"Ich bin niemandes Handlanger"

Walter Pilgermair übersiedelt nach Wien, um im U-Ausschuss dem Hypo-Krimi auf die Spur zu kommen.
Der Tiroler Walter Pilgermair will im U-Ausschuss die Arbeit von Irmgard Griss weiterführen.

Noch ist sein Name im Parlament kein Begriff. Am Empfang des Hohen Hauses wird man als Redakteurin noch unglaubwürdig angeschaut, wenn man nach dem Hypo-Verfahrensrichter Walter Pilgermair fragt. "Wer ist der Herr genau, mit dem Sie ein Interview machen wollen?", fragt der Parlaments-Concierge.

Das wird sich schnell ändern. Vor allem den Big Playern im Hypo-Krimi wird der Ex-Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck auf den Zahn fühlen. Der Tiroler darf sämtliche Auskunftspersonen im Hypo-U-Ausschuss von Werner Faymann über Josef Pröll abwärts in seiner Position als neuer Verfahrensrichter vor den Abgeordneten befragen. Im Interview erzählt er, wie er seine Rolle anlegen will:

KURIER: Herr Pilgermair, Sie waren gerade einmal ein Jahr in Pension. Warum tun Sie sich dieses Mega-Projekt an?

Walter Pilgermair: Diese Frage haben mir einige Freunde gestellt. Der Arbeitsumfang ist außergewöhnlich hoch. In dieser Position muss man sich auch auf die Medien und die Politik einlassen – das ist eine neue Herausforderung für jemanden wie mich, der bis jetzt nicht so in der Öffentlichkeit stand. Aber ich war jetzt im ersten Pensionsjahr öfter auf Reisen, habe eine Genusstour durch Frankreich gemacht, und fühle mich gut. Die Rolle des Verfahrensrichters im U-Ausschuss ist spannend. Da dabei zu sein, hat mich gejuckt.

Glauben Sie, werden die Regierungsparteien versuchen, Sie zum Handlanger zu machen?

Ich bin niemandes Handlanger. Das geht auf meinen Anspruch auf Unabhängigkeit zurück.

Ist das eine Frage der Ehre?

Ja, absolut. Als Richter ist man ein Leben lang verpflichtet, das Ansehen des Richterstandes, für den Objektivität und Unparteilichkeit sehr wichtig sind, hochzuhalten. Das gilt für mich noch immer. Ich trage sicherlich keine Fraktionsbrille und werde dem Sachverhalt objektiv und in all seinen Facetten nachgehen. Aber die Dominanz sehe ich trotzdem bei den Fragen der Parlamentarier.

Sehen Sie sich als Verfahrensrichter als Einzelkämpfer?

Richter werden zwar oft als Einzelkämpfer bezeichnet. Aber vom isolierten Weg halte ich nichts. Hier zitiere ich gerne den Autor Thomas Merton: "Keiner ist eine Insel." Gerade eine so thematisch herausfordernde Tätigkeit setzt voraus, dass man bei kniffligen Verfahrensfragen andere Meinungen erfragt und diskutiert. Meine Meinung bilde ich mir dann aber selber.

Werden Sie sich auch mit Irmgard Griss treffen?

Ja, daran denke ich auch.

Eine Antwort werden Sie von den Auskunftspersonen häufig hören: "Ich kann mich nicht erinnern." Erkennt man als langjähriger Richter, ob diese Erinnerungslücken gespielt sind oder der Wahrheit entsprechen?

Das herauszufinden, ist zweifellos eines der Aufgaben des Verfahrenrichters im U-Ausschuss. Über die Jahre bekommt man ein gutes Sensorium dafür. Erfahrungsgemäß ist die Erinnerung länger vorhanden, wenn etwas Markantes im beruflichen oder im privaten Leben passiert. Wenn ich Zweifel habe, bohre ich nach und versuche der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Das geht ganz gut, indem man der Person Dokumente oder Aussagen anderer Personen vorhält und so seinen Zweifel begründet.

Sie haben 15 Minuten reine Fragezeit im U-Ausschuss zur Verfügung. Reicht das um den Auskunftspersonen auf den Zahn zu fühlen?

Das ist zweifellos eine Limitation und es gibt sicherlich Personen, die man stundenlang befragen müsste. Aber die Parlamentarier werden sicherlich noch vertiefende Fragen stellen. Im Übrigen habe ich das Recht, abschließende, ergänzende Frage zu stellen. Wenn ich den Eindruck habe, dass noch Fragen offen sind, werde ich dieses Recht sicherlich aktiv wahrnehmen.

Sie waren lange Strafrichter. Wie oft haben Sie die lebenslange Haft ausgesprochen?

Sehr selten. Ein lebenslanges Urteil gab es nur bei besonders unbegreiflichen und schwerwiegenden Taten.

Wie lange denkt man als Richter über die Gerechtigkeit seiner Urteile nach?

Während der Verhandlung war ich hochkonzentriert, aber wenn ein Urteil gesprochen ist, dann muss der Fall damit auch abgeschlossen sein. Ich kann nicht endlos darüber sinnieren, ob das Urteil richtig war, oder ob ich zu streng oder zu milde war. Das kann man wie bei einer Operation sehen, da muss man sich auch immer auf die aktuelle konzentrieren.

Warum haben Sie sich für den Richterjob entschieden und wollten nicht Anwalt werden?

Das liegt in meinem Naturell. Als Richter hat man die Möglichkeit sich im Rahmen der Gesetze seine eigene Meinung zu bilden. Als Anwalt ist man Interessensvertreter, seine eigene Meinung muss man mitunter hinten anstellen. Das ist nicht meins.

Welche Headline würden Sie gerne über ein Porträt von Ihnen lesen?

"Richter mit Herz und Blut". Ich habe mein Herzblut in diesen Beruf eingebracht. Das hat meiner Familie sehr viel Zeit gekostet. Denn wenn ich etwas mache, dann sehr gründlich.

Sie müssen nun nach Wien übersiedeln. Wie hat Ihre Lebensgefährtin reagiert?

Ich bin kein Stubenhocker. Wenn ich nicht arbeite, dann bin ich Bergsteigen oder fahre Ski. Meine Lebensgefährtin hat mir zugeredet, dass ich etwas tun soll, was mich erfüllt. Vonseiten der Familie gibt es keine Bremse. Auch wenn ich wegen der ersten Ausschuss-Sitzung den zweiten Geburtstag meiner Enkelin Aurelia versäumt habe. Aber das wird nachgeholt.

Erstmals gibt es in einem U-Ausschuss einen Verfahrensrichter, der eine sehr zentrale Rolle spielen wird: Walter Pilgermair (67). Der Ex- Präsident des Oberlandes- gericht Innsbruck wurde diese Woche für den Job nominiert. Unabhängig, und unparteilich will er diese Rolle ausüben. 15 Minuten reine Fragezeit hat Pilgermair für jede Auskunftsperson.
Freiheitsliebend. Der pensionierte Richter ist gerne auf den Bergen unterwegs. Er ist Vater von zwei Söhnen und engagierter Opa einer Enkeltochter.

Kommentare