Kern und Kurz suchen bald täglich eine neue Bühne für ihr Fern-Duell

Bundeskanzler Christian Kern bei Infineon
Der Kanzler sagt Trip nach Berlin kurzfristig ab, um als Retter des Beschäftigungsbonus in Wien zu punkten.

Äußerst kurzfristig hat Bundeskanzler Christian Kern seine Teilnahme am renommierten Europaforum des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Berlin abgesagt. Neben anderen wollte Kern dort am heutigen Donnerstag mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zusammen treffen.

Grund für die Absage der Reise ist ein handfester innenpolitischer Krach: Kern bekommt zahlreiche besorgte Anfragen von Unternehmen, darunter auch von internationalen Konzernen wie Magna, ob es den versprochenen Beschäftigungsbonus ab 1. Juli auch wirklich geben werde. Der Streit in der Noch-Koalition über das Zwei-Milliarden-Euro-Förderprogramm verunsichert die Wirtschaft. Die Manager argumentieren mit ihrer – derzeit nicht vorhandenen – Planungssicherheit. Und die möchte Kern garantieren und bleibt in Wien.

Der SPÖ-Chef will den Beschäftigungsbonus unbedingt rasch unter Dach und Fach bringen, weil daran Tausende Arbeitsplätze und das Vertrauen der Investoren in den Standort Österreich hängen würden. Kern zum KURIER: "Der Beschäftigungsbonus ist die derzeit wichtigste politische Maßnahme. Die Regierung hat ihn angekündigt, die Unternehmen warten darauf, die Menschen warten darauf. Mein Fokus liegt jetzt darauf, dafür zu sorgen, dass dieses Projekt endlich umgesetzt werden kann."

Die Chancen, dass das gelingt, stehen gar nicht schlecht. Nach den wechselseitigen und hoch emotionalen Blockadevorwürfen rund um den Ministerrat am Dienstag stehen die Zeichen wieder auf Entspannung.

Zufallstreffen Kern - Brandstetter

Christian Kern und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter nutzen ein zufälliges Aufeinandertreffen bei Terminen in Graz spontan für eine kurze Unterredung. Unter anderem wurde auch die Umsetzung des Beschäftigungsbonus thematisiert. Brandstetter: "Ich habe zum Bundeskanzler ein gutes Verhältnis und ich bin sicher, dass unser heutiges spontanes Treffen zur atmosphärischen Verbesserung in der Bundesregierung beitragen wird."

Kern und Kurz suchen bald täglich eine neue Bühne für ihr Fern-Duell
Am 31. Mai 2017 besuchte Bundeskanzler Christian Kern (l.) das Bundesland Steiermark. Im Bild mit Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter (r.)
Formal ist noch bis zum 22. Juni Zeit. Da tagt im Parlament der Wirtschaftsausschuss. Das Gremium muss den Beschäftigungsbonus endgültig auf die Reise schicken. Gefördert werden damit neue Jobs. Umstritten ist, wie man mit den zwei Milliarden vorrangig Jobs für Inländer und nicht auch Jobs für ausländische Arbeitskräfte fördert.

Rechtsbedenken

Selbst der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, der solche Ungleichbehandlungen für EU-rechtlich machbar hält, schreibt von einer möglichen Diskriminierung. Diesen Ball hat die ÖVP aufgegriffen. Die Schwarzen wollen Rechtssicherheit haben, das Projekt aber "unbedingt" umsetzen, wie sie nicht müde werden zu betonen.

Typisch für die Wahlkampfstimmung bleibt freilich: In der ÖVP wurde am Mittwoch Nachmittag genüsslich darauf hingewiesen, dass Kerns Verbleib in Wien auch einen anderen Grund gehabt haben könnte. Auch Merkel sagt ihre Teilnahme am Berliner Forum ab. Grund: Sie hat den indischen Premier Modi zu Gast.

Kern trifft Putin, Kurz' US-Reise offen

Die Absage der Berlin-Reise zu Merkel & Co ist das eine, die Zusage für St. Petersburg das andere. Die schon lange geplante Reise zum Internationalen Wirtschaftsforum in die alte Zarenstadt an der Newa will Bundeskanzler Christian Kern Donnerstag Abend auf jeden Fall antreten. Bilder und Nachrichten vom internationalen Parkett, wie sie fast zeitgleich auch Außenminister Sebastian Kurz liefern wollte: Am Sonntag wäre eine Reise zu einem Vortrag und diversen Terminen nach Washington geplant. Ihre Abhaltung war aber gestern noch offen.

Nach Griechenlands Alexis Tsipras 2015 und Italiens Matteo Renzi 2016 ist Kern in Russland einer der Top-Polit-Promis unter all den Wirtschaftsgrößen. Das St. Petersburger Wirtschaftsforum (SPIEF) gilt als der russische Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Angesagt haben sich auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der indische Premier Narendra Modi.

Putin hält Hof

Einmal im Jahr – normalerweise Mitte Juni zur Zeit der Weißen Nächte – hält dort Russlands Präsident Wladimir Putin Hof in seiner Heimatstadt. Kern wird mit Putin am Freitag nicht nur bei einer Podiumsdiskussion am Forum selbst sprechen, sondern auch hinterher bei einem bilateralen Treffen.
Mit von der Partie ist – wie fast immer bei hochrangigen Russland-Terminen – OMV-Boss Rainer Seele. Erneuert wird die typisch österreichische Doppelbotschaft: Die Sanktionen werden nicht beendet, weil Russland nichts für den Frieden in der Ostukraine tut. Gleichzeitig streckt man die Hand aus, um noch besser als bisher ins Geschäft zu bekommen. 2018, wenn Putin zur Wiederwahl antritt, steht auch die 50-Jahrfeier des ersten Gasliefervetrages der russischen Gazprom mit Österreich an.

Jewish-Forum lud ein

Die USA-Reise des Außenministers war zwar schon vor seiner Kür zum ÖVP-Obmann eingefädelt worden, käme aber jetzt, wenn der Kanzler im Ausland auftritt, auch zupass. Zweck der Reise: Eine Rede beim jährlichen Weltforum der AJC (Global Jewish Advocacy) in Washington.
„Wir sind geehrt, dass Außenminister Sebastian Kurz seine Sicht der regionalen und globalen Herausforderungen mit uns teilt. Er ist einer der prononciertesten, dynamischsten und vorausschauendsten Diplomaten in Europa“, ließ der CEO der AJCs schon Mitte Mai stolz öffentlich wissen. Auch weitere Termine in Washington standen auf dem Programm, das Zustandekommen der Reise war zuletzt wieder offen.

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