Kickl: "Auf Augenhöhe mit Häupl messen"

Herbert Kickl startete als Redenschreiber von Jörg Haider. Heute ist er Straches wichtigster Berater
FPÖ-Generalsekretär ist der Mastermind der blauen Hetz-Kampagnen. Im Interview bläst der Parteistratege zum Angriff

KURIER: Herr Kickl, innerhalb von fünf Tagen stand die neue rot-blaue Regierung im Burgenland. Der Wandel der FPÖ von der Finger-weg-Partei zur heiß umworbenen Braut verlief schnell. Vielen zu schnell ...

Herbert Kickl: Ich sehe das ein wenig anders. Bei den Wählern sind wir schon länger eine heiß umworbene Braut, weil der Zulauf von Wahl zu Wahl größer wurde. Interessant war allerdings, wie schnell die rote Lernbereitschaft plötzlich da war. Landeshauptmann Niessl hat ja selbst gesagt: "Im Burgenland muss sich etwas ändern." Niessls Option war nur, entweder ändert sich etwas mit oder ohne ihm. Das waren die beiden Alternativen, vor denen Niessl stand.

Bevor Niessl den Landeshauptmann-Sessel verliert, akzeptiert er lieber einen (Teufels-) Pakt mit der FPÖ?

Das ist eine seltsame Diskussion. Immer wenn einer die Überlegung vollzieht, mit der FPÖ einen Regierungspakt zu machen, dann geht es ihm nur um die Macht. Bei anderen Konstellationen wird diese Diskussion nie geführt. Macht ist nichts Negatives. Ohnmacht ist negativ.

Liegen SPÖ und FPÖ gar nicht so weit voneinander entfernt, wie viele glauben?

Niessl hat nicht reagiert wie man es in der SPÖ und auch in der ÖVP gerne macht, und gemeint: "Wir haben alles richtig gemacht, nur die Wähler haben alles falsch gemacht." Niessl zeigte sich einsichtig und hat schnell signalisiert, dass er bereit ist, Änderungen vorzunehmen. Da nochmals mit der ÖVP das Gespräch aufzunehmen, wäre die tätliche Widerlegung seiner eigenen Worte gewesen.

Wer kommt, wenn Blau regiert: Mehr dazu hier.

Im Burgenland soll es eine Volksbefragung über temporäre Grenzkontrollen geben. Plant die FPÖ die Grenze mit Soldaten dichtzumachen?

Temporäre Grenzkontrollen wird es selbstverständlich geben. Da wird die Polizei zum Einsatz kommen. Volksbefragungen sind zu jedem Thema denkbar.

Auch der SPÖ-Oberösterreich-Chef Reinhold Entholzer kann sich eine rot-blaue-Zusammenarbeit in Oberösterreich vorstellen. Allerdings nur wenn die SPÖ die stärkere Partei ist. Eine Option für Sie?

Diese Forderung des Herrn SPÖ-Gewerkschafters ist wirklichkeitsfremd. Erstens sind wir im Aufwärtstrend. Wir rechnen uns gute Chancen aus, die 20 Prozent-Marke zu überspringen und den zweiten Platz zu erreichen. Zweitens wird die stärkste Kraft Verhandlungen führen. Das wird nicht Entholzer sein.

Wer in der Wiener SPÖ könnte von dem Dogma – keine Koalition mit der FPÖ – abweichen?

Ich finde es interessant, dass es im Moment zwei SPÖs gibt. Da gibt es eine SPÖ, die rund um Werner Faymann und Michael Häupl gruppiert ist. Das sind die Modernisierungsverlierer, die Retro-Sozialisten. Dann gibt es die aufgeschlossenen Kräfte in der SPÖ, denen die Umsetzung eines Wählervotums wichtiger ist als das Festhalten an irgendwelchen Dogmen. Für Wien gilt: Ein massiver FPÖ-Zuwachs und die Ausgrenzung fällt.

Wenn Häupl und Faymann nicht umfallen, dann wird die FPÖ in Wien weiterhin in der Opposition bleiben …

Es liegt was in der Luft. Am letzten Wahlsonntag wurden nicht nur ein paar Prozentpunkte dazugewonnen, da passierte eine substanzielle Verschiebung. Da ist eine Weichenstellung erfolgt und ein Ventil aufgegangen. Wir gehen davon aus, dass wir die 30 Prozent überspringen und uns auf Augenhöhe mit Häupl messen werden. Das ist ein durchaus sehr interessanter und reizvoller Gedanke, auch bezüglich Personalablösen in der SPÖ.

Ex-SPÖ-Minister Ferdinand Lacina fordert den Rücktritt von Faymann. Wird der Kanzler im rot-blauen Strudel untergehen?

Faymann ist das Gegenbild eines Regierungschefs, wie wir ihn jetzt brauchen würden. Nicht entscheiden, falsch entscheiden, herumzögern dominieren seine Kanzlerschaft. Faymann ist ein Mann ohne Eigenschaften. Die Erfordernisse und die Umstände, die momentan an die Politik gestellt werden, führen den Wählern sein Manko an Führungsqualität schonungslos vor Augen. Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung im Burgenland hier einen Beschleunigungseffekt hat.

Die bisherigen blauen Regierungsbeteiligungen endeten allesamt im Fiasko. Kaum ein Polit-Experte glaubt, dass es dieses Mal anders werden wird ...

Die Trefferquote der Polit-Experten in Sachen FPÖ ist sehr bescheiden. Wir reden von einer anderen Freiheitlichen Partei. Wir haben aus den Fehlern, die in der Vergangenheit passiert sind, gelernt. Wir sind solide auf eine Regierungsbeteiligung vorbereitet. Die Haltung der FPÖ ist in allen politischen Kernbereichen klar erkennbar. So manches Hin und Her aus der Vergangenheit gibt es in der FPÖ des HC Strache nicht. Das ist ein ganz maßgeblicher Erfolgsfaktor. Bei uns wissen die Menschen, was sie bekommen. Deswegen sind unsere Wahlerfolge auch nachhaltig und wir können unsere neuen Wähler auch an uns binden. Im Gegensatz zu früher, wo es einen unglaublichen Wähleraustausch gab, gibt es diesen nicht mehr. Wer einmal FPÖ wählt, der wählt uns auch wieder. Das zeigen alle unsere Untersuchungen.

Ihre Wähler bekommen eine ausländerfeindliche Asylpolitik. Die FPÖ demonstrierte vor dem Asylcamp in Wien-Erdberg, wo Kriegskinder ankamen. Genieren Sie sich nicht?

Wir demonstrieren nicht gegen Kinder oder Kriegsflüchtlinge, sondern wir demonstrieren gegen unhaltbare Zustände, die im Bereich der Asylproblematik manifest sind. Da sind wir Freiheitlichen die einzigen, die dagegen wirklich Stellung beziehen. Es ist persönlich verständlich, dass sich Menschen aus wirtschaftlichen Motiven heraus verändern wollen. Aber unser politischer Auftrag ist es, die Rechte der Österreicher wahrzunehmen.

Sie sind der Mastermind der hetzerischen Reime der FPÖ. Warum mögen Sie Reime?

Ich würde es massiv bestreiten, dass das aufhetzerisch ist. Wenn man etwas im Reim sagen kann, dann ist das eben eingängiger und bleibt auch hängen. Aber wir verstehen Politik schon so, dass man den Wählern nicht ständig erklärt, dass ihr subjektives Empfinden falsch ist. Wenn man das als Aufhetzen bezeichnet, ist das der letzte untaugliche Versuch, Tabuzonen zu errichten. Das werden wir nicht zulassen. Da gibt es viele Bereiche, wo man mit dem Vorwurf der Hetze Diskussionsverbote aussprechen möchte. Ich halte die Politik der Verharmlosung und des Schönredens für viel schlimmer.

"Daham statt Islam" ist nicht aufhetzerisch? Gibt es bei Ihnen Grenzen?

Ich glaube nicht, dass wir bis jetzt welche überschritten haben. Wir haben nie für uns in Anspruch genommen, dass das Plakat die ganze Wahrheit ist. Das ist ein Impuls, damit man sich mit Politik auseinandersetzt.

Wann fallen Ihnen Reime ein?Da gibt es keine festgelegte Methode. Wenn ich auf dem Fahrrad sitze oder in der Gegend herumrenne. Es geht um Eingängigkeit und Kürze. Der Reim ist ein Kann, aber kein Muss. Das viel wichtigere Prinzip bei einer Kampagne – und das sage ich auch in Richtung Wien – ist: Tue das Unerwartete. Das schlimmste in einer Auseinandersetzung ist, wenn man berechenbar ist. Diese Freude werden wir der SPÖ nicht machen.

Viele sagen, Sie sind ein Populist übelster Sorte …

Ich übersetze Populismus als Bürgernähe. Das ist ein Kompliment für mich. Ich weiß zwar nicht, wer die Absender sind, aber diesen Neid muss man sich auch verdienen.

Viele in Ihrer Partei meinen, in Strache steckt zu 99,9 Prozent Herbert Kickl. Sind Sie der Strache-Flüsterer?

Das halte ich für völlig unangebracht. Wir haben nur ein sehr gutes System der Arbeitsteilung.

Schreiben Sie nicht die Reden von Strache?

Ich schreibe für HC Strache keine Reden. Wir reden vor wichtigen Auftritten, wie man etwas anlegen könnte. Wir machen gemeinsame Vorbereitungen, und er bekommt Inputs von seinen Mitarbeitern. Aber letztendlich ist es immer er, der die Endversion verfasst. Er ist ja kein Schauspieler, der irgendwelche Texte auswendig lernt.

Sie sind Triathlet. Wie oft schafften Sie den Ironman?

Ich habe mich schon seit einigen Jahren entschlossen, keinen Ironman mehr zu bestreiten. Da ist mir zu viel los. Ich war drei Mal in Klagenfurt und einmal in Zürich. Ich habe andere Veranstaltungen entdeckt, die von Distanz gleich oder länger sind, aber viel mehr Natur- und Abenteuer-Charakter haben.

Man weiß sehr wenig privat über Sie. Haben Sie Familie oder sind Sie Single?

Ich bin seit vielen Jahren mit meiner Partnerin in einer Lebensgemeinschaft. Ich bin sehr, sehr glücklich und wir haben einen 15-jährigen Sohn.

Wie würden Sie reagieren, wenn sich Ihr Sohn in eine Türkin verliebt?

Wieso sollte ich etwas dagegen haben? Ich gehe zwar nicht davon aus, dass es so sein wird. Aber woher der Mensch kommt, tut nichts zur Sache. Entscheidend sind Herz und Charakter.

Aber das Mädchen müsste optimal integriert sein?

Ich glaube, dass die Verständigung schwer wäre, wenn sie nicht integriert wäre. Wie soll die Beziehung funktionieren, ohne gemeinsame Sprache und gemeinsames Wertegefüge?

Zur Person

Der FPÖ-Generalsekretär wächst in der Arbeitersiedlung in Radenthein auf. Die Eltern waren Fabriksarbeiter. Politik spielte in seinem Elternhaus keine Rolle. Kickl studierte Philosophie. Zwei Kapitel fehlen zum Abschluss seiner Diplomarbeit, die er über die "Transzedentale Deduktion der Kategorien und Bewusstseinskapitel in Hegels Phänomenologie" schreiben will

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