Die Menschen des Jahres 2014
War das ein Trara. Da stand ein Mann als Frau mit Vollbart auf der Bühne, sang inbrünstig die Ballade "Rise like a Phoenix"– und gewann den Song Contest 2014. Conchita Wurst (alias Tom Neuwirth) war über Nacht europaweit bekannt. Euphorie und Nationalstolz waren groß. So twitterte ÖVP-Minister Andrä Rupprechter: "Unsere Wurst ist die Beste!" Auch andere Politiker wollten am Erfolg mitnaschen. SPÖ-Regierungschef Werner Faymann lud die Sing-Siegerin in das Kanzleramt. Dort tat er kund: Wursts erster Platz enthalte "auch eine Botschaft an die Menschen in Richtung Toleranz, Liebe und Lebensfreude.
Die Botschaft richtet sich ganz eindeutig gegen Hass und für den Frieden". Manche stellten Österreich gar als Hort von gegenseitigem Respekt und Akzeptanz dar. Tatsächlich polarisiert Wurst. Viele feinden die 26-jährige Künstlerin nach wie vor an, weil sie nicht "der Norm" entspreche. Sie ließ und lässt sich davon nicht beirren: "Ich bleibe bei dem, was ich kann – meine Meinung sagen und singen." Und so trat sie im Oktober im Europa-Parlament in Brüssel auf, kämpfte für das Adoptionsrecht von Homosexuellen und gegen Diskriminierung. Im Jänner wird Conchita Wurst bei der Golden-Globes-Verleih-Zeremonie in Los Angeles sein.
Der Sprecher der "Tatort Hypo", Kabarettist Roland Düringer (Foto unten), übergab im Juli knapp 50.000 Unterschriften. Mit dieser sowie zwei weiteren Petitionen befasste sich der Nationalrat. Auch die dortigen Oppositionellen drängten auf einen U-Ausschuss. Sie fürchteten, dass das Griss-Gremium zum „Weißwaschungsrat“ wird. Schwarzseherei. Die pensionierte Juristin schrieb und redete Klartext. Weil das nicht üblich ist in diesem Land, gilt sie nun als Säulenheilige, wird als bundespräsidentschaftswürdig qualifiziert. Und schließt eine Kandidatur auch selber nicht mehr aus, sollte sie von SPÖ und ÖVP aufgestellt werden: „Ja, wenn das achte Weltwunder einträte ... Ja, dann würde ich darüber nachdenken“, sagt sie zur Krone.
Disqualifiziert haben sich Proponenten des blauen Lagers in anderem Zusammenhang. Von Asylwerbern als "Erd- und Höhlenmenschen" war die Rede, aber nicht davon, wie Österreich die immer mehr werdenden Kriegsflüchtlinge adäquat unterbringen kann. 30.000 Plätze gibt es, 2500 fehlen – obwohl sich die Landeshauptleute dazu verpflichtet haben, die vom Bund vorgegebene Quote zu erfüllen. Nur Niederösterreich (dort ist das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen) und Wien halten sich an die Vereinbarung; die übrigen Länder sind nach wie vor säumig. Grund dafür sind nicht nur Infrastrukturprobleme; Sorge, Flüchtlinge zu beherbergen könnte bei der nächsten Wahl schaden, spielt mit.
Umso bemerkenswerter sind Volksvertreter, die dem Populismus trotzen. Wie der rote Neudörfler Bürgermeister Dieter Posch (Foto oben) und sein schwarzes Pendant von Klosterneuburg, Stefan Schmuckenschlager (Foto unten). Der Burgenländer Posch befand: "Ich verliere lieber ein paar Stimmen als mein Gesicht" – und quartierte 56 junge Asylwerber in einem Caritas-Haus im 5000-Einwohner-Ort ein.
Ebenso couragiert ging Schmuckenschlager vor. Er schlug vor, in der Magdeburg-Kaserne 150 Flüchtlinge unterzubringen – Gemeinderatswahl im kommenden Jahr hin oder her. Sein Bruder, der Nationalratsmandatar Johannes Schmuckenschlager, sprang ihm bei: "Man muss den Bürgern erklären, dass die Flüchtlinge Menschen sind, die aus Ländern kommen, in denen ihnen die Köpfe abgeschlagen werden." Ein Bravo solchen Politikern!
Die Menschen des Jahres 2014: Welche Persönlichkeiten das ablaufende Jahr noch geprägt haben, lesen Sie hier.
Kommentare