Im Zentrum: "Kurz kann nicht über Wasser gehen"

Im Zentrum am 14.5.2017: Was will Sebastian Kurz?
Die Gegenwart und Zukunft der ÖVP unter Klubobmann Sebastian Kurz war am Sonntagabend das Thema bei der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum".

Der ORF rief bei seiner Sendung "Im Zentrum" am Sonntag den "ultimativen Machtpoker" aus. 739.000 Zuschauer waren dabei, meldete der ORF am Montag, damit verzeichnete man sogar einen Zuseherrekord seit Sendungsstart im April 2007. ÖVP-EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger, Ex-ÖVP-Wien-Obmann Bernhard Görg, Politologe Peter Filzmaier, Journalist Andreas Koller und Wirtschaftscoach Christine Bauer-Jelinek widmeten sich unter der Leitung von Claudia Reiterer der Frage: "Was will Sebastian Kurz?"

"Die Partei wird sich öffnen, moderner werden, jünger werden", kündigte die Kurz-Vertraute Köstinger große Veränderungen an. Filzmaier aber grenzte die Veränderung schnell ein: Kurz sei kein Emmanuel Macron. Er habe sich anders als der neue französische Präsident eben nicht von seiner Partei abgenabelt, sondern würde auf das dort vorhandene Geld nicht verzichten wollen. Filzmaier problematisierte auch die nicht ganz schlüssigen Änderungen an der Wahl-Listenerstellung: Das Geschlechter-Reißverschlusssystem und die Vorzugsstimmenreihung würden sich schneiden.

In der Vergangenheit hätten nicht immer alle Kapitäne der ÖVP in dieselbe Richtung gesteuert, das habe Kurz' Forderungskatalog nötig gemacht, sagte Köstinger. Das Durchgriffsrecht bezeichnete Görg wiederum als "schweren Schlag" für die Landesparteibleute. Das werde gewöhnungsbedürftig sein. Und er mahnte, es müsse Kurz klar sein: "Er muss jetzt Kanzler werden". Ansonsten würde die Diskussion um die Parteistruktur schnell wieder losgehen.

Demokratische Strukturen ausgedünnt

Journalist Koller wunderte sich über die Statutenreform. Kurz hätte diese angesichts seines politischen Talents wohl nicht gebraucht, um seine Wünsche durchzusetzen. Was aber werde aus der ÖVP - Koller wollte den Begriff "Führerpartei" nicht verwenden, tat es dadurch aber doch - wenn Kurz früher oder später wieder abtrete (ohne einen Erfolg bei Neuwahlen im Herbst könnte Kurz immerhin auch der "kürzest-dienende Parteiobmann werden") und auch der nächste Parteiobmann mit diesen weitreichenden Rechten ausgestattet sei? Eine Antwort blieben die ÖVP-Mitglieder der Runde schuldig. Koller steigerte: Wichtig sei festzuhalten, dass Kurz das Land nicht führen könne, wie jetzt die ÖVP. Da seien die demokratischen Strukturen jetzt "ein bisserl ausgedünnt".

Köstinger und Görg zeigten eine dermaßene Euphorie über den neuen ÖVP-Klubobmann und seine schier endlosen Fähigkeiten, dass Politologe Filzmaier sich genötigt sah, die beiden an etwas zu erinnern: "Sie müssen jetzt ganz stark sein. Sebastian Kurz kann nicht über Wasser gehen."

Offene Koalitionsfragen und inhaltliche Leere

Mit wem Kurz bei den nun schwer zerrütteten Beziehung zur SPÖ eigentlich koalieren wolle, fragte Reiterer. Immerhin habe auch Heinz-Christian Strache in jüngerer Vergangenheit immer lautere und schärfere Kritik an Kurz geübt. Görg, früher vehementer Gegner einer Koalition mit der FPÖ unter Haider signalisierte dahingehend nunmehr etwas mehr Milde. Köstinger wollte diese Diskussion nicht führen, das hänge von der Wahl ab. Vielleicht sei Christian Kern nach der Wahl ja Geschichte.

Filzmaier meinte, die Chancen der FPÖ auf Platz 1 seien gesunken (was den schärferen Ton erklären sollte), gleichzeitig aber die auf eine Regierungsbeteiligung gestiegen. Sie sei womöglich das Zünglein an der Waage.

Die Sendung war zwar mit "Was will Sebastian Kurz?" betitelt, darüber wurde inhaltlich aber praktisch nicht gesprochen, obwohl Filzmaier und Reiterer es einzufordern versuchten. Man werde ein Programm vorlegen, versicherte Köstinger. Kurz hätte sich als bloßer Außenminister zu vielem ja auch nicht äußern können, sonst wäre das ja ebenfalls kritisiert worden.

Görg meinte, man wisse eigentlich nicht, wofür Kurz stehe. Er wolle ihm deshalb keine "inhaltliche Generalvollmacht" erteilen. Woraufhin Bauer-Jelinek und Koller unisono darauf hinwiesen, dass der ÖVP-Vorstand genau das wenige Stunden davor getan habe.

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