"Homo-Paragraf": Brandstetter tilgt Verurteilungen

Ein Mann mit Brille und Anzug spricht.
Entwurf in Begutachtung. Zudem setzt Justizminister auf "zweite Chance" für junge Straftäter.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will alle Strafregister-Einträge wegen Verurteilungen nach "alten" anti-homosexuellen Strafparagrafen streichen lassen. Nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im November 2012 hat er jetzt den Entwurf für ein eigenes kleines "Tilgungsgesetz" in Begutachtung geschickt.

2002 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Par. 209 Strafgesetzbuch - mit dem "Schutzalter" 18 Jahre (statt sonst 14) für homosexuelle Kontakte - aufgehoben. Schon früher waren andere speziell gegen Homosexuelle gerichtete Straftatbestände gestrichen worden, etwa 1971 das "Totalverbot" oder später spezielle Strafen für homosexuelle Prostitution. Die alten Urteile wurden allerdings nicht aufgehoben und die Verurteilung nicht aus dem Strafregister getilgt - außer die Verurteilten wandten sich an den EGMR.

Bis heute scheinen laut den Gesetzeserläuterungen im Strafregister 112 Verurteilungen nach Par. 209 auf, 35 nach Par. 210 (homosexuelle Prostitution) plus vier zum Vorgänger-Paragrafen 500 sowie 52 zum "Totalverbot". Mit dem Entwurf soll "ein wesentliches Hindernis für ein Vergessen der Verurteilungen beseitigt und die Resozialisierung gestärkt" werde.

Ein immerhin doch elf Paragrafen langes Gesetz ist nötig, weil eine solche "Generalamnestie" nicht ganz einfach ist: Wenn der Betreffende z.B. schon vorher wegen anderer Vergehen verurteilt worden war, könnte die Tilgung für Par. 209 dazu führen, dass sich die Tilgungsfristen für die anderen Delikte verlängert. Um solche Nachteile zu verhindern, wird nur auf Antrag und mit Einzelfallprüfung getilgt.

Zweite Chance für Junge

Zudem hat der Justizminister unter dem Motto der "zweiten Chance für junge Straftäter" eine Jugendgerichtsgesetz-Reform angekündigt. "Oberstes Ziel" ist die Vermeidung von Haft. Die besonderen Regeln für jugendliche Straftäter - z.B. niedrigere Strafuntergrenzen - sollen künftig für junge Erwachsene bis 21 Jahre angewandt werden.

Unter Schwarz-Blau war 2001 die Geltung des Jugendstrafrechts - mit ein paar flankierenden Maßnahmen für junge Erwachsene - von 19 auf 18 Jahre gekürzt worden, 2003 schloss Justizminister Dieter Böhmdorfer ( FPÖ) den Jugendgerichtshof in Wien.

"Nicht ein Leben lang kriminell"

Brandstetter will mit seiner Reform jetzt "sehr viel tun, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine zweite Chance zu geben, damit sie erfolgreich resozialisiert werden können". Denn man dürfe "nicht davon ausgehen, dass jugendliche und heranwachsende Straftäter ein Leben lang kriminell sind". Ihr Verhalten sei noch stark beeinflussbar, damit stünden die Chancen eines Neubeginns bei ihnen noch besonders hoch, "diese müssen wir nützen", betonte er in einer Aussendung.

Haft vermeiden

Besonders wichtig ist Brandstetter, Haft zu vermeiden. Bereits ergriffene Maßnahmen wie Sozialnetzkonferenzen oder betreute Wohngruppen statt U-Haft werden mit dem Entwurf gesetzlich verankert. Es wird klargestellt, dass U-Haft bei Jugendlichen der Ausnahmefall (bei besonders schweren Straftaten) sein muss. Richter und Staatsanwälte werden angehalten, die Alternativen auch wirklich zu nützen. Sie werden künftig explizit begründen müssen, warum sie U-Haft verhängen. Bei Jugendstraftaten, die in Bezirksgerichts-Zuständigkeit fallen (z.B. Diebstahl, unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen, Sachbeschädigung, Körperverletzung), soll keine U-Haft mehr verhängt werden.

Für die Straf-Alternative der Diversion soll jungen Straftätern "jemand an die Seite gestellt werden, der sie unterstützt": Bewährungshelfer sollen darauf schauen, dass sie z.B. gemeinnützige Leistungen erbringen. Kommt es doch zur Strafhaft, soll diese für drei Jahre (bisher nur eines) aufgeschoben werden können, wenn es für die Ausbildung nötig ist.

Die gesetzlich vorgesehenen, aber nicht immer durchgeführten speziellen "Jugenderhebungen" sind künftig - bei sonstiger Nichtigkeit - verpflichtend. Künftig wird der Bund auch für die Unterbringung Unter-21-Jähriger in sozialtherapeutischen Wohneinrichtungen die Kosten übernehmen.

Die speziellen Regelungen für Jugendliche sollen aber nicht mehr nur bis 18, sondern 21 Jahre gelten, kommt der Minister "Forderungen der Praxis" nach. Die "jungen Erwachsenen" werden in den Titel des Jugendgerichtsgesetzes aufgenommen. Damit werden z.B. auch für sie die niedrigeren Strafuntergrenzen gelten - und der Fokus auf Spezialprävention (also dem Straftäter selbst) und weniger der Generalprävention (dem Signal für die gesamte Gesellschaft) liegen.

Rückblick

Brandstetter hat sich des Problems des Jugendstrafvollzuges von Amtsbeginn an intensiv angenommen. Im Sommer 2013 wurde darüber intensiv öffentlich diskutiert - nachdem eine Vergewaltigung eines jugendlichen U-Häftlings in der Justizanstalt Josefstadt und in der Folge andere Missstände bekannt geworden waren. Brandstetter setzte einen "Runden Tisch" ein, dessen Empfehlung nun umgesetzt werden sollen.

Der Entwurf steht für fünf Wochen in Begutachtung. In Kraft treten soll er am 1. Jänner 2016.

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