Rot und Schwarz machen gute Miene zum verdeckten Rosenkrieg

Szenen einer geschiedenen Koalition: In der Sache, etwa beim Aus für den Pflegeregress, kooperierten ÖVP-Mann Lopatka und SPÖ-Klubchef Schieder.
Krach um Unis, Harmonie bei Pflege: Dass Kurz & Kern miteinander nicht mehr wollen, wird immer öfter spür-, aber selten sichtbar.

Was ist in der Politik schlimmer als ein Verlierer? Ein schlechter Verlierer.

So gesehen war es vorhersehbar, ja fast zwingend, wie die ÖVP darauf reagierte, dass die SPÖ sie überstimmt hat, nämlich: demonstrativ gelassen.

Zur Erinnerung: Mittwochabend hatte die Kanzlerpartei überraschend mit FPÖ, NEOS und Grünen das Budget der Unis für die Jahre 2019 bis 2021 um 1,35 Milliarden Euro angehoben.

Es war das erste Mal, dass die Sozialdemokraten ihren Noch-Koalitionspartner bei einer Abstimmung überstimmt hatten.

Ein böses Foul", sagten ÖVP-Mandatare am Tag nach dem Beschluss.

Das änderte aber wenig daran, dass sich die Noch-Regierungspartner bei Sachthemen – konkret etwa bei Maßnahmen wie dem Aus für den Pflegeregress – bald einig wurden.

Einig bei Mindestlohn

Dem nicht genug, wollen die Sozialpartner heute, Freitag, ihre Einigung über einen Mindestlohn von 1500 Euro und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit präsentieren.

Also alles eitel Wonne?

Mitnichten. Wie sehr SPÖ und ÖVP einander misstrauen, brach – wenn auch kurz – bei der Debatte um die Anhebung der Forschungsprämie durch: In der Sache sind sich die beiden Parteien einig, die Prämie wird steigen. Das hinderte SPÖ-Mandatar Kai-Jan Krainer aber nicht daran, sich gegen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling ordentlich in Rage zu reden. "Sie wollen jemandem Nachhilfe geben? Das ist lächerlich!", posaunte der Sozialdemokrat in Richtung Schelling. Tatsächlich hatte der ÖVP-Minister vor Tagen genüsslich angemerkt, er verleihe seine Experten im Finanzministerium gerne an die Stadt Wien, um das dortige Budget zu reparieren.

Das ist eine in der ÖVP mittlerweile mit Vorliebe praktizierte Übung. Egal ob Budget, Zuwanderung oder Mindestsicherung: das SPÖ-geführte Wien gilt den Schwarzen als Parade-Negativ-Beispiel.

Und so kam der in der Wiener SPÖ sozialisierte Krainer nicht umhin, wortreich zurückzuschlagen: "Schauen Sie lieber auf Niederösterreich, ihre Wahlheimat! Dort hat der ÖVP-Innenminister hunderte Millionen Euro verspekuliert!"

Rot und Schwarz machen gute Miene zum verdeckten Rosenkrieg
ABD0053_20150930 - WIEN - ÖSTERREICH: SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer im Rahmen einer Sitzung des parlamentarischen Hypo-Untersuchungsausschusses am Mittwoch, 30. September 2015, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Abgesehen von solchen Stellvertreter-Sticheleien war es das dann auch schon mit dem offenen Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP.

ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstlinger gab die Linie des Parteichefs aus, und die lautet: "Wir vergelten nicht Gleiches mit Gleichem." Soll heißen: Die ÖVP will auf keinen Fall den Eindruck vermitteln, aus Zorn gegen die SPÖ zu arbeiten – wir sind wieder beim Bild des schlechten Verlierers. Doch es wäre vermessen die Zurückhaltung der ÖVP nur darauf zurückzuführen.

Dahinter steckt auch etwas anderes: Die ÖVP-Führung strotzt gerade vor Selbstvertrauen. "Nach der Nationalratswahl werden wir regieren und große Reformen umsetzen. Dagegen wird vieles, was jetzt ohne uns beschlossen wird, verblassen", sagt ein Stratege.

Und: Die ÖVP-Führung hat, soviel kann man sagen, noch eine Rechnung offen mit der SPÖ. Wie anders wäre es zu erklären, dass ein ÖVP-Abgeordneter dem KURIER am Rande der Plenarsitzung zuraunt: "Was beim Uni-Budget passiert ist, ist vorbei. Aber vergessen werden wir’s sicher nicht so schnell."

SPÖ und ÖVP konnten sich am Donnerstag noch einmal zusammenraufen und gleich mehrere große Beschlüsse durchbringen. Die größte Überraschung war die Einigung auf die Abschaffung des Pflegeregresses. Wie das Projekt gegenfinanziert werden soll, ist offen. Eine erste Maßnahme ist Betrugsbekämpfung mittels Lichtbild auf der E-Card ab 2019.

Beschlossen wurde auch die "Aktion 20.000". Bei dem Projekt, das ab 1. Juli in mehreren Modellregionen in den Ländern startet, sollen Langzeitarbeitslose über 50 Jahren in den Gemeinden beschäftigt werden. Die Jobs werden vom Sozialministerium gefördert – meist bis zur Gänze. Kostenpunkt für die Staatskasse: 780 Millionen Euro. Eine weitere Aktion für den Arbeitsmarkt ist der Beschäftigungsbonus. Firmen, die neue Jobs schaffen, sollen in den nächsten drei Jahren mit zwei Milliarden Euro gefördert werden. Auch die seit Längerem avisierte konnte mit den Stimmen der Grünen durchgesetzt werden.

Für den Ausbau von Windanlagen gibt es 45 Millionen Euro an Förderungen, für Fotovoltaik 30 Millionen. Dadurch soll der Ökostrom-Anteil in Österreich um ein Prozent erhöht werden. Trotz Kritik der Opposition, weil das Ende der Begutachtungsphase nicht abgewartet wurde, wurde die Datenschutznovelle beschlossen. Das Gesetz sieht bei Verstößen Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro vor. Gescheitert ist ein Antrag von SPÖ, Grünen und Neos zur Homo-Ehe. Es gab keine Mehrheit. Ziel war, das Thema vor der Neuwahl zu behandeln

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