Höhlenmenschen- Sager laut Kurz "einfach dumm"

Streitgespräch zwischen Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP)
Minister Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache diskutierten über Integration und Islam.

Angespannte Atmosphäre bei der ersten Konfrontation zwischen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Noch nie setzten sich die beiden für ein Printmedium an einen Tisch, um über Islam und Integration zu diskutieren. Der FPÖ-Chef wich dem Augenkontakt mit Kurz anfangs aus. Strache gab Kontra, blickte dabei stets in Richtung der Diskussionsleiterin. Taktik oder Verunsicherung? Kurz ließ sich nicht beirren, zeigte emotional die Unterschiede zwischen seinem Verständnis von Integration und dem der Blauen auf.

KURIER: Herr Strache, Ihre Erfolgsbilanz der letzten Tage liest sich mäßig: Nur 250 Demonstranten vor der Imam-Schule, etwa 350 bei der Demo in Traiskirchen. Dazu kommt der Absturz im OGM-Vertrauensindex auf den letzten Platz. Minister Sebastian Kurz hingegen rangiert auf Platz zwei beim Vertrauensindex. Seine Kampagne #stolzdrauf läuft erfolgreich. Zieht die Ausländerpolitik der FPÖ nicht mehr?

Heinz-Christian Strache: Es ist interessant, wie man versucht, erfolgreiche Veranstaltungen anders darzustellen und bewusst hinunterzutragen. Bei der Demonstration in Simmering waren über Tausend Menschen. Detto waren es über eintausend in Traiskirchen. Das sieht man deutlich auf den Fotos, die auf meiner Facebook-Seite zu sehen sind.

Herr Kurz, zeigen Sie, wie Integration 2.0 ausschauen kann?

Sebastian Kurz: Wir verfolgen einen ganz anderen Kurs als die FPÖ. Auch wir zeigen Probleme auf, aber nicht, um sie größer zu machen, sondern, um Sie zu lösen. Das ist auch das Ziel der neuen #stolzdrauf-Kampagne. Wir wollen Heimat statt Hetze. Jeder soll sich heimisch fühlen und das auch dürfen.

Herr Strache, würden Sie die #stolzdrauf-Kampagne von Sebastian Kurz unterstützen?

Höhlenmenschen- Sager laut Kurz "einfach dumm"
Streitgespräch zwischen Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) im Budgetsaal im Parlament. Wien, 14.11.2014
Strache: Die Kampagne ist grundsätzlich positiv. Ob es den Kern der Probleme trifft? Das glaube ich nicht. Sebastian Kurz meint, die Willkommenskultur in diesem Land sei nicht passend. Das sehe ich nicht so. Es sollte auch eine Dankbarkeitskultur geben. Es gibt viele Zuwanderer, die in der Gesellschaft angekommen sind. Aber es existieren auch viele Integrationsverweigerer, die unserem Land keine Wertschätzung entgegenbringen, Sozialmissbrauch betreiben und vielleicht sogar kriminell werden. Dafür habe ich kein Verständnis. Genau hier ist die Differenzierung zwischen mir und Herrn Kurz anzusetzen. In diesen Fällen nützt es nichts zu sagen: Ich bin stolz drauf. Im Gegenteil. Hier muss man klar sagen: Solche Verfehlungen sind in Österreich nicht erwünscht. Wer so agiert, kann auf Dauer nicht in Österreich bleiben. Doch Herr Kurz tut so, als ob die 80.000 ausländischen Straftäter Teil unserer Willkommenskultur sind. Dazu sage ich Nein.

Sind Sie da zu tolerant, Herr Kurz?

Kurz: Herr Strache, behaupten Sie nicht, dass ich für Straftäter bin. Der große Unterschied zwischen uns ist, dass Sie einen ganz anderen Heimatbegriff haben. Für die FPÖ darf sich nur jemand heimisch fühlen, der seit Generationen hier lebt. Bei allen anderen, auch integrierten Menschen, wollen Sie gar nicht, dass sie sich in Österreich heimischen fühlen.

Strache: Das ist ein absoluter Unsinn.

Kurz: Unser Zugang ist Integration durch Leistung. Unabhängig, woher er kommt, welche Religion oder welche Hautfarbe er hat. Jeder, der nach Österreich zuwandert, muss seinen Beitrag erfüllen. Wenn er diesen erfüllt, dann hat er es verdient, sich hier heimisch zu fühlen. Man sollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er kein echter Österreicher ist.

Strache: Die Fakten widerlegen Ihre unsinnigen Behauptungen. Die FPÖ ist heute bei den Zuwanderern, die Staatsbürgerschaft erhalten und sich integriert haben, in Wien die stärkste Partei. Auch die integrierten Zuwanderer erkennen, dass die Regierung bei den Fehlentwicklungen in der Integration und beim Asyl wegschaut. Wenn wir auf die Missstände hinweisen, wird man als Hetzer dargestellt.

Kurz: Diese Zahlen sind falsch. Herr Strache, ich bin absolut der Meinung, dass man auf Missstände hinweisen soll. Die Frage ist nur, wie. Als rechter Berufsdemonstrant und mit Aussagen wie Höhlenmensch und Co. tragen Sie nichts zur Lösung bei, sondern machen die Probleme nur größer.

Beim Rücktritt von Andreas Mölzer im Frühjahr meinten Sie, Rassismus und Radikalismus haben in der FPÖ nichts verloren. Warum musste Christian Höbart, der Asylwerber als Höhlen- und Erdmenschen bezeichnet, nicht zurücktreten?

Strache: Da hat es unterschiedliche Bewertung zu geben. Höbart hat sich bei seinem Posting auf Vorfälle am Bahnhof in Traiskirchen bezogen. Hier werden Frauen und Mädchen sexuell und körperlich belästigt. Die Asylwerber spucken auf Frauen, beschimpfen sie mit "Scheiß Österreicher" oder "Fuck, Fuck, Fuck". Das sind für mich keine kultivierten Menschen, egal woher sie kommen. Höbart hat das in einer überspitzen Form zum Ausdruck gebracht.

Kurz: Er hat Asylwerber pauschal als "Höhlenmenschen" bezeichnet.

Strache: Man muss sich alle Postings durchlesen, dann weiß man, wovon Höbart spricht.

Kurz: Das behaupten Sie jetzt. Ich bin jetzt seit 3,5 Jahren im Integrationsbereich tätig und ich kann Ihnen nur sagen: weder die linke Träumerei, die so tut, als gäbe es keine Probleme, noch die rechte Hetze mit Höhlenmenschen bringt etwas. Beides bringt nur einen Keil in die Gesellschaft.

Höhlenmenschen- Sager laut Kurz "einfach dumm"
Streitgespräch zwischen Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) im Budgetsaal im Parlament. Wien, 14.11.2014
Strache:Womit wir wieder beim Begriff Hetze wären. Warum müssen es sich 25 Prozent der Wähler die Beleidigung gefallen lassen, als Hetzer definiert zu werden, nur weil sie es satt haben, dass seit Jahrzehnten islamische radikale Entwicklungen zugelassen werden? Obwohl der Verfassungsschutz seit 20 Jahren darauf hinweist, welche Strukturen und Entwicklungen wir in den Moscheen haben, wo in Hasspredigten zum Dschihad aufgerufen wird. Wo es Religionsbücher für 40.000 Schüler gab, in denen der Islam den Weltherrschaftsanspruch stellte, oder wo die Tötung von Ehebrechern und Homosexuellen als legitim dargestellt wurde.

Kurz: Und schon wieder ist das von Ihnen nur das Beschreiben eines Problems und keine Lösung. Wer hat denn angeregt, dass die islamischen Lehrbücher nun überarbeitet werden müssen? Das war mein Team. Wir ziehen es durch.

Womit wir mitten im Islam-Gesetz sind. Wird der Gesetzesentwurf reichen, um den radikalen Entwicklungen entgegenzuwirken?

Kurz: Die Regierung ist genauso gegen die Imam-Schule in Wien-Simmering, weil es falsch für Österreich wäre. Mit dem Islam-Gesetz leisten wir einen Beitrag, dass es einen Islam österreichischer Prägung geben kann. Derzeit gibt es 65 Imame in Österreich, die von der türkischen Regierung gezahlt werden. Diese Imame sollen in Zukunft nicht mehr von der Türkei bezahlt werden. Was wir wollen, sind österreichische Imame, die an der Uni Wien ausgebildet wurden. Sie sollen zeigen, dass es möglich ist, gleichzeitig ein stolzer Österreicher und ein gläubiger Moslem zu sein. Schon 2016 soll die Imam-Ausbildung an der Uni-Wien starten. Durch das Verbot der Auslandsfinanzierung wollen wir die Bevormundungen aus dem Ausland zurückdrängen, die es im Moment teilweise aus Saudi-Arabien und der Türkei und anderen Ländern gibt.

Was kann die österreichische Regierung gegen die Imam-Schule eigentlich unternehmen?

Kurz: Die Unterrichtsministerin muss der Schule das Öffentlichkeitsrecht verweigern. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg. Auch den Wiener Stadtschulrat und das Magistrat fordere ich auf, bei den islamischen Kindergärten genauer hinzuschauen. Denn auch hier bekommen wir immer wieder Berichte, dass in den Kindergärten Inhalte stattfinden, die mit unseren Werten nicht übereinstimmen. Da darf man auch nicht wegsehen. Aber das ist kein Grund, alle 1,6 Millionen Migranten pauschal schlechtzumachen oder alle Asylwerber als Höhlenmenschen abzustempeln.

Strache: Nochmals – das macht niemand. Zum Islamgesetz möchte ich schon ein paar Punkte sagen: Es gibt positive Ansätze, etwa wenn man durch das Verbot der Auslandsfinanzierung verhindert, dass fremde Staaten versuchen, hier Politik betreiben zu wollen. Dann braucht es aber auch Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten dahinter. Die Sanktionsmöglichkeiten, wie den Verlust der Rechtspersönlichkeit und die Aberkennung der Religionsgemeinschaft, vermisse ich bis dato.

Kurz: Herr Strache, Sie haben offenbar nicht den Gesetzesentwurf gelesen.

Strache: Doch, ich habe das Islam-Gesetz genau studiert.

Kurz: Im Gesetz stehen Geldstrafen, und dass der Bundeskanzler die Möglichkeit hat, den Anerkennungsstatus bei Fehlentwicklungen oder Verstößen abzuerkennen. Das ist ausdrücklich so vorgesehen.

Strache: Das ist aber zu wenig. Was wir auch noch an Problemen im Gesetz sehen ist, dass Predigten und der Unterricht in Deutsch stattfinden muss. Auch der Koran muss auf Deutsch übersetzt werden.

Kurz: Auch die Deutschübersetzung des Koran steht im Gesetz. Vier Punkte möchte ich dazu sagen. Erstens: Der Vorrang des österreichischen Rechts vor Glaubensinhalten steht im Gesetz. Zweitens: Die Darlegung der Glaubensinhalte in Deutsch, also des Korans, ist Teil des Gesetzes. Drittens: Deutsch als Unterrichtssprache ist selbstverständlich. Und viertens: Ich war der erste Politiker, der gefordert hat, dass die Predigten in den Moscheen auf Deutsch stattfinden.

Strache: Herr Kurz, das habe ich schon gefordert, da waren Sie noch nicht einmal in der Politik.

Zurück zur Imam-Schule. Ist die Verweigerung des Öffentlichkeitsrechts der richtige Weg? Die Islamische Föderation legt gar keinen Wert darauf...

Strache: Es ist bekannt, dass dahinter die Milli-Görös-Bewegung steht. Diese Bewegung kann hier unter einem anderen Namen einfach ihre Tätigkeit verrichten. Solche Strukturen sind nicht zu genehmigen. Jetzt sind wir beim Punkt: Österreich ist neben Sarajevo zum Zentrum radikaler Islamisten geworden. Das sagen auch die US- Geheimdienste. Wenn radikale Salafisten Koranverteilungen vornehmen und junge Menschen als terroristische Kämpfer für den Nahen Osten rekrutieren, dann sollten wir hier vehement dagegen vorgehen. Wie es der freiheitliche Stadtrat in Wiener Neustadt gemacht hat. Wir sollten darüber diskutieren, ob das nicht auch in anderen Städten passieren sollte.

Kurz: Herr Strache, wenn Sie gegen den IS-Terror vorgehen wollen, dann frage ich Sie: Warum ausgerechnet die FPÖ die Verschärfung beim Verhetzungstatbestand nicht unterstützt?

Strache: Das ist gut, dass Sie diese Frage stellen. Denn das ist genau der völlig falsche und fast schon gemeingefährliche Ansatz. Was wir brauchen, ist eine Verschärfung bei Tathandlungen und Aufrufen zum Gesetzesbruch.

Kurz: Das ist eine Tathandlung, wenn man junge Menschen verhetzen möchte.

Strache: Lassen Sie mich ausreden. Das, was der Verhetzungsparagraf beinhaltet, ist ein Gummiparagraf, damit der politische Mitbewerber unter der Prämisse der Verhetzung verfolgt werden kann. In Wahrheit ist es ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Bis heute hat es die Regierung nicht geschafft, den IS zu verbieten. Man verbietet die Fahne und die Flagge, aber nicht den Verein. Da fehlt es an Mut und es braucht eine Aktion scharf.

Kurz: Der Vorwurf ist unfassbar. IS ist eine terroristische Organisation und daher auch verboten.

Herr Strache, sorgen Sie sich, dass durch den neuen Verhetzungsparagrafen mehr FPÖ-Politiker verurteilt werden könnten?

Strache: Kritik am Islam ist dann in dieser Diktion als Verhetzung zu sehen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit.

Kurz: Das bedeutet, wenn Sie nicht mitstimmen, kann ein Hassprediger vor 140 Personen nach wie vor straffrei tätig sein.

Strache: Ein Hassprediger, der zum Dschihad aufruft, begeht schon jetzt einen strafrechtlichen Gesetzesbruch.

Kurz: Wenn er nur verhetzt, soll es straffrei sein?

Strache: Das ist der Punkt. Was ist beim Herrn Kurz Verhetzung? Wenn ich den Islam kritisiere, laufe ich Gefahr, dem Verhetzungsparagrafen zu unterliegen. Man versucht hier, den Kritikern radikaler Entwicklungen den Wind aus dem Segel zu nehmen.

Kurz: Herr Strache, machen Sie sich keine Sorgen, Frau Winter & Co. aus Ihrem FPÖ-Parlamentsklub sind auch schon ohne diese Gesetzesveränderung verurteilt worden. Ich halte es für vollkommen falsch, wenn sich Hassprediger nicht strafbar machen, wenn sie vor 20 Personen verhetzen, sondern die Grenze für den Tatbestand erst bei 140 Personen beginnt. Wir wissen, dass Hassprediger in kleinen Gruppen agieren.

Strache: Sie wollen die Meinungsfreiheit und die Kritik gegenüber Fehlentwicklungen mit einem Verhetzungsparagrafen unterbinden. Das finde ich skandalös und da sind wir in der Zensur der Metternich-Zeit bis 1848 angekommen. Das ist ein Anschlag auf Meinungsfreiheit, versteckt in einem Verhetzungsparagrafen, wo es in Wahrheit gar nicht um die radikalen Islamisten geht.

Kurz: Ich meine, Sie überlegen es sich nochmals, ob Sie die Regierung im Kampf gegen die Hassprediger nicht doch unterstützen wollen.

Strache: Im Kampf gegen radikale Tendenzen bin ich immer bereit, zu helfen. Aber die Meinungsfreiheit zu bekämpfen, da kämpfe ich für die Meinungsfreiheit.

Zum Abschluss: Worauf sind Sie in Österreich stolz? Und worauf sind Sie nicht stolz?

Strache: Ich bin stolz, dass die Menschen in diesem Land über eine unglaublich lange Zeit eine unglaublich tolle Entwicklung möglich gemacht haben. Wir sehen es als unseren Auftrag, diese Kultur weiterzutragen. Nicht stolz bin ich, dass dieses Land eine Politik hat, die zu einer Rekordverschuldung und vielen Fehlentwicklungen beigetragen hat. Das ist eine Last, die kommende Generationen noch lange spüren werden.

Kurz: Ich bin stolz, dass wir ein Land sind, wo es sehr viele Leistungsträger gibt – vor allem auch im ehrenamtlichen Bereich. Wir sind Weltmeister, wenn es um Freiwilligkeit geht. Worauf ich nicht stolz bin, ist Hetze, die unser Land immer wieder teilt.

Strache: Da muss ich jetzt einhaken. Dieser Herr neben mir spricht von einem Verhetzungsparagrafen und spricht von Hetze gegenüber einer demokratischen Partei, die heute 25 Prozent bei den Umfragen hat. Man will eine demokratische Partei damit beschädigen.

Kurz: Der Höhlenmenschen-Sager ist weder demokratisch noch sinnvoll.

Strache: Der Höhlenmenschen-Sager war nicht von mir.

Kurz: Dann verurteilen Sie es.

Strache: Ich habe klargestellt, dass der Ausdruck überspitzt war und damit Asylwerber gemeint sind, die Frauen anspucken.

Kurz: Herr Strache, überspitzt war der Sager nicht, sondern einfach nur dumm. Das jedem Asylbewerber zu unterstellen, ist ungeheuerlich.

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