Jetzt wird nur noch scharf geschossen

APA10894266 - 08012013 - WIEN - ÖSTERREICH: ORF-Diskussion "Bürgerforum" zum Thema "Wehrpflicht oder Berufsheer - Zivildienst oder Sozialjahr?" am Dienstag, 08. Jänner 2013, im ORF Zentrum in Wien. Im Bild: Bundeskanzler Werner Faymann. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
SP-Kanzler und VP-Vizekanzler lieferten sich in Oberösterreich ein hartes Fernduell

In elf Tagen findet die Volksbefragung über die Wehrpflicht statt – und die Fieberkurve steigt. Bis zu einer Million Zuseher hatte das „Bürgerforum“ des ORF am Dienstagabend – ein Spitzenwert. Durchschnittlich verfolgten 869.000 Menschen die Debatte über die Wehrpflicht – damit ist es das meistgesehene „Bürgerforum“ aller Zeiten. Gestern Abend verlagerte sich der Schauplatz der Auseinandersetzung vom Wiener Küniglberg nach Oberösterreich. Auf Parteiveranstaltungen in Wels und Linz lieferten sich Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger ein Fernduell über die Wehrpflicht. War der Ton zwischen den Koalitionspartnern schon am Dienstag hart gewesen, nahm er gestern noch einmal an Schärfe zu. Beide Seiten versuchen, ihre Anhänger zum Abstimmen zu motivieren. Derzeit glauben Meinungsforscher, nur 30 Prozent der Stimmberechtigten werden hingehen.

Faymann: „Die ÖVP soll endlich ihr Konzept vorlegen“

In Wahlkampfzeiten suchen Parteiobere die Nähe ihrer Fußtruppen. Sie brauchen die Funktionäre – zur Mobilisierung der eigenen Klientel. Besonders jetzt, vor der Volksbefragung. Zum Leidwesen der SPÖ-Spitze wollen auch viele Rot-Anhänger von der Wehrpflicht nicht lassen. Die gilt es, bis zum 20. Jänner „umzudrehen“. Und so schwor Frontmann Werner Faymann gestern Abend 400 oberösterreichische Funktionäre in der Welser Stadthalle auf seine Linie ein: Berufsheer und ein freiwilliges, bezahltes Sozialjahr. Mit Verve argumentierte er für beides.

„Mut zur Veränderung“

„Für die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen brauchen wir Profis. Dafür haben sich 21 Länder in der EU entschieden – weil es richtig ist. Auch wir brauchen das Beste für unser Land. Wir sollten den Mut haben, diese Veränderung zuzulassen“, rief Faymann den Parteifreunden zu. Und er benannte System-Schwächen: „Nach sechs Monaten ist die Wehrpflicht vorbei. Selbst wenn im Bundesheer bis dorthin die jungen Menschen bestens ausgebildet werden – sie kommen nicht wieder. Das gibt es in keinem Betrieb, in keinem Krankenhaus, bei keiner Rettung: Die Leute ausbilden – und nach der Ausbildung heimschicken.“

Den Koalitionspartner attackierte Faymann: „Die ÖVP soll endlich ihr Konzept vorlegen. Dazu fehlt ihr aber sichtlich der Mut.“

Der Kanzler hatte einen Helfer, Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl. Der muckt immer wieder gegen die Bundespartei auf; in der Wehrfrage steht er aber hinter ihr. Gestern schoss er verbal scharf gegen die Schwarzen, die zeitgleich in Linz – ebenfalls in Sachen Wehrpflicht – tagten.

„Drückeberger“

Er frage sich, warum ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch bei dieser Zusammenkunft sei. „Vorm Bundesheer hat er sich ja auch gedrückt“, befand Ackerl. Diese Woche war ja bekannt geworden, dass Rauch nicht gedient hatte, weil er untauglich war – wegen eines Knieschadens.

Ackerl kampflustig: „Michael Spindelegger und er sind glühend dafür, dass junge Menschen Pflichten für das Vaterland erfüllen.Wann erfüllt Herr Rauch diese Pflicht? Oder wann trennt sich Spindelegger von diesem Generalsekretär?“ Auch den Wehrersatzdienst thematisierte Ackerl: „Noch heute werden junge Männer auf Verlangen der ÖVP mit einem drei Monate längeren Zivildienst bestraft.“ Böser Nachsatz, in dem er auf die einstige körperliche Beschwerde des jetzigen ÖVP-Generals anspielte: „Nicht einmal diesen Zivildienst hat Herr Rauch geleistet, obwohl man im Zivildienst nicht knien muss.“

Spindelegger nennt Sozialjahr „Riesengehalt auf Schulden“

Die Sprache wird rauer, die Angriffe heftiger. „Die SPÖ und Zahlen – das ist noch nie gut gegangen. Dafür muss man nur nach Salzburg schauen“, sagte Vizekanzler Michael Spindelegger gestern in Linz beim Neujahrsauftakt der ÖVP.

Die Auseinandersetzung über die Wehrpflicht entpuppt sich immer mehr als vorgezogener Wahlkampf. Die „Voodoo-Zahlen“ der SPÖ bezieht Spindelegger auf Berechnungen von Verteidigungsminister Norbert Darabos, wonach eine Berufsarmee nicht mehr koste als das jetzige Wehrpflichtigen-System. Ein Berufsheer sei „eine hoch bezahlte Söldnertruppe“, die für einen Friedensdienst im Ausland „nicht glaubhaft“ sei, meint Spindelegger. Im Gegensatz dazu sei „das Bundesheer unseres neutralen Österreich weltweit für Friedensmissionen gesucht“.

„Sozialindustrie“

Vor den Hunderten ÖVP-Funktionären, die sich zum Neujahrsauftakt angesagt hatten, schilderte Spindelegger die Vorteile der Wehrpflicht im Katastropheneinsatz: „Ihr kennt das aus Steyr, wo unsere Grundwehrdiener immer wieder gegen Hochwasser kämpfen. Muren in der Steiermark, Starkregen-Katastrophen in Kärnten haben wir heuer schon erlebt. Lawinen, die ganze Täler abschneiden. Wie würden die betroffenen Menschen solche Tragödien ohne den Einsatz von Grundwehrdienern überstehen?“

Auch das Sozialwesen würde ohne die 14.000 Zivildiener „nicht funktionieren“. Und dann wieder ein Frontalangriff auf die SPÖ: „Und das alles soll fallen? Das sollen wir eintauschen gegen ein Sozialjahr, das zwar freiwillig genannt, aber mit Riesengehalt auf neue Staatsschulden erkauft wird.“ Anstatt das Ehrenamt zu stärken, würde man eine „neue Kaste“ von „hoch bezahlten sogenannten Freiwilligen“ einführen, denen man „jeden Handgriff teuer abgelten“ müsse. Spindelegger: „Diese Sozialindustrie der Sozialisten wollen wir nicht.“ Die SPÖ hat im Sozialjahr 1400 € Monatsgehalt vorgesehen.

Der ÖVP-Chef warnte seine Funktionäre davor, sich nicht auf die guten Umfragen zugunsten der Wehrpflicht zu verlassen. „Die Umfragen nützen nichts, wenn die Menschen nicht zur Volksbefragung gehen. Motiviert eure Mitbürger, bringt sie an die Urnen.“

„Jahr der ÖVP

Zum Superwahljahr sagte Spindelegger: „2013 wird das Jahr der ÖVP.“ Die FPÖ sei „zukunftsverweigernd“, die Grünen würden in einer „Scheinwelt der Gutmenschen“ leben. Das BZÖ habe seine Zukunft hinter sich und flüchte sich „in den Schlepptau eines 80-Jährigen“. Die SPÖ sei für Gleichmacherei.

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