Kindergarten: Länder kritisieren verpflichtende Elterngespräche

.
Eltern, die ihre Kinder mit vier Jahren noch nicht in einem Kindergarten angemeldet haben, werden angeschrieben und zum Gespräch eingeladen.

Die neuen verpflichtenden Gespräche für Eltern (siehe unteren Abschnitt), die ihre Kinder mit vier Jahren noch nicht in einem Kindergarten angemeldet haben, sind in einigen Bundesländern schon angelaufen, wie ein Rundruf zeigt.

Das Familienministerium hat alle Länder gebeten, bis Herbst zu melden, ob die Elterngespräche bereits implementiert wurden und wie sie angenommen werden.

Oberösterreich: Kritik an "riesigen Papiertiger"

Oberösterreich kann bereits erste Zahlen liefern: 329 Gemeinden haben 375 Kinder gemeldet, die nicht für das zweite Kindergartenjahr angemeldet sind, berichtete Stelzers Büro. Die betroffenen Eltern wurden wiederum von der Bildungsdirektion angeschrieben, rückgemeldet haben sich lediglich 182, von denen sich nur 13 Eltern für einen Elterngesprächstermin gemeldet haben. Grund für die hohe Anzahl an negativen Rückmeldungen sei einerseits eine bewusste und gründlich durchdachte Entscheidung der Eltern und andererseits der Umstand, dass das Kind bereits für einen Kindergarten etwa in der Nachbargemeinde oder im Betrieb angemeldet sei.

Vize-Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ist mit der derzeitigen Situation unzufrieden: "Ich bin für das zweite Kindergartenjahr für Kinder mit Sprachdefiziten", betonte er. Aber der Bund müsse sich "etwas Besseres einfallen lassen", wie man diesen Bedarf erheben könne. "Dieses Prozedere ist momentan nichts anderes als ein riesiger Papiertiger", kritisierte er.

Salzburg: Gespräche sind der richtige Weg

Recht hohe Erwartungen in die Beratungsgespräche hat dagegen die Salzburger Landesrätin Martina Berthold (Grüne). Es sei der richtige Weg, um auf die Wünsche der Eltern eingehen zu können und ihnen die Bedeutung der Elementarbildung zu vermitteln, meinte ein Sprecher. Die Elterngespräche in Salzburg laufen noch, ein Bericht werde daher erst im Herbst vorliegen. Der Sprecher wies darauf hin, dass in Salzburg die Betreuungsquote der Vierjährigen bereits bei 96,8 Prozent liege: 4.944 Kinder befänden sich in Betreuung, lediglich 170 Kinder besuchen noch keinen Kindergarten.

Steiermark: Rund ein Viertel rückgemeldet

In der Steiermark waren laut einem Sprecher von Bildungslandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) zu Jahresbeginn rund 900 Vierjährige nicht zum Kindergartenbesuch angemeldet (die Betreuungsquote im Kindergartenjahr 2014/15 lag bei 92,7 Prozent). Deren Eltern wurden mit Briefen zu Beratungsgesprächen eingeladen, wobei aktuell erst von rund einem Viertel der etwa 287 steirischen Gemeinden die Ergebnisse vorliegen. Beratungsgespräche würden noch durchgeführt.

51 Gemeinden haben ihre Daten bereits dem Land Steiermark übermittelt: In ihnen hat es 176 Vierjährige gegeben, die nicht für den Kindergartenbesuch angemeldet waren. 93 Eltern seien der Einladung zum Elterngespräch gefolgt. 20 hätten daraufhin ihre Kinder doch angemeldet. Die endgültigen Zahlen würden erst Ende September feststehen.

Vorarlberg: Fast alle Vierjährigen werden Kindergarten besuchen

Auch in Vorarlberg haben bereits Elterngespräche stattgefunden, die genaue Anzahl war aufgrund des Urlaubs der zuständigen Kindergarteninspektorinnen derzeit aber nicht zu erfahren. Nur soviel: Im kommenden Kindergartenjahr werden in Vorarlberg nahezu 100 Prozent der Vierjährigen eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, hieß aus auf Nachfrage aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Bernadette Mennel (ÖVP).

Wien: 2.000 Familien angeschrieben

In Wien wird das Magistrat insgesamt 1.979 Familien anschreiben und zu Gesprächen einladen. Man gehe aber davon aus, dass die Anzahl jener Kinder, die tatsächlich noch nirgends angemeldet sind, um einiges geringer sei, betonte man bei der zuständigen MA 11 auf Anfrage. Denn durch unterschiedliche Schreibweisen oder Doppelnamen könnten auch Eltern angeschrieben werden, die ihr Kind schon bei einem Kindergarten vorgemerkt haben. Schließlich liege die Betreuungsquote der Vierjährigen in der Bundeshauptstadt bei deutlich über 90 Prozent.

Kärnten: Wirksamkeit "sehr diskussionswürdig"

In Kärnten ist man nicht glücklich mit den neuen verpflichtenden Gesprächen für jene Eltern, die ihre Sprösslinge mit vier Jahren noch nicht im Kindergarten angemeldet haben: Die Wirksamkeit der Elterngespräche sei "sehr diskussionswürdig", hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Auch sei damit "ungemein viel administrativer Aufwand verbunden", der "in keiner Relation" stehe.

In der Kärntner Landesregierung schätzt man, dass im Kindergartenjahr 2016/2017 etwa 92 Prozent der Vierjährigen bereits einen Kindergarten besuchen. Rund 400 Kinder seien in den jeweiligen Gemeinden in keiner elementaren Einrichtung wie einem Kindergarten oder einer Kindertagesstätte. Was die verpflichtenden Elterngespräche angeht, so hat die Kärntner Landesregierung auf eine Datenerhebung verzichtet, da die Gemeinden rechtlich mit dieser Aufgabenstellung betraut seien. Es gebe allerdings noch keine gesetzliche Verankerung bezüglich der verpflichtenden Elterngespräche: "Viele Gemeinden warten ab, bis eine gesetzliche Basis diesbezüglich vorliegt", hieß es aus Kaisers Büro - dazu gebe es frühestens in der Landtagssitzung am 22. September Gelegenheit.

Tirol: Geringe Anzahl an Elterngespräche

Auch in Tirol liegt dem Land derzeit noch keine Zahl vor, wie viele Elterngespräche bereits stattgefunden haben. Die Betreuungsquote der Vierjährigen im Jahr 2015/16 - inklusive der Betreuung bei Tageseltern und in Kindergruppen - lag bei 98,9 Prozent. Die Zahl der Kinder, die von den Elterngespräche betroffen sind, sei mit 1,1 Prozent also sehr gering. Mit der Durchführung der Gespräche seien die Gemeinden als Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtungen betraut. Über die Umsetzung dieser Maßnahme habe das Land die Gemeinden bereits im Frühjahr informiert.

Niederösterreich: "de facto Vollbetreuung"

In Niederösterreich gebe es bei den Vierjährigen mit 98 Prozent "de facto Vollbetreuung", hieß es auf Anfrage auch aus dem Büro von Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP). Im vergangenen Kindergarten-Jahr seien 650 nicht in institutionellen Betreuungseinrichtungen untergebracht gewesen. 280 davon gar nicht, der Rest z. B. bei Tagesmüttern.

Heuer werden Eltern erstmals verpflichtend zu einem Gespräch eingeladen, wenn ihre Kinder mit vier Jahren nicht für den Kindergarten angemeldet sind. Das Familienministerium trachtet nun nach Informationen, ob sich diese Maßnahme bewährt oder doch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr implementiert werden sollte.

Konkret erfragt das Ressort von Sophie Karmasin (ÖVP) bei den Ländern unter anderem, ob diese die Maßnahmen überhaupt schon implementiert haben sowie ob Sanktionen für Nichterscheinen der Eltern vorgesehen werden. Einen Sonderfall stellt Niederösterreich da, das die Elterngespräche schon vor dem Kindergartenjahr 2015/2016 in einem Pilotprojekt etabliert hat. Hier will das Ministerium etwa wissen, wie viele Kinder dann letztlich doch zum Kindergartenbesuch angemeldet wurden.

Muster-Schreiben an die Eltern

Verfertigt hat man auch ein Muster-Schreiben an die Eltern, das von den Ländern so übernommen werden kann. Darin wird argumentiert, welche Vorteile ein Kindergartenbesuch bringt, beispielsweise dass die sprachlichen Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten erweitert werden und so der Schuleintritt erleichtert wird. Direkt an die Eltern gerichtet wird darauf hingewiesen, dass Betreuungspflichten und Beruf besser vereinbart werden können.

Der Versuch, mit den Elterngesprächen, die von Kindergartenpädagoginnen, aber auch Beamten oder dem Bürgermeister geführt werden können, jene knapp fünf Prozent aller 4-Jährigen, die noch keinen Kindergarten besuchen, zu erreichen, läuft jetzt einmal zwei Jahre. Karmasin will eine Betreuungsquote wie bei den 5-Jährigen, also knapp 98 Prozent. Gelingt das nicht, "müssen wir intensiv über das zweite Gratisjahr sprechen", erklärte die Ministerin.

Kommentare