Know-how made in Austria, ein Exportschlager

Know-how made in Austria, ein Exportschlager
Österreich gilt weltweit bei vielen politischen Problem-Lösungen als vorbildlich – dieses Wissen ist weltweit gefragt.

Es war Mitte November, als drei Spitzenpolitiker über einem Herd in Wien Rezepte austauschten. Doch der irische Premier Enda Kenny war nicht in die Wiener Lehrwerkstätte gekommen, um mit Kanzler Faymann und Sozialminister Hundstorfer über Essen zu plaudern. Er suchte Rezepte gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Irland.

Kenny streute Rosen: Österreich sei „ein absolutes Vorzeigeland“ beim Thema Ausbildungsgarantie von Jugendlichen. Er werde eine Delegation zum Erfahrungsaustausch schicken – schließlich kämpft Irland mit knapp 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Österreich hingegen hat – hinter Deutschland – die zweitniedrigste Quote in der EU: Da holt man sich gerne Tipps vom Vorzugsschüler.

Während in Österreich Politiker und Beamte mehr verhöhnt als gelobt werden, gilt das Land international als gut verwaltet. Das Know-how wird weltweit geschätzt – von Albanien über Griechenland bis Vietnam. Ein Überblick über die Päckchen voller Wissen, die Österreich in der Welt verteilt:

Lehrlingsausbildung

Nicht nur Irland, sondern auch die EU-Kommission zeigte 2012 großes Interesse an Österreichs dualem Ausbildungssystem. EU-Sozialkommissar Laszlo Andor plädierte Anfang Dezember für eine europaweite Ausbildungsgarantie für die Jugend – und nannte als Vorbild Österreich. Kein Jugendlicher dürfe länger als vier Monate ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz sein. Finnland gefällt das Modell: Schon im Jänner wird es eingeführt.

Neben Bildungs- und Sozialministerium freut sich auch das Wirtschaftsministerium: „Unsere Lehrlingsausbildung hat das Potenzial, sich zu einem Exportschlager zu entwickeln“, meint Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Zuletzt hätten ihn gar Minister aus Argentinien und Chile um Rat gebeten.

Steuerwesen

Zahlreiche Reformen stehen aktuell in Griechenland an – und Österreichs Finanzministerium hat seine Hilfe angeboten. Bei der Steuervorschreibung will man ebenso behilflich sein wie bei Steuerprüfungen oder Zahlungsabwicklung. Eine Mitarbeiterin des Finanzministeriums kümmert sich seit 1. Juli in Athen um die Themen Anti-Korruption und Steuerverwaltung, ein weiterer Mitarbeiter half bis Dezember in Athen bei der Verwaltungsreform.

Gleichzeitig leistet man auch am Balkan wertvolle Unterstützung: In Bosnien-Herzegowina hilft das BMF etwa beim Aufbau einer Zollverwaltung, in Bulgarien beim Schuldenmanagement. Finanzministerin Maria Fekter: „2012 befanden sich 73 Mitarbeiter des Finanzministeriums im Auslandseinsatz und halfen im Annäherungsprozess an die EU oder bei internationalen Organisationen.“

Berufsbildung

Die Schweiz und Österreich gelten in der Tourismusbranche nicht nur als Top-Wintersportdestination, sondern auch als Vorzeigenationen bei der Tourismusausbildung.

Das hat sich mittlerweile bis Asien herumgesprochen: Ende November sandten 18 asiatische Länder Vertreter nach Wien. „Unsere berufsbildenden Schulen haben im asiatischen Raum einen hervorragenden Ruf“, meint Bildungsministerin Claudia Schmied. Dem Bildungsministerium in Malaysien diene man nun als Ratgeber beim Aufbau eines berufsbildenden Schulwesens, gleichzeitig sei man Partnerland für den Aufbau von Tourismusschulen in Vietnam.

Schon seit 2004 hilft man zudem bei der Reform der Tourismusausbildung in Osteuropa. Projekte gibt es aktuell in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien.

Auch im Bereich der Wirtschaftsausbildung gilt man als Exportnation: Seit 2001 exportiert man das Modell der Übungsfirmen (Eine Art Firmensimulation in Handelsakademien, Anm.) nach Südosteuropa. Und das heimische Institut KulturKontakt Austria hilft in Albanien seit 2009 bei der Reform der Ausbildung in Wirtschaftsschulen: Neben neuen Lehrplänen sind nun auch in Albanien Berufs-Praktika verpflichtend.

Familienförderung

Schülerfreifahrt und Gratis-Schulbücher kommen auch in der Türkei gut an. Daher holte sich die türkische Familienministerin Fatma Sahin im Dezember Ezzes bei ihrem Amtskollegen Reinhold Mitterlehner: „Wir stellen der Türkei gerne Informationen zur Verfügung, weil wir in Österreich ein insgesamt gut entwickeltes System der Familienförderung haben“, meint Mitterlehner. Gleichzeitig gebe man Tipps zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – etwa den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten.

Pflegesystem

Zahlreiche Länder kämpfen mit einer alternden Bevölkerungsstruktur. Doch wie ein Pflegesystem organisieren und vor allem finanzieren? Nicht nur die Niederlande, Schweden oder Kroatien wandten sich zuletzt an das heimische Sozialministerium, so Minister Hundstorfer: „Es erfüllt mich als Minister eines kleinen Landes natürlich schon ein bisschen mit Stolz, dass gerade große Staaten wie Russland, aber auch die USA oder China ihr Interesse am österreichischen Pflegesystem bekunden.“ Im September informierte sich etwa US-Staatssekretärin Kathy Greenley über Pflegevorsorge in Österreich, im April holte sich Hundstorfers chinesischer Amtskollege Li Liguo Tipps ab.

Justiz

Auch Österreichs Justizsystem genießt im Ausland einen guten Ruf. Eine Delegation aus dem Kosovo nahm etwa heuer Österreichs Gefängnisse unter die Lupe.

Gleichzeitig helfen heimische Richter und Staatsanwälte am Balkan immer wieder mit Know-how aus. Angesichts der gemeinsamen Geschichte gibt es traditionell viele Ähnlichkeiten des Rechtssystems. Österreichs Expertise bei der Modernisierung war 2012 etwa auch in Kroatien oder Montenegro gefragt.

Als vorbildlich gilt Österreichs Justiz zudem auch im Bereich Online. „Unsere Expertise im elektronischen Rechtsverkehr ist bei internationalen Partnern gefragt“, meint Justizministerin Beatrix Karl – und verweist auf Kooperationen mit Italien und Deutschland etwa beim Thema elektronische Mahnungen.

Denkmalschutz

Wie kann man historische Gemäuer wie das Stift Melk oder die Schallaburg erhalten und managen? Das erklärten Experten des Bundesdenkmalamtes Ende November ihren Kollegen aus Albanien. Auch das Schloss Schönbrunn stand am Programm.

Abfertigung Neu

In Zeiten von Sparpaketen und steigender Arbeitslosigkeit wird auch das österreichische Modell der Abfertigung Neu verstärkt unter die Lupe genommen: Portugal, Slowenien, Belgien und die Schweiz haben sich laut Sozialministerium 2012 darüber informiert.

Agrarpolitik

Das heimische Landwirtschaftsministerium hilft aktuell in Serbien und im Kosovo mit Know-how aus: Heimische Beamte helfen bei der Formulierung moderner Gesetze und dem Aufbau von Kontrollinstanzen. Zudem können ausländische Beamte ein Praktikum in Wien machen. Die letzte Praktikantin kehrte im Oktober nach Ungarn zurück.

Dass österreichische Politik zum Exportartikel wurde, hat auch mit Kommunikation zu tun: Wie wird unser Land in meinungsbildenden internationalen Medien wahrgenommen? Wird es überhaupt wahrgenommen? Wenn ja, was wird über uns berichtet?

Eine Rückschau auf 2012 zeigt: Österreich kommt in europäischen Medien auf den Politik- und Wirtschaftsseiten zu einem Großteil aufgrund seiner EU-Mitgliedschaft vor. Und hier wiederum ist es das europäische statistische Zentralamt Eurostat, das die Quelle Nummer 1 für positive Schlagzeilen ist: die niedrigste Arbeitslosenrate in Europa; stabile Wirtschaftsentwicklung; Bestnoten im Rating der Staatsfinanzen; niedrige Zinszahlungen für die Staatsschulden. Seit dem wirtschaftlichen Zusammenrücken in der Eurozone wird alles und jedes – von Sozialausgaben über Bildungsstandards bis zu Budget- und Wirtschaftsdaten – im Auftrag der EU-Kommission verstärkt verglichen. Selbstverständlich sind positive Werte kein Verdienst von Eurostat, aber dass sie bekannt werden, schon. Gäbe es einen Award für Österreich-Werbung, müsste er an Eurostat gehen.

Vor dem EU-Beitritt sah die Österreich-Berichterstattung ganz anders aus. Im Zuge der Waldheim-Krise in den 1980er-Jahren hatte die Nationalbank eine Imagestudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis damals: Bis zu Waldheims Aussage, er habe im Dritten Reich nur seine Pflicht erfüllt, war Österreich fast ausschließlich auf den Kultur- und Tourismus-Seiten vorgekommen. Walzer-Kitsch mit Zuckerguss. Kurt Waldheims schlampiger Umgang mit der Vergangenheit und der Aufstieg Jörg Haiders katapultierte uns unsanft auf die Politik-Seiten – als Land, das seine NS-Vergangenheit leugnet bzw. grob beschönigt.

"Die Österreicher verstehen es, ihre unerschrockene Freizeitliebe mit Geschäftstüchtigkeit zu verbinden." - Foreign Policy US-Magazin für globale Wirtschaft und Politik.

Was seither geblieben ist: Österreichs Wahrnehmung als Tourismus-Land. Seitenweise werden in britischen, italienischen und deutschen Medien die Pistenverhältnisse beschrieben, Hotel- und Restaurant-Tipps gegeben und Konzerte besprochen. Vorarlberg, Tirol und vor allem Wien sind Attraktionen: Dass Wien wiederholt zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität gekürt wurde, fand Niederschlag von Indien bis Amerika. Die US-Sender CNN und CNBC zogen eine Linie von der politisch-kulturell bedeutenden Vergangenheit zur ökonomischen Stärke in der Gegenwart: "Wien hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Österreich und modernisierte seine Infrastruktur zum Nutzen seiner Einwohner." Die Times of India berichtete von einem Run indischer Touristen in die Stadt der höchsten Lebensqualität der Welt.

Geblieben ist auch eine gewisse Wachsamkeit gegenüber der heimischen Rechten: Die größte Zeitung Italiens, die linksliberale Repubblica, registriert aufmerksam die Stärke der Strache-Partei. Der Corriere della Sera lobt das ehrliche Gedenken an NS-Verbrechen seit der Waldheim-Krise.

Neu ist seit dem EU-Beitritt, dass Österreich als Wirtschaftsland nennenswert wahrgenommen wird. Die EU-weit besten Arbeitslosenwerte wurden heuer wohl Hunderte Male zitiert, und das wiederum war Anlass für einen Artikel des US-Magazins Foreign Policy mit dem Titel "Das österreichische Wunder". Darin wird die Sozialpartnerschaft – der Ausgleich zwischen Gruppeninteressen und volkswirtschaftlichem Nutzen – gepriesen. Der Zusammenhang von Wohlstand und öffentlichen Investitionen beeindruckte die Staats-skeptischen Amerikaner. Und auch, wie das ökonomische "Wunder" bei bis zu sechs Wochen Urlaub (die Amerikaner haben zwei) möglich ist. Zitat: "Die Österreicher verstehen es, ihre unerschrockene Freizeit-Liebe mit Geschäftstüchtigkeit zu verbinden."

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