Keine Not für die Notverordnung: Gleichzeitig neue Asyl-Warnungen

Für Flüchtlinge verantwortlich: Verteidigungsminister Doskozil, Innenminister Sobotka
Weniger Flüchtlinge, keine Notverordnung: Wann der nächste Andrang kommt, ist derzeit unklar.

Vor einem Monat endete die Begutachtungsfrist für die Flüchtlings-Notverordnung. 59 teils sehr kritische Stellungnahmen trudelten im Innenministerium ein – bis hin zum Ausspruch von der "menschenrechtlichen Bankrotterklärung" von Amnesty-Chef Heinz Patzelt.

Danach wurde es ruhig um die umstrittene Verordnung. Sie ermöglicht die rigorose Grenzschließung im Fall eines neuen Flüchtlingsandrangs – freilich müsste sie dafür auch erlassen werden. Mittlerweile ist November – und die Notverordnung, die sich an der Obergrenze von 37.500 neuen Asylverfahren im Jahr 2016 orientiert, gibt es noch immer nicht.

Am Donnerstag tagten erneut Beamte aus mehreren Ministerien zur heiklen Causa. Von einem konstruktiven Gespräch ist die Rede und – kaum überraschend – von einer überaus komplexen Materie.

Insider vermuten neuen Streit in der Koalition um die Notwendigkeit einer Notverordnung ohne Notstand im Land – und hinhaltenden Widerstand aus der SPÖ. Bestätigt wird das freilich nicht. Ein Eingeweihter aus der ÖVP sagt aber: "Die Situation ist fast schon so verfahren wie bei der Mindestsicherung."

Eine zweite Erklärung lautet, sobald Regierung und Parlament die Verordnung beschließen, gilt sie auch sofort. Dann müsste umgehend ein Grenzmanagement wie seinerzeit in Spielfeld in Kraft gesetzt werden, ohne dass man ein solches angesichts gesunkener Flüchtlingszahlen benötigen würde. "Da würde man Kosten verursachen für etwas, das man derzeit gar nicht braucht. Also lässt man die Verordnung, sobald sie fertig ausformuliert ist, momentan lieber in der Schublade", sagt ein Insider aus der SPÖ.

77.000 unterwegs?

Hintergrund ist: Im Frühjahr wurde die Balkanroute geschlossen. Seitdem sind die Asylwerberzahlen deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig häufen sich aber Warnungen vor einer neuen Flüchtlingswelle. So kamen im Oktober über das Mittelmeer mehr Flüchtlinge in Italien an als in den vergangenen fünf Jahren, heißt es im Verteidigungsressort. Auch sollen über Bulgarien mehr Flüchtlinge ins Land kommen, als offiziell verlautbart. Minister Hans Peter Doskozil will daher beim Grenzschutz Gas geben, auch in Nachbarländern mit Unterstützung Österreichs.

Irritiert hat ein Bericht der deutschen Bild, wonach derzeit 77.000 Flüchtlinge irgendwo auf der Balkanroute unterwegs seien. Das Innenministerium kennt diese Zahl nicht. Es sei auch "völlig unseriös" zu sagen, dass alle Flüchtlinge zwischen Griechenland und Serbien irgendwann – quasi automatisch – in Österreich oder Deutschland landen würden.

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