Kern: "Entscheidung zwischen flotten Sagern und Plan für Österreich"

Kanzler Kern bei seiner Rede in der Messe Wien.
Der SPÖ-Bundesparteirat hat das Wahlprogramm der Sozialdemokraten einstimmig und die Bundesliste mit 92,66 Prozent abgesegnet. Kanzler Kern hatte Durchhalteparolen für die Genossen und Spitzen gegen die Konkurrenz parat.

Bei brütender Hitze will die SPÖ bei einem Bundesparteirat am heutigen Donnerstag die Weichen für die Wahl am 15. Oktober stellen - durchaus passend, befand Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler in seiner Begrüßung, werde es doch "der heißeste Wahlkampf".

344 ordentliche Delegierte und 300 Gäste sollten am Nachmittag in die Messe Wien kommen, um dem zweithöchsten Gremium der SPÖ beizuwohnen. Im Saal prangte, gerichtet an die "Österreicherinnen und Österreicher", der Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht". Parteivorsitzender Kern holte sich beim Einzug - begleitet von seiner Frau und Partei-Prominenz zum Justin Timberlake-Hit "Can't stop the feeling" - zunächst wie bei derartigen Partei-Inszenierungen üblich eine Portion Applaus, bevor der Mini-Parteitag im gut gekühlten Saal losging.

"Ich werde kämpfen"

In einer 40-minütigen, durchaus emotionalen Rede versuchte Christian Kern dann, seine Genossen für den anlaufenden Wahlkampf zu motivieren. "Ich werde kämpfen", gab sich Kern trotz interner Turbulenzen und bescheidener Umfragewerte zuversichtlich für den 15. Oktober. "Dieses Land braucht einen Plan und wir haben einen", versicherte er und vergaß auch nicht auf Spitzen gegen die ÖVP.

Angriffig gegenüber den Schwarzen zeigte sich Kern vor über 600 Delegierten und Gästen in der Messe Wien etwa mit Kritik an deren Großspendern. "Die Förderer öffnen nicht ihre Herzen, sondern ihre Geldbörsen", aber hinter der "Fassade" gehe es immer um ganz konkrete Interessen, warnte er. "Eure Finanzkraft beeindruckt mich nicht", meinte Kern Richtung ÖVP, und "eure Zeitungsfreunde beeindrucken mich noch weniger", übte sich der SPÖ-Chef auch in Medien-Bashing.

"Brauchen kein Popstar-Casting"

Die SPÖ brauche kein "Popstar-Casting" für die Wahllisten und müsse sich auch nicht als neu darstellen. "Wir sind nämlich nicht neu - im Gegenteil, unsere Idee hat eine stolze Geschichte", nämlich "dass alle Menschen gleich viel wert sind" und "alle das Recht haben auf ein gutes Leben". Wenn man sich nur um sein Einkommen als Chef einer Bank oder eines Konzerns schere und "kein soziales Gewissen" habe, "dann wählen Sie am besten die Schwarz-Türkisen oder die Blauen", empfahl Kern. "Ich kämpfe jeden Tag dafür, dass vom Aufschwung alle in diesem Land profitieren und nicht nur einige wenige."

Das Land brauche Veränderung, aber mit "Verantwortung", "Fingerspitzengefühl und "Kompetenz", meinte Kern. Die SPÖ habe einen Plan - einen solchen zu entwickeln, sei "aufwändiger als mit Schlagworten und Schlagzeilen zu provozieren", richtete er ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus. Mit dem roten Plan werde man Österreich in den nächsten zehn Jahren "zu einer modernen Vorzeigenation" machen, glaubt Kern. Darum gehe es am 15. Oktober: "Ein paar flotte Sager oder ein ernsthafter Plan." Er werde jedenfalls "nicht zulassen, dass diese Politspielchen auf Österreichs Rücken ausgetragen werden - mit Österreich spielt man nicht", betonte der Kanzler.

Kern: "Entscheidung zwischen flotten Sagern und Plan für Österreich"
ABD0104_20170803 - WIEN - ÖSTERREICH: SPÖ-Chef und BK Christian Kern im Rahmen einer Versammlung des SPÖ-Bundesparteirates am Donnerstag, 3. August 2017, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

"Nein, es wird nicht leicht"

Hatte er am Vortag noch gegenüber Journalisten behauptet, der Wahlkampf habe noch gar nicht begonnen, räumte Kern am Donnerstag ein: "Ja, es ist Wahlkampf. Und er wird noch weit intensiver werden. Wir werden für unsere Ideen rennen und die Menschen von unseren Plänen überzeugen." Von Umfragen will er sich nicht demotivieren lassen: "Ich halt's mit den Umfragen wie mit dem Horoskop, ich glaub an beide nicht. Aber ich hab' gelernt, die statistische Wahrscheinlichkeit, dass das Horoskop stimmt, ist größer."

Auch ging Kern auf Skepsis in den eigenen Reihen ein. "Nein, das wird nicht leicht, diesen Kampf zu gewinnen", glaubt auch der Parteichef - das sei es für andere im täglichen Leben aber auch nicht, befand er sinngemäß. Man könne "diesen Kampf mit reinem Herzen und mit einem Lächeln im Gesicht führen, weil wir für die richtige Sache eintreten", zeigte sich Kern überzeugt. Man kämpfe für jene, "die uns brauchen", "die zu kurz gekommen sind". Es gehe etwa um die, "die auf ihre Arbeit angewiesen sind und keine Millionen erben" oder Frauen, die noch immer nicht gleich viel verdienten wie die Männer.

Motivation für die Genossen

"Wer diesen Kampf nicht führen will, der soll es jetzt sagen", sprach Kern indirekt Quertreiber in den eigenen Reihen an. Zuletzt hatte Kern unter anderem damit zu kämpfen, dass interne Informationen oder auch das Wahlprogramm an die Medien gespielt wurden. Wer nicht mitmachen wolle, "der soll das jetzt sagen. Denn diese Menschen zählen auf uns und ich werde sie nicht enttäuschen", meinte Kern. "Ich werde kämpfen", rief der Kanzler unter tosendem Applaus. "Das ist unsere gemeinsame Auseinandersetzung", deshalb wolle er von seinen Genossen wissen: "Werdet ihr mit mir rennen? Werdet ihr mit mir für diese Menschen kämpfen?" Das Publikum antwortete mit Jubelrufen und Klatschern, vereinzelt wurden rot-weiß-rote Fähnchen geschwungen.

"Holt euch, was euch zusteht"

Gemäß dem Kampagnen-Slogan bekräftigte Kern: "Es ist an der Zeit, dass die Menschen in diesem Land bekommen, was ihnen zusteht." Die roten Funktionäre sollten die nächsten Wochen jeden einzelnen Tag dafür nützen, "eine einzige Botschaft unter die Leute zu bringen: Holt euch, was euch zusteht." Die Wahlkämpfer sollen bei Arbeitern, Studenten, Frauen, Pensionisten, Lehrlingen und Unternehmern dafür werben, bat Kern. "Geht zu allen Menschen dieses Landes, die sich so schwertun, über die Runden kommen, während andere sich die Taschen vollstopfen", gab er sich klassenkämpferisch.

Kern: "Entscheidung zwischen flotten Sagern und Plan für Österreich"
Austria's Chancellor and head of the Social Democratic Party of Austria (SPOe) Christian Kern gestures at the beginning of a party assembly in Vienna, Austria, August 3, 2017. REUTERS/Heinz-Peter Bader

Er wolle, dass in den nächsten Monaten klar werde, dass der 15. Oktober der Tag sei, "an dem sich die Österreicherinnen und Österreicher holen, was ihnen zusteht", versuchte Kern, seine Mannschaft für den Wahlkampf zu motivieren. Das waren die Genossen offenbar zumindest nach der 40-minütigen Rede, die sie mit minutenlangen Standing Ovations bedachten. Kern versicherte sogleich, dass man für 15. Oktober ohnehin schon ein "großes Partyzelt" angemietet habe.

"Verarschung durch ÖVP"

Wiens Bürgermeister Michael Häupl forderte zuvor "den Bundesminster" (gemeint war stets ÖVP-Chef Sebastian Kurz) dann auf, sich "endlich zur Innenpolitik" zu äußern. "Ich habe nie von jemanden von uns gehört, er soll die Mittelmeerroute nicht schließen. Es ist seine Hacken, er soll’s tun. Aber ich habe vom Herrn Bundesminister noch nie etwas zur Innenpolitik gehört. Was meinen Sie zur Schulpolitik? Herr Bundesminister, was meinen Sie zum Wirtschaftswachstum im Land? Ich habe noch nie gehört, was der Herr Bundesminister zu den Universitäten sagt", eröffnete Häupl seine Rede. Dass das Programm der ÖVP erst am 28. September veröffentlicht werden soll, hielt er denn auch für eine "Verarschung". Da könne man das Programm gleich schon am 16. Oktober veröffentlichen, witzelte Häupl.

Kandidatenliste wurde präsentiert

Nach Kerns Rede wurde offiziell die Bundesliste mit den Kandidaten präsentiert. Die SPÖ-Bundesliste für die Nationalratswahl am 15. Oktober wird von Kern angeführt. Hinter Kern ist mit Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner eine Quereinsteigerin gereiht, die auch im Wahlkampf eine große Rolle spielen soll. Platz drei auf der Bundesliste ist für FSG- und GPA-Chef Wolfgang Katzian vorgesehen, es folgen Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek auf Platz vier, Kulturminister Thomas Drozda auf Platz fünf, Nationalratspräsidentin Doris Bures auf Platz sechs, Klubchef Andreas Schieder auf Platz sieben, Staatssekretärin Muna Duzdar auf Platz acht, Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler auf Platz neun und die erst 29-jährige Altmünsterer Bürgermeisterin Elisabeth Feichtinger auf Platz zehn.

Cap und Herr wollen's mit Vorzugsstimmen schaffen

Bei der Nationalratswahl 2013 schafften es insgesamt sieben SPÖ-Abgeordnete über die Bundesliste ins Parlament. Josef Cap, der SPÖ-Bundesliste für den aussichtslosen 33. Listenplatz nominiert wurde, setzt daher auf einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Der ehemalige SPÖ-Klubobmann, der seit 1983 im Nationalrat sitzt, tritt für die SPÖ auf Platz zwei im Wahlkreis Wien Nord-West in den Bezirken Ottakring, Hernals, Währing und Döbling an. Auch SJ-Vorsitzende Julia Herr (16. Listenplatz) will den Einzug in den Nationalrat durch einen Vorzugsstimmenwahlkampf schaffen.

Von Erbschaftssteuer bis Mindestlohn

Nach dem Beschluss der Bundesliste wird Klubobmann Andreas Schieder das Wahlprogramm vorstellen. Während sich die ÖVP bis September Zeit lassen will, um Inhalte zu präsentieren, versucht die SPÖ mit einem auf 200 Seiten erweiterten "Plan A", den Kern bereits im Jänner vorgestellt hatte, beim Wahlvolk zu punkten. Ins Wahlprogramm aufgenommen wurden die bereits vom Vorstand abgesegneten sieben Koalitionsbedingungen - vom steuerfreien 1.500-Euro-Mindestlohn bis zur Erbschaftssteuer ab einer Million Euro.

Dazu kommen einige neue Kapitel: So beschäftigt man sich etwa mit der EU ("Neuropa!"), leistbarem Wohnraum ("Wohnst du schon?"), Sport ("Wir geben keine Ruhe"), Investitionen im ländlichen Raum ("Bleib felix, Austria") und Kunst und Kultur ("Gute Kulturpolitik ist keine Kunst").

SPÖ setzt voll auf Pensionen

Anfang der Woche hatte die SPÖ bereits einen ihrer traditionellen Wahlkampfschlager ausgepackt, nämlich die Pensionen. Versprochen wurden Verbesserungen für Mindestpensionisten, ein weiterer Abbau von Pensionsprivilegien und ein gesetzlicher Schutz der Gutschriften auf dem Pensionskonto.

In der Frauenpolitik setzen die Sozialdemokraten auf das Thema Teilzeitarbeit. Mehrarbeit soll so wie eine Überstunde mit einem Zuschlag von 50 Prozent abgegolten werden. Außerdem wird ein Rechtsanspruch für den Wechsel auf Vollzeit gefordert, sofern im Betrieb Stunden frei werden.

Nach den Schlussworten des Kanzlers soll übrigens bei einem gemeinsamen Public Viewing dem Schlusspfiff beim EM-Halbfinale der österreichischen Kickerinnen entgegengefiebert werden.

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