In eigener Sache agiert Justiz träge

APA2892067-2 - 21092010 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - Eine Außenansicht des Gefangenenhauses beim Wiener Landesgerichts für Strafsachen aufgenommen am Dienstag, 21. September 2010. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Top-Anwalt, der Justizbeamte bestochen haben soll, durfte nicht aussagen

Bei jeder kleinen Dealerbande gibt’s das volle Programm: Observation, Telefonate mitschneiden, ein Scheingeschäft einfädeln und so weiter. Damit hätte man das blitzschnell geklärt.“ Und das Verfahren gegen ihn selbstverständlich eingestellt, meint der prominente Strafverteidiger, der (noch) nicht genannt werden will. Er steht im Verdacht, Justizwachebeamte in der Haftanstalt Wien-Josefstadt geschmiert zu haben, damit sie Häftlinge drinnen mit Handys und Suchtgift versorgen.

Eine Kollegin der mutmaßlich korrupten Beamten hat diese Anschuldigungen zu Protokoll gegeben. In den vom Falter zitierten Angaben der Beamtin darüber, wie das „System“ funktioniert habe, heißt es etwa: „Auch im Stiegenhaus werden verschiedene Dinge (Zigaretten, Geld, Suchtgift) durch Angehörige oder Bekannte der Insassinnen hinterlegt, welche von der eingeteilten Außendienstmitarbeiterin im Zuge der Reinigungsarbeiten des Fortbildungszentrums (es schließt direkt an die Justizanstalt an, Anm.) in die Anstalt mitgenommen werden.“

Nicht ausgeräumt

Die Vollzugsdirektion konnte die Vorwürfe nicht ausräumen und schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Dort wird seit über sechs Monaten ermittelt, mit zwei mageren Ergebnissen: Spürhunde haben in der Wäschekammer, die von der Aufdeckerin als Umschlagplatz für die ins Gefängnis geschmuggelten Drogen genannt worden war, keine Spur von Drogen gefunden. Was gegen die Anschuldigungen spricht.

In eigener Sache agiert Justiz träge
APA9491402 - 18092012 - WIEN - ÖSTERREICH: Justizministerin Beatrix Karl am Dienstag, 18. September 2012, im Rahmen einer PK zum Maßnahmenpaket Fußfessel in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Und zwei Häftlinge haben in Einvernahmen bestätigt, dass sie von Justizwachebeamten Drogen bekommen haben. Was für die Anschuldigungen spricht. Ob diese Häftlinge Mandanten des beschuldigten Strafverteidigers sind, ist nicht bekannt.

Die Anwaltskammer ist über den schwerwiegenden Verdacht gegenüber einem ihrer Mitglieder nicht informiert. In solchen Fällen müsste ja eine Sperre des Anwalts erwogen werden.

Und keiner der beschuldigten Justizwachebeamten wurde suspendiert. Dafür sei die Verdachtslage nicht eindeutig genug, heißt es. Von einer Einstellung des Verfahrens kann aber derzeit auch keine Rede sein.

Justizministerin Beatrix Karl weist den Vorwurf der Untätigkeit zurück. Aber wie wenig eilig es die Justiz in dem Fall offenbar hat, zeigt auch, dass eine Staatsanwältin den Akt gerade erst frisch von einer Kollegin übernommen hat – und nun welche Schritte setzt? Sie geht drei Wochen auf Urlaub. Der beschuldigte Strafverteidiger, der bisher nicht befragt wurde, bekommt keine Akteneinsicht. Der Akt befindet sich gerade bei der Behördenleiterin. Der am Mittwoch vorgebrachten Bitte des Anwalts, ihn endlich einzuvernehmen, kam Staatsanwältin Marlies Darmann nicht nach. Der Strafverteidiger erwägt nun, von sich aus einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu stellen.

Porno-Mails

Apropos eilig: 2003 wurde der Teilzeit-Justizwachebeamte und FPÖ-Mandatar Christian Lausch von einer Kollegin angezeigt, weil er sie im Dienst begrapscht und sie mit Porno-Mails belästigt haben soll. Das sei eine Kampagne gegen ihn, er habe die Frau bestenfalls im Vorbeigehen gestreift, behauptet Lausch. Laut Falter ließ die Disziplinarkommission des Justizministeriums die Sache so lange liegen, bis sie verjährt und Lausch damit aus dem Schneider war.

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