Ist jetzt Schluss mit dem bequemen Leben?

Die Mobilität in Städten befindet sich im Wandel.
Will mir die Regierung jetzt mein Auto wegnehmen? Und müssen wir für die Klimaziele auf bisher Alltägliches verzichten?

Die Euphorie über einen weltweiten Klimavertrag, der vergangene Woche in Paris von 197 Staaten besiegelt wurde, war groß. Die Menschheit bekommt noch eine Chance, so der Tenor von Politikern und Umweltschützern – wenn tatsächlich Klima relevante Reformen in allen Staaten rasch starten.

Doch was wird sich wirklich ändern? Ist das Klima jetzt gerettet? Und wird sich unser Leben ändern (müssen)? Der KURIER beantwortet drängende Fragen.

Klimavertrag von Paris? Was soll das sein?
Bei der 21. Klimakonferenz der UNO in Paris einigten sich die Vertreter von 197 Staaten erstmals auf ein rechtlich verbindliches Abkommen mit dem Ziel, die durch den Menschen verursachte Erderwärmung bis Ende dieses Jahrhunderts auf maximal 2° Celsius zu begrenzen – wenn möglich auf 1,5 °C. Um das zu erreichen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen, allen voran CO2, aus fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas oder Kohle, bis Mitte des Jahrhunderts vollständig verhindert werden.

Heißt das, die Regierung will mir mein Auto jetzt wegnehmen?
Nein. Aber die Regierung will, dass künftig immer weniger Pkw und Lkw mit Benzin oder Diesel betrieben werden, um die nationalen Klimaziele einzuhalten. Mobilität wird in Zukunft also anders aussehen müssen.

Was ist schlecht an Benzin- oder Dieselmotoren?
70 Prozent der Energie, die ein Verbrennungsmotor erzeugt, verpuffen sinnlos als Wärme über die Motorkühlung. Der weitaus kleinere Teil wird in Bewegungsenergie umgewandelt. Der Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors ist also gering. Ein Liter Benzin verbrennt zudem zu 2,3 Kilogramm CO2, beim Diesel sogar zu 2,6 Kilogramm CO2.

Was soll das konkret heißen, Mobilität wird in Zukunft anders aussehen?
Mobilität ist ein Grundbedürfnis, daran besteht kein Zweifel. Aber die Verkehrs-Statistiker sehen bereits Änderungen im "modal split", also bei der Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel: Ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit den Öffis und der Bahn oder mit dem Auto. In Wien ist der Pkw-Verkehr messbar zurückgegangen. Das Auto ist für viele junge Menschen nicht mehr wichtig, auch die Zahl der Fahrschüler im ländlichen Bereich ist im Sinken. Diese Änderungen können natürlich nur stattfinden, wenn ein entsprechendes Alternativ-Angebot zum Pkw vorhanden ist. Und wichtig, sagen die Experten, sei die Raumplanung, also wie der verfügbare Lebensraum genutzt und verwaltet wird. Bei großen Bauprojekten wie der Seestadt Aspern ging man in diese Richtung, mit Anbindung an die U-Bahn und der Möglichkeit, vor Ort einkaufen zu können.

Mein Arbeitsplatz ist aber weit von meiner Wohnung entfernt, und eine öffentliche Verkehrsanbindung gibt es eigentlich nicht. Was nun?
Das ist eine zentrale Frage, auf die es noch keine guten Antworten gibt. Österreich ist stark zersiedelt. Eine rasche Lösung wird es da nicht geben, es braucht neue Ideen. Schon jetzt ermöglichen manche Dienstgeber tageweises Arbeiten daheim (home office). Auch Konferenzen werden immer öfter zu rein virtuellen Veranstaltungen – kommuniziert wird dann über Videotelefonie.

Der Verkehr ist ja nur ein Teil des CO2-Problems, wer verursacht noch Treibhausgase in Österreich?
Größter Verursacher waren 2013 die Sektoren Energie und Industrie (45,6 %), Verkehr (28 %), Gebäude (10,5 %) und Landwirtschaft (9,7 %); der Rest kommt von der Abfallwirtschaft (3,8 %) und von Fluor-Industrie-Gasen (2,6 %). In Summe waren das 2013 rund 79,6 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen.

Wo verursache ich persönlich Treibhausgase?
Neben dem Verkehr vor allem bei Heizung und Warmwasser, über die Produkte, die ich kaufe (CO2-intensive Produktion? Lange Transportwege oder lokal produziert?), über den Abfall, den ich produziere. Und nicht zu vergessen das Reisen. Ein Flug von Wien nach Mallorca und zurück verursacht rund eine halbe Tonne CO2 pro Person.

Also ist jetzt Schluss mit dem schönen Leben?
CO2 muss einen gerechten Preis bekommen, sagt auch Umweltminister Andrä Rupprechter. Damit würden mittel- bis langfristig manches teurer, das einen großen ökologischen Fußabdruck hat. Und noch sind Elektro-Autos oder ein perfekt thermisch saniertes Haus deutlich teurer zu bauen, und eine Öl- oder Gasheizung billiger als jene mit alternativen Energien. Gerade deshalb braucht es eine nationale Energie-Strategie, weil der Staat ein Interesse hat (und nun auch eine internationale Verpflichtung eingegangen ist), seine Volkswirtschaft zu "de-karbonisieren", also aus den fossilen, kohlenstoffhältigen Energieträgern auszusteigen.

Also wird es in Zukunft unbequemer werden?
Unser Leben hat vor fünfzig Jahren anders ausgesehen, und wird in fünfzig Jahren anders sein. Mehr Energieeffizienz bedeutet nicht, dass alles unbequemer wird. E-Autos sind viel leiser, und bieten trotzdem Fahrspaß (Die sündteuren Tesla-E-Autos beschleunigen in 3,4 Sekunden auf Tempo 100). Ein perfekt gedämmtes Haus verursacht keine Heizkosten.

Und woher soll der Strom für all das kommen?
Das größte Potenzial liegt derzeit beim Stromsparen. Wesentlich bleibt ein Ausbau aller Erneuerbaren Energien, Wasser, Wind, Solar, Fotovoltaik, Geothermie, Bioenergie – und es braucht technologische Sprünge.

Aber nutzen diese Maßnahmen dem Klima überhaupt noch, oder ist es nicht ohnehin viel zu spät?
Der Klimawandel ist im Gang, er soll begrenzt werden. Das 2°C-Ziel ist angepeilt, was nicht heißt, dass die Erde bei nur 1,9°C gerettet oder bei 2,1°C Erwärmung verloren ist.

Im Umweltministerium ist man bemüht, am Momentum von Paris festzuhalten und "durchzustarten". Etwa an jenem Vorschlag von Wirtschaftsforscher Karl Aiginger, der Staat möge seine Fuhrparks nur mehr mit Fahrzeugen mit Elektro- oder Wasserstoffmotoren bestücken. Die deutsche BMW-Group, die bisher die Limousinen für die Bundesregierung lieferte, könne bereits "auf Wunsch reine Elektrofahrzeuge und Hybridmodelle in allen relevanten Fahrzeugklassen" liefern, wurde dem KURIER bestätigt.

Ist jetzt Schluss mit dem bequemen Leben?
epa04109004 Steam rises from the lignite power plant Neurath II near residential houses of Rommerskirchen, Germany, 04 March 2014. German electric utilities company RWE AG hardly makes any money any more with its fossile fuel power plants and has therefore recorded heavy losses for the first time since the post-war period. EPA/OLIVER BERG
Die Arbeitsgruppe für eine neue Energie- und Mobilitätsstrategie habe ihre Arbeit bereits aufgenommen, ist zu erfahren. Experten des Umweltministeriums und des Wirtschaftsministeriums sollen in den nächsten Monaten ein "Grünbuch" erstellen, wie Österreichs Strategien aussehen könnte. Gemeinsam mit Infrastrukturministerium, den relevanten Akteuren wie der Energie- und der Bauwirtschaft, aber auch alle anderen energieintensiven Branchen soll dann ein "Weißbuch" entstehen, dass spätestens im Dezember 2016 präsentiert werden soll.

Rasche erste Maßnahmen seien keine geplant, auch ein Verbot von Öl- oder Gasheizungen, wie das Dänemark bereits gesetzlich fixiert hat, komme vorerst nicht.

Im Februar werden die Umweltlandesräte über konkrete Maßnahmen beraten, wie etwa im Wohnbau, bei der Raumplanung oder bei den Förderungen klimafreundliche Regelungen gesetzt werden können.

Spannend ist, was das Pariser Abkommen im Wirtschaftsbereich weltweit ausgelöst hat. "Divestment", das Gegenteil von Investment, macht sich bei Aktien von Unternehmen im fossilen Energiebereich stark bemerkbar.

OMV weiter fossil

Die OMV setzt allerdings weiter auf Öl und Gas. Laut einem profil-Interview erklärt OMV-Generaldirektor Rainer Seele, er sei der Meinung, dass "ein Ausstieg aus Öl und Gas bis 2050 nicht möglich" sei. Dass die Welt völlig aus fossilen Energien aussteige, werde "ich als OMV-Chef nicht erleben".

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