BVT: Kickl wegen Amtsmissbrauchs angezeigt

Austria's Interior Minister Herbert Kickl talks during a session of the parliament in Vienna, Austria, March 19, 2018. REUTERS/Leonhard Foeger
Im Nationalrat drängte SPÖ-Chef Kern auf Antworten von Innenminister Kickl in der BVT-Affäre. Dieser wies jede Kritik an den Vorgängen im Innen- und Justizministerium zurück.

In einer Sondersitzung des Nationalrats forderte die SPÖ am Montag Antworten in der Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Im Februar hatte es Hausdurchsuchungen samt Sicherstellung von Beweismitteln beim BVT gegeben. Die Opposition sieht etwa bei der Rolle von Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber und der Beauftragung von Polizisten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) durch die Staatsanwaltschaft viele offene Fragen.

Innenminister Kickl wies die Vorwürfe, die SPÖ-Chef Christian Kern zuvor erhoben hatte, im Parlament am Montagnachmittag mit teilweise deftigen Worten zurück. Es werde ein "linkes Spiel" unter dem Deckmantel politischer Aufklärung gespielt, sagt der Freiheitliche.

Anzeige wegen Amtsmissbrauches

Die Liste Pilz hat gegen Kickl eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der BVT-Affäre eingebracht. Klubobmann Peter Kolba veröffentlichte am Montag via Twitter das Deckblatt der Anzeige. Dazu schrieb er die Anmerkung: "Es gilt die Unschuldsvermutung." Nähere Details zum Inhalt der Anzeige waren vorerst auf Nachfrage nicht zu erhalten.

Der "Standard" zitierte am Nachmittag in seiner Online-Ausgabe unterdessen aus dem Protokoll der Hausdurchsuchung im Büro des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie in Privatwohnungen von verdächtigen Mitarbeitern. Diese Durchsuchungen dürften demnach nicht so reibungslos wie geplant funktioniert haben, schreibt die Zeitung. Im Protokoll, das laut "Standard" auch dem "profil" vorliegt, sei an mehreren Stellen von einer "chaotischen Situation" die Rede. Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft durch Zeugenaussagen oder jene 39 Seiten an anonymen Anzeigen zum Teil falsche Informationen erhalten, so der "Standard".

Laut Protokoll sollte etwa der Inhalt eines Safes an einer privaten Wohnadresse mitgenommen werden. Allerdings "konnte am Wohnort kein Safe vorgefunden werden", heißt es in dem Schriftstück. Weiters habe der Staatsanwalt "die Situation vor Ort als chaotisch" beschrieben, es gebe "sehr viele Dokumente". Der Aufforderung einer Vertreterin der Rechtsabteilung des Verfassungsschutzes, dass sichergestellte Datenträger "versiegelt" werden müssten, weil sich "klassifizierte" (streng geheime) Dokumente darunter befinden könnten, "die das BVT keinesfalls weitergeben dürfe", wurde laut Protokoll nicht entsprochen. Denn die Mitarbeiterin der BVT-Rechtsabteilung habe kein Verschwiegenheitsrecht hat, wie es etwa Anwälten zusteht, so die Begründung.

BVT-Direktor Peter Gridling, der laut Protokoll am Nachmittag der Hausdurchsuchung im BVT erschienen ist, wurde auf seine Frage, was ihm vorgeworfen wird, lediglich die Hausdurchsuchungsanordnung für das Büro einer Zeugin (der Leiterin des Extremismusreferates) ausgehändigt. Wenig später wurde die Staatsanwältin in ein Büro im BVT gerufen, in dem eine "Unzahl von Festplatten" aufgereiht waren. "Die Situation erscheint eher chaotisch", protokollierte die Staatsanwältin. Auch der Laptop der Ehefrau eines Beschuldigten aus einer durchsuchten Privatwohnung wurde laut dem Bericht kopiert.

Der Argumentation von Justizminister Josef Moser (ÖVP), dass die spontane Razzia wegen der Gefahr einer Fernlöschung von Daten nötig war, widersprechen "Insider" aus dem BVT laut "Standard". Der Fernzugriff könne demnach für alle Mitarbeiter (oder auch nur bestimmte Personen - etwa Beschuldigte) "mit einem Mausklick" gesperrt werden. Außerdem würden sämtliche Zugriffe, also auch Löschungen, streng protokolliert werden.

Eher kurze Debatte im Nationalen Sicherheitsrat

Nicht allzu ausführlich - keine zwei Stunden lang - war die Unterredung über die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Montag am späten Nachmittag im Nationalen Sicherheitsrat. Einberufen wurde die Sitzung auf Wunsch der NEOS. Informationen über die Inhalte gab es keine, denn das Beratungsgremium der Regierung steht unter streng Vertraulichkeit.

Dem Nationalen Sicherheitsrat gehören neben Kanzler, Vizekanzler und den zuständigen Ministern für Inneres und Justiz Vertreter aller Parlamentsparteien an, die einen Sitz im Hauptausschuss haben. Mit dem Zusammentreffen am Montag - gleich nach der Sondersitzung des Nationalrates - waren offenbar nicht alle Fragen beantwortet. NEOS-Abgeordnete Stefanie Krisper hatte sich einen "wichtigen Schritt zur Klärung der Causa BVT" erhofft. Und meinte danach, es sei gut, dass die Causa morgen im Unterausschusses des Innenausschusses weiter diskutiert wird.

Auch die SPÖ würde sich von dieser nächsten Gelegenheit transparente Antworten auf alle offenen Fragen erhoffen. Am Dienstag fällt dann die Entscheidung über die Einsetzung eines U-Ausschuss durch die Opposition, angeführt von der SPÖ. Auf den Weg gebracht werden kann er dank Minderheitsrecht noch in dieser Woche. Denn Mittwoch und Donnerstag tritt der Nationalrat zu regulären Sitzungen zusammen.

Innenminister verweist auf Justizministerium

Inhaltlich sah Kickl zuvor im Nationalrat "ein rechtsstaatlich korrekt abgelaufenes Verfahren", das skandalisiert werde. Vor allem: Alle Entscheidungen und Aufträge seien im Justizministerium gefallen bzw. erteilt worden. Ansonsten wirft Kickl Kern ein "munteres Kraut-und-Rüben-Wirrwarr" vor, in dem die Gewaltenteilung von Justiz und Polizei ignoriert werde. Dies sei für einen ehemaligen Kanzler "beschämend".

Kickl sagt, er verstehe nicht, warum sich die SPÖ zum Schutzpatron des Leiters eines Amtes (BVT-Chef Peter Gridling, Anm.) aufschwinge, gegen den von der Staatsanwaltschaft – konkret der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – wegen Amtsmissbrauchs ermittelt wird. Außerdem würde die SPÖ einzelne Beamte, etwa den EGS-Leiter, diskreditieren und vorverurteilen. Ansonsten gab es noch eine allgemeine Oppositions- und Medienschelte von Kickl: Wenn von "Insidern" oder "gut informierten Kreisen" die Rede ist, sei ohnehin nichts dran.

Kickl: Nicht einmal ansatzweise Putsch

Immer wieder verwies Kickl auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung. Alles sei "auf Punkt und Beistrich" eingehalten worden. Die WKStA ermittle wegen des Vorwurfs von Datenmissbrauch in einem hochsensiblen Bereich und sei Herrin des Verfahrens. "Sie bestimmt, was zu geschehen hat. Die Polizei führt aus", sagte Kickl: "Und so etwas soll ein Putsch sein, Herr Kern?"

Auch die EGS nahm Kickl in Schutz. Sie habe nichts anderes gemacht, als einen Auftrag der zuständigen Staatsanwaltschaft "sauber und korrekt durchzuführen". Aus der Anfragebeantwortung der 40 Fragen der SPÖ selbst ergaben sich dann wenig Neuigkeiten. Er habe Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am 28. Februar am Rande des Ministerrats informiert, sagte Kickl. Zurzeit seien drei BVT-Beamte suspendiert, ein Vertragsbediensteter sei freigestellt worden. Die EGS sei aufgrund der "Frage der Unbefangenheit" zum Einsatz gekommen, und zwar in Zivilkleidung und in Standardausrüstung mit Dienstpistole. Dass die Datensichtung ausschließlich durch IT-Experten der Staatsanwaltschaft erfolgt sei, könne er bestätigen.

Abschließend meinte Kickl, wenn keine Ermittlungen und Hausdurchsuchungen durchgeführt worden wären, hätte die Opposition in einigen Monaten zurecht seine Untätigkeit kritisiert. Mit der Kritik daran, dass auf den Verdacht gegen BVT-Beamte Ermittlungen gefolgt sind, habe die Opposition hingegen Unrecht.

Kern kritisiert Kickl scharf

Kern erhob davor in seiner Dringlichen Anfrage schwere Vorwürfe gegen den Innenminister. Die Razzia beim BVT habe bei deren Beamten wohl "maximales Aufsehen und maximale Einschüchterung" bewirken sollen. An Kickl adressiert sagte Kern: "Sie haben keine hundert Tage im Amt gebraucht", um das Vertrauen der Österreicher in den Sicherheitsapparat nachhaltig zu erschüttern. Kern ortet ein "politisches Spiel auf dem Rücken der Sicherheit".

Kern argumentierte, das BVT sei durch die öffentlich gewordene Großdurchsuchung "regelrecht lahmgelegt" worden, die österreichischen Sicherheitsinstitutionen hätten auch international Vertrauen verloren. Dass ausgerechnet die EGS, deren Leiter ein FPÖ-Gewerkschafter ist, für die Hausdurchsuchung von den Staatsanwälten beauftragt wurde, sei auch sehr merkwürdig.

Misstrauensantrag abgelehnt

Erwartungsgemäß keine Mehrheit fand ein Misstrauensantrag der Liste Pilz gegen Kickl, er wurde mit Koalitionsmehrheit abgeschmettert. SPÖ und NEOS stimmten hingegen für Kickls Abberufung.

Der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon versuchte in seiner Rede zuvor eine neue Sichtweise einzuführen: Nachdem in der BVT-Affäre bisher vor allem Namen von Ministern und Beamten auf ÖVP und FPÖ vorgekommen sind, trachtete Amon danach, den mit der SPÖ gut vernetzten Anwalt Gabriel Lansky zur zentralen Figur der Causa machen. Hintergrund: Lansky hatte Anzeige erstattet, weil Daten aus einem Verfahren gegen ihn widerrechtlich vom BVT nicht gelöscht worden waren. Amon fragt sich nun demonstrativ, was sich in den Daten befinde, das für die SPÖ so heikel sei.

Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der kommen dürfte, sieht Amon eher skeptisch. Es tue zwar "in jeder Hinsicht" Aufklärung not. Vielleicht gebe es aber andere Möglichkeiten, die Angelegenheit sinnvoll zu untersuchen.

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