IV sieht 12 Milliarden Sparpotenzial

„Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein dramatisches Ausgabenproblem“, sagt IV-Boss Kapsch. Daher solle die Regierung sparen und nicht über Steuern diskutieren.
Hoher Reformdruck: Österreicher zahlen um 30 Prozent mehr für Verwaltung als die übrigen Europäer.

Insgesamt 1,5 Milliarden Euro – so viel würde laut Schätzung der SPÖ eine Vermögenssteuer im Jahr bringen.

Die Industriellenvereinigung (IV) hält das für unmöglich. "Never", also niemals, wäre so viel Geld mit einer solchen Steuer zu lukrieren, sagt IV-Präsident Georg Kapsch. Das ginge nur, wenn auch Betriebe, also der Mittelstand, belastet würden (was die SPÖ bestreitet). Zudem liege die Abgabenquote in Österreich ohnedies schon bei mehr als 45 Prozent.

"Desolates System"

Die IV ist aber nicht nur dagegen, dass Vermögen besteuert wird, weil sie negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt befürchtet. Kapsch wettert auch dagegen, weil „die Kosten der Verwaltung exorbitant hoch sind. Der Österreicher zahlt um 30 Prozent mehr für die Verwaltung als der Durchschnitt der europäischen Bevölkerung.“ Reformen im Staat würde es nur geben, „wenn das Geld knapp wird. Wir dürfen also nicht in ein desolates System noch mehr Geld hineinschütten.“

IV-Vizepräsident Hubert Bertsch, Unternehmer aus Vorarlberg, schimpft: „Wenn wir so agieren würden wie die Bundesregierung, wären wir schon längst in Konkurs.“
Damit der Staat nicht pleitegeht, legt die IV der Koalition ihr Strukturreform-Konzept ans Herz. Ansetzen sollte man ihrer Ansicht nach bei den Pensionen, im Gesundheitswesen, bei der Verwaltung und den Förderungen. Zwölf Milliarden Euro könnten in diesen Bereichen eingespart werden, meint Kapsch, der betont, er wäre theoretisch bereit, über eine höhere Grundsteuer zu diskutieren – aber erst, wenn der Staat reformiert sei.

Ab wann wäre über Einsparungen eine Steuerreform zu finanzieren? „Ab 2016, in kleinen Schritten“, sagt der Industrieboss, der damit auf einer Linie mit der ÖVP ist. Von der Volkspartei verlangt er, „dass sie sich auf die Hinterbeine stellt“. Soll heißen: Sie dürfe der SPÖ-Forderung nicht nachgeben. Sollte die ÖVP also notfalls einen Koalitionsbruch riskieren, um Vermögenssteuern zu verhindern?

„Angesichts der Umfragewerte glaube ich nicht, dass eine der beiden Parteien riskieren würde, die Koalition zu sprengen“, gibt sich Kapsch gelassen.

„Wenn man ein Beispiel sucht, wie man sich ins eigene Bein schießt, dann ist der Brief des Herrn Finanzministers dafür wohl ein gutes.“

Hannes Androsch klingt immer noch ein wenig fassungslos. Der frühere Finanzminister gehörte zu jener Gruppe von Millionären, die sich kürzlich öffentlich für neue Vermögenssteuern ausgesprochen haben, und die daraufhin vom amtierenden Ressortchef Michael Spindelegger ein mittlerweile als „Bettelbrief“ bekanntes Schreiben bekamen.

In dem Brief, den der KURIER publik gemacht hat, schreibt Spindelegger: „Ich muss Ihren Wunsch nach einer weiteren Steuer, die Sie bezahlen wollen, ablehnen.“ Gleichzeitig bittet er die Millionäre, sie könnten aber sehr gerne Geld an Forschungseinrichtungen spenden.

Mit dabei in der Gruppe waren neben Androsch Spitzenverdiener wie Christian Köck, Investor Michael Tojner, Unternehmer Ronny Pecik, Industrieller Alfred Heinzel und Ex-Spitzenmanagerin Brigitte Ederer.

„Ich habe Herrn Spindelegger erklärt, dass ich natürlich längst Universitäten unterstütze, zum Beispiel die TU Wien“, sagt Androsch, der offenkundig nicht der Einzige war, den das Schreiben des Ressortchefs erzürnte.

„Ich habe in einer ersten Reaktion ein wütendes Antwortschreiben aufgesetzt, denn das, was Spindelegger vorschlägt, ist ein Rückfall ins 19. Jahrhundert und die offizielle Absage an jede Gestaltungskraft der Politik“, sagt ein anderer Empfänger zum KURIER. Letztlich hat dieser den Antwort-Brief aber nicht abgeschickt. „Wozu auch? Wer nicht sehen will, dass in Österreich etwa Immobilien zu niedrig besteuert werden, dem ist nicht zu helfen.“

Hochoffiziell äußerte sich am Donnerstag noch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zu dem Schreiben. „Ich bin gegen ein Almosensystem, ich bin dagegen, dass Leute spenden sollen. Wenn sie wollen, sollen sie spenden.“ Dies ändere aber nichts am SPÖ-Plan, die Reichensteuer durchsetzen zu wollen.

Finanzminister Michael Spindelegger verwahrt sich gegen den Eindruck, Schutzpatron der Superreichen in Österreich zu sein. Diese Debatte, aufgekommen nach seinem „Nein-Danke“-Brief an Wohlhabende, die nichts gegen eine Vermögenssteuer hätten, sei „verkürzt und stimme so nicht“, sagte Spindelegger am Donnerstag im kleinen Kreis.

Das Thema Steuergerechtigkeit sei viel breiter als dieser Klassenkampf-Zugang. Spindelegger: „Ich will nicht Millionäre schützen, sondern eine echte Entlastung umsetzen. Also nachhaltig die Steuerquote runterfahren und nicht umverteilen von der linken in die rechte Tasche.“

Für seinen Reformansatz – zuerst Einsparungen, dann Entlastung – holt sich der ÖVP-Chef nun frischen Expertenrat. Zwar gibt es die Steuerreform- und zig andere Kommissionen, dennoch lud Spindelegger am Donnerstag Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn zum Gedankenaustausch ins Ministerium, kommende Woche folgen Rechnungshof-Präsident Josef Moser mit seiner langen Liste an Unerledigtem sowie WIFO-Chef Karl Aiginger.

Schellhorn signalisierte volle Unterstützung für Spindeleggers Bemühen, bei den Pensionen und in der Verwaltung mehr einzusparen, als bisher mit der SPÖ vereinbart ist. Nicht einig wurden sich der Minister und der Ex-Journalist in der Umsetzungsfrage: Schellhorn empfiehlt eine sofortige Senkung der Steuerlast, um über den Druck der leeren Kassen Reformen zu erzwingen. Spindelegger hält dies für illusorisch. Er will in den nächsten eineinhalb Jahren – bis zur vereinbarten Entlastung 2016 – 5,5 Milliarden Euro an Einsparungen erzielen, um damit die Steuerreform zu finanzieren. Nach bisherigen Erfahrungen ein wirklich ambitionierter Plan.

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