Kern wehrt sich gegen Kampagne: "Da wurden Grenzen überschritten"

Christian Kern.
Ex-Kanzler Gusenbauer klagt Gratis-Blatt, Kanzler Kern streicht Wahl-Inserate.

Es war, das kann man bei aller Zurückhaltung sagen, eine Kampagne: Über Tage hinweg hievte die Tageszeitung Österreich ein Strategie-Papier eines SPÖ-Beraters ins Blatt, in dem genüsslich über die Schwächen des SPÖ-Kandidaten referiert wurde.

Christian Kern sei eitel; er reagiere auf Kritik mimosenhaft; und weil der SPÖ-Chef im kolportierten SPÖ-Papier mitunter als "Prinzessin" beschrieben wurde, verunglimpfte die Zeitung den Kanzler zuletzt in dieser Pose: mit Tüll und Schminke, als Prinzessin eben.

Vergangene Woche zog Christian Kern eine erste Konsequenz: Er strich – durchaus kurzfristig – einen Interview-Termin mit dem Blatt. "Habt’s mich gern", lautete seine Botschaft.

An der Kampagne, wie sie Kern selbst nennt, änderte das wenig. Während Medien wie der KURIER das ominöse Papier journalistisch bewertetet und in entsprechender Größe berichtet haben, setzte Österreich eins drauf und hievte den Kanzler einmal mehr aufs Titelblatt. Die Reaktion folgte Montagabend: Die Sozialdemokraten wollen ab sofort keine Wahlkampf-Inserate mehr in Österreich veröffentlichen; kolportierte 50.000 Euro Auftragsvolumen wurden gestrichen – ein in dieser Deutlichkeit bislang nie dagewesener Schritt.

Grenzen überschritten

"Da wurden mehrfach Grenzen überschritten", sagte Kern. Er müsse leider zur Kenntnis nehmen, dass man "dort", also in der Zeitung, so arbeite. "Aber hier geht es nicht um kritische Berichterstattung, sondern um einen Angriff auf die politische Kultur im Land." Und über ein solches Medium wolle er, Kern, eben nicht mit den Menschen kommunizieren.

Kerns Vorgänger Alfred Gusenbauer ging am Dienstag noch einen Schritt weiter: Er klagte das Blatt, weil "sämtliche Behauptungen" über ihn in der jüngsten Berichterstattung schlichtweg unwahr seien.

Soviel zur Reaktion der Roten.

Helfen wird der Boykott der SPÖ wohl kaum. "Das strategische Dilemma besteht darin, dass mit diesem Boykott nun einmal mehr über eine Besonderheit der SPÖ-Wahlkampfes berichtet wird, und die Themen und Botschaften der SPÖ wieder in den Hintergrund geraten", analysiert Politikwissenschafter Peter Filzmaier.

Das sieht auch Kern selbst eher nüchtern: Der Boykott werde eher Nachteile haben. "Die Kampagne wird vielleicht jetzt noch wütender geführt", prophezeite der SPÖ-Chef am Dienstag. An seiner persönlichen Haltung ändere das aber nichts.

Freie Entscheidung

Ist es legitim, wenn ein Parteichef nach einer derartigen Kampagne Inserate streicht?

"Ja", antwortet Franz Fiedler, ehemaliger Rechnungshofpräsident.

So lange es sich um Partei-Werbung handle, müsse und dürfe "jede Partei frei entscheiden, wo sie werben möchte". Fiedler: "Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass wahlwerbende Parteien ihre Werbung nicht in Medien platzieren, die ihren Interessen widersprechen."

Bei Inseraten von Ministerien würden andere, strengere Regeln gelten – hier könne ein Kanzler nicht einfach streichen, was ihm passt.

Der auf Parteien-Finanzierung spezialisierte Politikwissenschafter Hubert Sickinger rät diesbezüglich zu neuen gesetzlichen Regelungen. Deutschland sei ein mögliches Vorbild.

Doch eine Frage stellt sich ob des Kern-Boykotts ganz generell: Kann man gegen den Boulevard oder ein weit verbreitetes Medium Politik machen?

"Natürlich kann man das", sagt Politikwissenschafter Filzmaier. "Das aktuellste Beispiel ist Donald Trump. Er wurde schon im Wahlkampf von 90 Prozent der Kommentatoren abgelehnt – und hat die Wahl dennoch gewonnen."

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