffnet sich zur FPÖ, die ÖVP grenzt sich von der FPÖ ab. Was halten Sie von den vertauschten Rollen?

Franz Vranitzky: Die Regierungsparteien nutzen zur Zeit negative Chancen, in die Enge zu laufen. Sie reden über eine sogenannte Öffnung zu anderen Koalitionen und sagen gleichzeitig, sie wollen keine vorzeitigen Nationalratswahlen. Wenn es in absehbarer Zeit keine Wahl gibt, stellt sich die Koalitionsfrage nicht, und die Koalitions-Debatte ist unnütz.

Christian Kern und Reinhold Mitterlehner sagen, sie wollen mit dieser Diskussion Wähler zurück holen.

In einer Nicht-Wahlzeit zu behaupten, man müsse sich zur FPÖ öffnen, oder auch von ihr abgrenzen, wird die Wähler nicht von den Socken reißen.

Hinter der SPÖ-Öffnung zur FPÖ steckt die These, dass die sogenannte Ausgrenzung, die Sie praktizierten, die FPÖ interessant machte.

Dieses Gerede von der Ausgrenzung – ich habe vor dreißig Jahren keine Regierung mit der Haider-FPÖ gebildet, weil sich Haider vom NS-Gedankengut nicht ausreichend distanziert hat. Ich habe mich den Opfern des NS-Regimes verpflichtet gefühlt – abgesehen davon, dass ich eine Koalition mit jemandem, der sich vom NS-Gedankengut nicht distanziert, selbst auch nicht gewollt hätte. Als Schüssel im Jahr 2000 handstreichartig Schwarz-Blau bildete und der SPÖ die Sessel vor die Tür stellte, hat man auch nicht gesagt, Schüssel grenzt die SPÖ aus.

FPÖ-Chef Strache hat die FPÖ-Abgeordnete Winter wegen Antisemitismus aus Partei und Klub ausgeschlossen. Ist Strache nicht besser als Haider?

Strache unterscheidet sich von Haider, indem er die Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs nicht als vorbildlich gelobt hat, und indem er in Waffen-SS-Brüdern keine besonderen Patrioten erblickt. Strache verabsäumt es jedoch, sich von den Rechtsdemagogen zu distanzieren, die das europäische Integrationswerk zerstören wollen. Das ist wie Pest oder Cholera.

Das heißt, Sie sind gegen eine Öffnung der SPÖ zu einer Koalition mit der FPÖ?

Ich werde jetzt keine Aussage dazu machen, denn dann würde ich dasselbe tun, was ich den Regierungsparteien vorwerfe.

Wie soll die Regierung dann Wähler zurück gewinnen?

Man kann die Wähler nur gewinnen, wenn man klare und überschaubare Politik macht, in der sich der Staatsbürger wieder findet. In Koalitionsspekulationen finden er sich nicht wieder. Die Regierung soll überzeugende Politik für Österreich machen, dann werden jene, die ohnehin keine Lösungen anzubieten haben, übrig bleiben.

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