Sabine Oberhauser: "Fehler im Spital offenlegen"

Gesundeheitsministerin Sabine Oberhauser: „Patient muss wissen, was ihn im Krankenhaus erwartet“
Erste Pläne: Gesundheitsministerin Oberhauser für Spezialisierung in Spitälern und Rauchverbot in Lokalen.

In anderen Ländern ist es durchaus üblich zu erfahren, in welchem Krankenhaus wie viele Eingriffe gemacht werden, oder wie oft es Komplikationen gab. Sollten solche Daten auch bei uns veröffentlicht werden?

Sabine Oberhauser: Da geht es um die Frage der Qualitätssicherung. Ich glaube, das ist ein seit Langem diskutierter Prozess, auch mit der Ärztekammer, zum Beispiel Fehlerquoten und Ähnliches zu veröffentlichen. Die grundsätzliche Frage, ob solche Daten transparent gemacht werden sollen, ist sicher etwas, worüber wir diskutieren sollten. Weil der Patient muss sich erwarten können, dass er, wenn er in ein Spital geht, weiß, was ihn erwartet, wie oft dort eine spezielle Behandlung durchgeführt wird, und wie oft es Komplikationen gab. Diese Qualitätssicherung kann man voran treiben.

Ist das nicht ein grundsätzliches Problem? Wenn in Österreich jedes Krankenhaus jede Behandlung anbietet, kann doch niemand wirklich gut werden.

Speziell im ländlichen Bereich sollte man eine Grundversorgung für die Patienten in jedem Krankenhaus anbieten. Bestimmte Leistungen sollten aber in speziellen Krankenhäusern erbracht werden, weil sie dann dort auch öfter und damit besser gemacht werden. Wenn man etwa an eine Hüftoperation denkt, dann gibt es die in größeren Abteilungen sicher öfter als in einem kleinen Krankenhaus am Land.

Mehrere Krankenhäuser in unmittelbarerer Nachbarschaft, auch wenn Landesgrenzen dazwischen sind, soll es also nicht mehr geben?

Auch da braucht es eine vernünftige Steuerung. Es ist wichtig, dass Menschen, wenn sie erkranken, in ein Spital in zumutbarer Entfernung gehen können. Dennoch gehört die Planung auch über die Ländergrenzen hinweg. Auch das ist eine Frage der regionalen Gesundheitsplanung.

Eine Mammutaufgabe?

Sicher, aber lohnenswert. Man muss ja die Spitäler nicht schließen, man kann sie umbauen, etwa in eine Praxisgemeinschaft oder in ein Pflegewohnhaus. So werden der Standort und die Arbeitsplätze erhalten.

Andererseits gibt es Regionen, die dringend Fachärzte suchen.

Sabine Oberhauser: "Fehler im Spital offenlegen"
APA20079060-2_01092014 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) Der neue BM im Infrastrukturministerium Alois Stöger (SPÖ) und die neue Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) am Montag, 1. September 2014, anl. der Amtsübergabe im BMG in Wien. FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Die Frage ist, ob man zum Beispiel durch den fliegenden Augenarzt aushelfen könnte. Dass man einen Facharzt-Vertrag nicht an einen Arzt, sondern an eine Region bindet. Der Arzt bereist dann mehrere ausgestattete Ordinationen. Da muss man klären, ob so etwas möglich wäre oder nicht.

Zum Rauchen: Sie sind für ein totales Rauchverbot in Lokalen?

Ja, da werde ich das Gespräch mit der Wirtschaft suchen. Ich glaube, es ist uns allen klar, dass es so, wie es ist, nicht bleiben kann. Wir haben eine Verantwortung für die Menschen, die in den Betrieben arbeiten. Wenn man ins europäischen Umland schaut, wird klar, dass der österreichische Weg ein Ablaufdatum hat.

Bis wann soll das passieren?

Je früher, umso lieber. Minister Stöger hat von fünf Jahren gesprochen. Alles, was früher ist, ist gut. Alles, was später und trotzdem fixiert ist, nehm’ ich auch.

Sie kommen aus der Gewerkschaft, die massiv auf eine Steuerreform drängt. Sie würden aber auch eine Steuerreform ohne Vermögenssteuer akzeptieren?

Ja, wenn das Ergebnis stimmt – eine spürbare Entlastung der Menschen. Wie das konkret aussieht – etwa eine Erbschaft- und Schenkungssteuer, aber keine Vermögenssteuer – soll mir auch recht sein. Es muss einfach mehr Geld im Börsel bleiben.

Finanzminister Schelling ist selber Millionär. Werden damit die Verhandlungen schwieriger oder leichter?

Es gibt ja einige Millionäre, die bereits gesagt haben, sie könnten sich vorstellen, einen Beitrag zu leisten. Ob das der Schelling auch sagt, weiß ich noch nicht.

Sabine Oberhauser ist eine außergewöhnliche Politikerin. Sie hat einen Beruf mit hohem Sozialprestige – Ärztin – gegen einen mit niedrigem Sozialprestige – Politikerin – getauscht. Sie hat Erfahrungen in der realen Berufswelt gesammelt und ihre Bodenhaftung in den Politiker-Job mitgenommen. Die bisherige ÖGB-Vizechefin weiß, wovon sie spricht, wenn sie – wie zuletzt bei den Regierungsverhandlungen – etwa gegen die vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters ankämpft. Nun wurde sie zur Gesundheitsministerin ernannt.

Sabine Oberhauser war Spitalsärztin auf der Frühgeborenen-Station im Rudolfinerhaus. 32-Stunden-Dienste, durchwachte Nächte, unruhiger Schlaf zwischen Einsätzen am Krankenbett. „Ich war oft völlig orientierungslos, wenn ich aufgewacht bin, wusste nicht, ob ich zu Hause oder im Spital bin.“ Einmal hat sie sogar vergessen, sich umzuziehen, und ist im Spitalsgewand mit noch blutigen Händen nach Hause gefahren.

Nachtdienste zehren

Sabine Oberhauser: "Fehler im Spital offenlegen"
Interview mit Sabine Oberhauser in der ÖGB-Zentrale in Wien am 19.12.2013.
Dabei war sie damals jung und hat Nachtdienste noch viel leichter weggesteckt. Zudem war der Zeitdruck geringer als heute. „Damals haben wir, wenn wir eine schöne Geburt hatten, mit einer Pizza gefeiert. Heute geht das nicht mehr, das Arbeitspensum, das abverlangt wird, lässt das nicht mehr zu“, meint sie.

Eine „schöne Geburt“ nannten die Ärztinnen eine komplizierte Geburt, die glücklich verlief. In den „Gott sei Dank seltenen“ Fällen, wenn ein Frühgeborenes starb, haben sich die Ärztinnen gegenseitig geholfen: „Wir haben darüber geredet und geredet und geredet.“

Als Oberhauser vor fünfzehn Jahren den Arztberuf aufgab und in die Politik ging, war ihre Mutter „entsetzt“. Die Eltern hatten das Medizinstudium der Tochter nur mit Mühe finanziert. Oberhauser: „Ich habe der Mutter gesagt, der Politiker-Beruf sei besser vereinbar mit der Erziehung meiner damals acht- und elfjährigen Töchter, weil die Nachtdienste wegfallen. Darüber lachen Mama und ich heute noch – als Politikerin bin ich noch viel weniger zu Hause, nämlich so gut wie nie.“

Aus für "Rabenmutter"

Heute wünscht sich die ÖGB-Frauenchefin und SPÖ-Abgeordnete manchmal wieder „ein geregeltes Leben wie im Spital.“ Aus den Kindern ist trotz der Absenzen der Mutter etwas geworden, Sophie (26) ist Volkswirtin, Franziska (23) Betriebswirtin.

Bis 2024, wenn das Frauenpensionsalter nach derzeitiger Rechtslage zu steigen beginnt, will die bisherige ÖGB-Frauenchefin noch einiges verwirklicht sehen. Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen müsse sich weiter schließen. Die Familienarbeit müsse noch besser zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden. Es müsse gesellschaftlich akzeptiert werden, dass Kinder früh in den Kindergarten gehen, der Begriff der „Rabenmutter“ solle tunlichst aus dem Wortschatz verschwinden. Dazu müsse in die Qualität der Kindergärten investiert werden, die Kindergruppen müssten kleiner, das Betreuungspersonal aufgestockt werden.

Kommentare