Junge Wähler wollen Grüne oder Neos in der Regierung

Junge Wähler wollen Grüne oder Neos in der Regierung
Relative Mehrheit will Rot-Schwarz, auffällig niedrig ist die Zustimmung zu einer Regierungsbeteiligung der FP.

SPÖ und ÖVP erreichten bei der Wahl vor einer Woche das jeweils schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Dennoch ist die Fortsetzung einer großen Koalition wahrscheinlich: „Und eine relative Mehrheit von 32 Prozent, das sind immerhin ein Drittel der Befragten, wollen künftig wieder diese rot-schwarze Regierung haben. Die Zustimmung kommt fast zur Gänze aus dem Lager der roten und schwarzen Wähler“, analysiert OGM-Chef Wolfgang Bachmayer eine aktuelle Umfrage im Auftrag des KURIER.

„Auffällig dabei ist, dass vor allem die Generation 50+ diese Regierungsform bevorzugt. Das sind zu einem wesentlichen Teil die Pensionisten, die Hauptwählergruppen vor allem der SPÖ aber auch von der ÖVP. Von allen anderen Koalitionsvarianten befürchten die Pensionisten Einschnitte bei ihren Pensionen.“

Generationenunterschied

Völlig konträr dazu beurteilen die jungen Wähler unter 30 Jahren die Situation: „Die wollen – zusammengerechnet ebenfalls mit 43 Prozent – die Grünen oder die Neos in einer Regierung, gemeinsam mit der SPÖ und der ÖVP, sehen. Das sind schon eklatant unterschiedliche Sichtweisen zwischen der älteren und der jüngeren Generation“, sagt Bachmayer.

Vor allem die mit 15 Prozent hohe Zustimmung einer Regierungsbeteiligung der Neos sei überraschend: „Diese Option wird nicht nur von den Neos-Wählern gutgeheißen.“

Für den Meinungsforscher auffällig niedrig ist die Zustimmung zu einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei, wie sie in den vergangenen Tagen immer wieder im Gespräch war. Vor allem Frauen könnten einer blauen Regierungsbeteiligung kaum etwas abgewinnen. „Und in der Gesamtbevölkerung hat eine schwarz-blaue Koalition gemeinsam mit Stronach mit nur neun Prozent den niedrigsten Wert. Nur unwesentlich mehr Unterstützung hätte derzeit eine rot-blaue Regierung.“

Junge Wähler wollen Grüne oder Neos in der Regierung

Die detaillierten Ergebnisse der Nationalratswahl finden Sie hier.

Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Obmann Michael Häupl hält nichts von Spekulationen über eine rot-blaue Regierungszusammenarbeit, sondern sieht den Gang in die Opposition als einzige Möglichkeit, sollte keine Koalition mit der ÖVP möglich sein. Das sagte er am Samstag im Ö1-Mittagsjournal. Und die Opposition sei "reale Alternative", denn "die SPÖ ist nicht erpressbar", so Häupl Richtung ÖVP.

"Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder man kann ordentlich miteinander reden und ein ordentliches Programm ausarbeiten oder die ÖVP macht was Anderes", nämlich eine Koalition mit FPÖ und Stronach. Die SPÖ wolle "selbstverständlich verantwortlich regieren, aber nicht um jeden Preis". Die Opposition sei deshalb "reale Alternative", wenn "man uns dort hindrängt, wie 2000", so der stellvertretende Bundes-Parteivorsitzende.

Eine "Frage des Anstands"

Jüngste Wortmeldungen aus roten Reihen für Gespräche mit der FPÖ tat er ab. "Mit der FPÖ keine Koalition einzugehen, ist nicht nur eine Frage des Inhalts, sondern auch eine Frage des Anstands." Kein einziger namhafter Spitzengewerkschafter denke das an. Einige andere könnten sich wohl nicht mehr an einen entsprechenden Grundsatzbeschluss der Partei gegen eine Koalition mit der FPÖ erinnern. Dieser sei einstimmig erfolgt, und "ich halte mich an diesen Beschluss, nicht nur aus Disziplin, sondern auch aus Überzeugung".

Die renommierte internationale Nachrichtenagentur Bloomberg widmet dem FPÖ-Wahlergebnis die Schlagzeile: „Warum sich die Faschisten in Österreich leichter tun als in Griechenland“ – illustriert mit dem Bild der Verhaftung des Parteichefs der ultrarechten „Goldene Morgenröte“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein hanebüchen gewagter Vergleich, der zu Recht Empörung auslöst.

Die Hamburger Zeit wirbt überraschend vehement für „Rot-Blau“. Beide Parteien kämpften mit den gleichen Themen um dieselben Wähler, so das liberale Blatt. Beide pflegten „ähnliche Feindbilder: Banken, Millionäre, Spekulanten“. Das Wahlergebnis sei ein Auftrag an Werner Faymann, „den blauen Parteiführer zu domestizieren“. In der SPÖ fordern nach dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten nicht nur Hinterbänkler, die Bannmeile gegenüber den Blauen zu durchbrechen.

Strache bald ein Fall für den Richter oder für die Resozialisierung am Regierungstisch? Selten hat ein Wahlergebnis national und europaweit derart polarisiert.

Was ist passiert? Die FPÖ hat erstmals wieder die 20 Prozent knapp übersprungen. In ihrer Hochburg Wien mit einem Plus von 0,13 Prozent; österreichweit mit knapp drei Prozent mehr. Noch in der Wahlnacht rechnete etwa Spiegel online das blaue Wahlergebnis inklusive der Stimmen fürs BZÖ und Stronach zu einem dramatischen „Rechtsruck“ von 30 Prozent hoch.

Buhlen um die blauen Wähler

Eine nüchterne Betrachtung ergibt eine andere Rechnung: Fast eine halbe Million Wähler ging diesmal nicht zum Schmied Strache, sondern zu den Schmiedls Stronach und Bucher. Sie fischten zwar im gleichen Wählerteich; Bucher und Stronach aber ohne jede Ausländerhetze, auch nicht perfide als „Nächstenliebe“ verkleidet.

Diese 30 Prozent eint nur, dass sie ihre tiefe Abneigung gegen die EU ventiliert haben. Das ist kein Grund, zur Tagesordnung überzugehen, aber auch keiner für Faschismus-Alarm nach Athener Muster. Hier rächt sich die Ignoranz gegenüber der wachsenden Anti-Euro-Stimmung. Das ist ein Auftrag, mit noch mehr Herz und Hirn für das Jahrhundertprojekt Europa zu werben. Ein Auftrag, mit Blau zu regieren, ist das nicht.

Die wahre Sensation der Wahl geht in der Rechtsruck-Hysterie unter. Mit den pinken Neos gibt es erstmals zwei Parteien, die auch aus der Opposition heraus nicht auf plumpe Nein-Sagerei setzen. Die Parteienlandschaft ist inklusive der gestärkten Grünen so in der Mitte breiter geworden. Das lässt hoffen, dass das Land doch lernfähig ist.

Das Buhlen um Strache bleibt vergebliche Liebesmüh. Er denkt nicht daran, den Steigbügelhalter für Schwarz oder Rot zu machen. Er lauert vielmehr darauf, beim nächsten Mal als Nr. 1 das Spiel selber zu bestimmen.

Was lohnt, ist das Buhlen um das neue Heer der Protestwähler, das weit über die Blauen hinausgeht. Dafür braucht es eine Allianz aller konstruktiven Kräfte – ob innerhalb oder außerhalb der Regierung ist sekundär.

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