Rot-Schwarz nimmt langsam Formen an

ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger im Kreis seiner Getreuen. Kritikern gehen Reformen nicht weit genug.
Im Parteivorstand kann Spindelegger Fortschritte verkünden. Doch der Druck für weitere Reformen bleibt enorm.

Die Volkspartei drängt weiter auf Bewegung in der SPÖ, es gehe in den Koalitionsverhandlungen „viel zu wenig weiter“, sagte am Donnerstag etwa der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner. Entscheidend sei, dass die SPÖ nun „echte Reformbereitschaft“ zeige. Auch Staatssekretär Reinhold Lopatka bekräftigte: „Wir haben in manchen Bereichen schon viele Runden gedreht. Da müssen wir herauskommen. Wir müssen zurück auf die Strecke. Ich will nicht ständig im Kreis fahren.“

Denn: Parteichef Michael Spindelegger will „echte“ Reformen gemäß seiner Wahlkampflinie im Koalitionspakt festgeschrieben wissen und über den Stand der Verhandlungsdinge seine Kollegen im ÖVP-Parteivorstand am Freitag informieren.

Indizien

Am Donnerstag traf sich Spindelegger mit Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl. Eine weitere Runde der Finanzverhandler tagte ebenfalls am Donnerstag in Linz. Und am Montag kommen alle Landeshauptleute nach Wien zu einem Treffen mit der gesamten Bundesregierung. Für Beobachter klare Indizien, dass die Große Koalition schon demnächst stehen könnte.

Die Latte liegt durchaus hoch: „Die Unruhe bei Funktionären und in der Bevölkerung ist groß. Der neue Stil des Regierens darf keine leere Worthülse bleiben und dafür muss es Reformen geben, es muss etwas geschehen“, sagt VP-Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer.

Dabei sind die Fortschritte zumindest bei den Budgetverhandlungen durchaus herzeigbar (siehe unten), dafür blieb bei anderen Reformprojekten – von der Bildung bis zu den Pensionen – oft nur der kleinste gemeinsame Nenner übrig, sagen Kritiker.

Wenig verwunderlich ist, dass Spindelegger daher am Donnerstag noch einmal seine Bedingungen für eine Neuauflage von Rot-Schwarz formulierte. Über seinen Sprecher ließ er dem KURIER ausrichten: „Für uns ist von zentraler Bedeutung, dass die Budgets für die nächsten Jahre so festgelegt werden, dass Österreich weiter in der Top-Liga mitspielen kann.“

Dazu müssten schon jetzt Pensions-Maßnahmen festgelegt werden, die getroffen werden, wenn sich beim vereinbarten Monitoring zeige, dass das Antrittsalter nicht ausreichend steige. Darüber hinaus müssten auch Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung abgebaut werden (z. B. mittels Landesbildungsdirektionen); teure Infrastrukturprojekte aufgeschoben und alle Bundesbeteiligungen in einer „ÖIAG neu“ gebündelt werden – also auch Verbund, ÖBB und Asfinag. Die Idee dahinter: Aus den erhofften Privatisierungserlösen könnte über eine Zukunftsstiftung mehr in die Forschung finanziert werden. Der ÖVP schwebt vor: „Wir wollen das Familiensilber noch einmal versilbern.“

Wie weit die SPÖ, die die Verhandlungen offenbar lieber gestern als heute abschließen möchte, bei diesen Punkten noch Bewegung zeigt, werde sich in den nächsten vier, fünf Tagen zeigen, glaubt ein ÖVPler.

Diskussionen

Beim Bundesparteivorstand wird Spindelegger im Kreis der Getreuen einen Zwischenbericht über all diese Fragen abgeben und die Schmerzgrenzen definieren.

Auch die Chefs der acht Arbeitsgruppen werden berichten, wie weit sie mit ihren roten Verhandlungs-Gegenübern gekommen sind. Lange Diskussionen sind programmiert. Erst recht, wenn Vertreter der ÖVP-Westachse aufzeigen, die eine „echte“ Bildungsreform weiter für zentral hielten. Von dort heißt es: „Die Suppe ist sehr dünn. Der Ausbau der Ganztagesbetreuung stammt von einer Vereinbarung aus dem Frühjahr. Das Dienstrecht hängt in der Luft.“

Während ÖVP-Chef Michael Spindelegger vom Bundespräsidenten zum Wiener Bürgermeister tourt, um sich über die „reformresistente“ SPÖ zu beschweren, schließen sich die rot-schwarzen Reihen zunehmend.

So ist beispielsweise die Atmosphäre bei den Finanzverhandlern amikaler, als die ÖVP-Spitze nach außen kommuniziert. Am Donnerstag zum Beispiel verzichtete SPÖ-Verhandler Andreas Schieder darauf, an der Sitzung der Finanzgruppe in Linz teilzunehmen. Schieder stellte sich anstelle von Maria Fekter einer Dringlichen Anfrage im Bundesrat, damit Fekter zu „ihrem“ Landeshauptmann Josef Pühringer fahren konnte. Schieder erschien seine Teilnahme am Donnerstag in Linz insofern nicht so wichtig, als die Finanzgruppe bereits am Mittwoch sehr weit gekommen ist. Schieder: „Wir sind auf einem sehr guten Weg, und mit ein paar zusätzlichen Stunden an Sitzung könnten wir fertig sein.“

Wie der KURIER berichtete, schrumpft das Budgetloch zusehends. Demnach hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Finanzlücke bei den Pensionen durch eine Neuberechnung um vier Milliarden verkleinert. ÖVP-Verhandler geben dem SPÖ-Minister recht: Die Annahme im Pensions-Gutachten, wonach das Pro-Kopf-Einkommen vier Jahre schrumpfen werde, sei tatsächlich unrealistisch. Hundstorfer und die ÖVP-Verhandler von der Wirtschaftsseite haben sich auf zwei Milliarden Einsparungen bei den Pensionen geeinigt. Das bedeutet für das 13-Milliarden-Budgetloch des Bundes, dass es bereits auf sieben geschrumpft ist: vier Milliarden weggerechnet, zwei Milliarden bei den Pensionen eingespart.

Von den restlichen sieben Milliarden habe man am Mittwoch einen Großteil geschafft, verlautet aus Verhandlerkreisen. Das Volumen wird demnach mit einer Fülle von Maßnahmen erreicht, hauptsächlich Sparen, aber auch kleinere Mehreinnahmen wie die Anhebung der Tabaksteuer.

Bauern drohen

Gestritten wird noch im Agrarbereich. Die ÖVP-Bauern drohen, die Koalition platzen zu lassen, wenn Förderungen gekürzt werden.

Geeinigt haben sich hingegen die Sozialpartner-Schwergewichte Hundstorfer und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl auf ein Wachstumspaket. Darin sind Forderungen der Wirtschaft ebenso enthalten wie Anliegen der SPÖ. So soll dem Vernehmen nach die Unternehmensfinanzierung verbessert werden, indem man die Summe durch staatliche Garantien „hebelt“. Die SPÖ wiederum hat eine Breitband- und Wohnbau-Offensive durchgebracht.

Eine budgetäre Bedeckung für die Wachstumsmaßnahmen wurde dem Vernehmen nach nicht verhandelt. Man geht davon aus, dass die Steuereinnahmen besser sein werden als prognostiziert. Außerdem sollen sich die Maßnahmen, wenn sie den Zweck von mehr Wachstum erfüllen, über erhöhtes Steuer- und Abgabenaufkommen zumindest teilweise selbst finanzieren.

Während die SPÖ mit den bisherigen Verhandlungsresultaten zufrieden scheint, ist es die ÖVP-Führung nicht. Ihr fehlen Reform-Meilensteine.

Kommentare