Hohe Militärs warnen vor Crash des Heers im Jänner 2014

Minister Darabos (r.) will so rasch wie möglich die Rekruten loswerden. Generalstabschef Entacher warnt vor einem Kollaps des Dienstbetriebes.
Minister Norbert Darabos will im Falle einer Entscheidung für die Berufsarmee die letzten Rekruten am 1. Juli 2013 einziehen. Spitzenoffiziere fürchten danach einen Zusammenbruch der Armee.

Was geschieht am Tag danach? In der ORF-Pressestunde hatte sich Verteidigungsminister Norbert Darabos darauf festgelegt, dass er im Falle einer Entscheidung für die Berufsarmee ab 1. Jänner 2014 keinen Rekruten mehr einberufen werde.

Die Strategen des Wehrpflicht-Personenkomitees des Veit Sorger haben nachgerechnet. Demnach würde das Bundesheer an diesem Tag 11.000 Grundwehrdiener und 28.000 Milizsoldaten verlieren. Das bedeutet, dass mit einem Schlag 40.000 Soldaten weniger zur Verfügung stehen. Bis auf weiteres müsste das Bundesheer mit 8500 Berufssoldaten und 4000 Zeitsoldaten auskommen.

Auslandsstärke

Generalstabschef Edmund Entacher sieht dadurch die Auslandsmissionen und den Katastrophenschutz in Gefahr. Entacher zum KURIER: „Mit einem Wegfall der Rekruten reduziert sich in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren die Auslandsstärke auf nur mehr 700 Mann.“ Derzeit hat dass Heer bis zu 1600 Soldaten im Ausland.

Entacher: „Damit stehen wir vor der Notwendigkeit, Einsatzräume aufzugeben und allfällige Ersuchen der Vereinten Nationen abzulehnen. Die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik verliert erheblich an Gestaltungsmöglichkeit.“

Die Begründung: Mehr als 60 Prozent der Auslandssoldaten werden von der Miliz gestellt. Dabei handelt es sich um ehemalige Grundwehrdiener, die sich nach dem Abrüsten freiwillig auf den Golan, in den Libanon oder auf den Balkan melden. Wenn es diese Rekruten nicht mehr gibt, müssten die Auslandsengagements von den Berufssoldaten durchgeführt werden.

Entacher verweist auf eher abschreckende internationale Beispiele: Die wenigen Berufsarmeeverbände würden im „Hamsterrad“ der Auslandseinsätze aufgerieben – mit allen Folgen wie hohen Scheidungsraten und Abgleiten in Drogen und Kriminalität. Noch schlimmer, so Entacher, sei aber ein drohender Leistungsverlust im Inneren: „Im Falle einer Katastrophe wäre nur noch eine Rumpfmannschaft mit den derzeitigen Berufssoldaten vorhanden. Einen Einsatz wie im Jahr 2002 könnte man damit nicht bewältigen.“

Beim Hochwasser 2002 hatte das Bundesheer 11.000 Soldaten im Einsatz, wobei damals die Personaldecke noch lange nicht erreicht war. Ab dem 1. Jänner würde das Heer nach Entachers Berechnungen weniger als 3000 Soldaten auf die Straße bringen. Denn die noch vorhandenen Soldaten seien großteils in der Struktur gebunden oder auf Berufsweiterbildung.

Zwar sollen nach den Plänen von Verteidigungsminister Norbert Darabos noch 3000 Zeitsoldaten dazukommen – Soldaten, die nach spätestens neun Jahren wieder abrüsten. Doch Entacher hält dem entgegen, dass sich derzeit 8000 nicht benötigte Beamte im Personalstand des Bundesheeres befinden. Darabos könne Zeitsoldaten nur einstellen, wenn jeweils einer der Überzähligen in Pension geht. Und dieser Übergangsprozess würde 20 Jahre dauern. Außerdem will Entacher nicht daran glauben, dass sich genügend geeignete Kandidaten melden. So hat das Ministerium im Jahr 2011 insgesamt 40.000 Werbebriefe an abgerüstete Rekruten verschickt. Der Gesamterfolg der breiten Werbekampagne: 40 taugliche Freiwillige.

Fluchtwelle

Die Vorbehalte des Generals untermauert eine aktuelle Fluchtwelle von Zeitsoldaten bei den Luftstreitkräften. Anfang der 90er-Jahre meldeten sich im Jahresschnitt noch 1800 Freiwillige für die Ausbildung zum Black-Hawk-Piloten auf Zeitbasis. Zuletzt waren es nur noch 260. Das ist zu wenig, die Pilotenausbildung ist für die kommenden zwei Jahre ausgesetzt.

Der Hintergrund: Auch Black-Hawk-Piloten bekommen nur Zeitverträge. Ob sie ins Beamten-Schema übernommen werden, erfahren sie erst nach neun Jahren. Jetzt stellt sich heraus, dass fast keiner übernommen wird. Außerdem sind die militärischen Pilotenscheine im Zivilleben ungültig. Und nur zwecks Flugvergnügen meldet sich niemand neun Jahre lang zum Bundesheer.

Brigadier Dieter Jocham, Präsident der Offiziersgesellschaft, fürchtet, dass der letzte Rekrut bereits am 1. Juli einrücken werde. Jocham: „Und dann ist auch bei der Bodentruppe der Ofen aus.“ Nach seiner Beurteilung bedeutet das schwere Einbrüche bei den Pionieren und der ABC-Abwehrtruppe.

Außerdem, so Jocham, gäbe es keine Kasernenwachen mehr. Dann müssten sich Zeitsoldaten und Unteroffiziere als Wachsoldaten aufstellen – gegen Zeitausgleich und Überstunden natürlich. Er verweist auf Beispiele in Deutschland.

Auf der Strecke – so Joacham – blieben auch sämtliche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. „Zwei von drei Mechanikern sind Rekruten.“ Auch der Küchenschichtbetrieb werde unmöglich, teure Vergaben an private Firmen seien die logische Folge.

Stefan Hirsch, Sprecher von Verteidigungsminister Darabos, sieht natürlich kein Weltuntergangsszenario. Er meint, dass ausreichend Zeitsoldaten in drei bis vier Jahren zur Verfügung stünden. Und in Sachen Kasernenwachen und Instandsetzungsarbeiten wolle man die Erfahrungen der Pilotversuche flächendeckend umsetzen. Denn dort sei es gelungen zu beweisen, dass man Kasernen ohne Rekruten kostenneutral betreiben könne.

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Bedenkliches tut sich kurz vor der Volksbefragung – was Wahlpraktiken und -Propaganda anlangt. Wer am Sonntag nicht abstimmen kann, hat heute Früh die letzte Chance, mitzuentscheiden – indem er seine Wahlkarte auf die Post trägt. Grund dafür ist das Wahlrechtsänderungsgesetz von 2011: Anders als bei bisherigen Wahlen muss die Stimme bis 17 Uhr am Wahltag abgegeben werden.

KURIER-Leser Andreas P. hat schon vergangene Woche brieflich votiert – und festgestellt: Mit dem Wahlgeheimnis wird es nicht so genau genommen. Er habe für sich und seine Frau im Magistrat für den 13. und 14. Wiener Bezirk die Wahlkarten abgeholt. „Dabei bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass ich auch gleich wählen kann“, erzählt P. Verblüfft habe ihn die Frage der Magistratsmitarbeiterin: „Wollen S’ die Stimme für die Frau auch gleich abgeben?“ Er müsste lediglich für diese unterschreiben. „Ich weiß ja nicht, was meine Frau wählen wird“, habe er geantwortet – und sei gegangen.

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Das war gut so, befindet der Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein: „Man darf nur für sich selbst wählen, nicht für jemand anderen. Tut man es doch, begeht man eine Straftat.“ Der Verstoß gegen Paragraf 266 des Strafgesetzbuches sei mit bis zu 360 Tagsätzen oder sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht. „Auch die Anstiftung ist strafbar“, erläutert Stein.

Er hält das unmoralische Angebot für einen Einzelfall: „Unser Eindruck ist, dass der Umgang mit der Volksbefragung dank Schulungen professionell ist.“ Dann und wann würde eine Wahlkarte nicht rechtzeitig den Empfänger erreichen; oder es gebe Fragen bei der Abstimmung von Kranken (für sie gibt es fliegende Wahlkommissionen, etwa für Spitäler).

Kein Einzelfall ist ein Pro-Wehrpflicht-Brief des Bürgermeisters von Ischgl. Auch die Ortschefs von Bezau (Vorarlberg) und Altenburg (NÖ) werben im Sinne der ÖVP. Auf dem Ischgler Schreiben steht gar: „Amtliche Mitteilung“. Kriminelle Methoden ortet der Grüne Peter Pilz; er zeigt die drei Herren wegen des Verdachts der Untreue und des Amtsmissbrauchs an; Polit-Werbung mit Geld einer Gebietskörperschaft sei verboten. Und Pilz fragt sich, ob ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch von der Aktion gewusst oder sie koordiniert hat.

„Es gibt keinen Auftrag aus der Bundespartei; die Bürgermeister entscheiden autonom“, sagt Rauch dem KURIER. Fragwürdig sei die Sache nicht: „Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sie sich sorgen, wie es mit dem Katastrophenschutz weitergeht.“ Im Übrigen sei Pilz „offenbar auf dem linken Auge blind“. SPÖ-Bürgermeister würden das Berufsheer anpreisen. Tatsächlich macht das zumindest der Ortschef von Olbendorf im Burgenland – unter dem Vermerk „Amtliche Mitteilung“.

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