Höchstrichter auf Tauchstation

Höchstrichter auf Tauchstation
Verfassungsgerichtshof ringt um Schadensbegrenzung. VfGH-Richter Schnizer vor Rücktritt?

"Verfassungsrichter Johannes Schnizer nimmt an der Verhandlung nicht teil, an seiner Stelle tritt das Ersatzmitglied Angela Julcher."

Ein Satz, gedruckt auf einen formlosen Zettel, verteilt an die Zuhörer im Saal. Mehr sollte an diesem Tag zur Causa nicht gesagt werden – die Aufregung war groß genug.

Am Donnerstag verhandelte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) über die Tiroler "Agrargemeinschaften". Es ist eine emotionale und komplizierte Geschichte. Es geht um Almen und Wiesen, um Eigentum und dessen Nutzung – der Rechtsstreit zieht sich seit Jahren.

Aber im Vergleich zu der anderen Sache, die das Höchstgericht seit nunmehr drei Tagen beschäftigt, ist der Agrar-Streit fast schon wieder eine Kleinigkeit.

Nachdem Verfassungsrichter Johannes Schnizer der FPÖ in Interviews vorgehalten hat, sie habe die Wahlanfechtung von langer Hand geplant und am Wahltag nicht alles unternommen, damit die Wahl rechtskonform abläuft, wird nun die Unabhängigkeit des VfGH diskutiert – für das Ansehen der Institution ist das Gift.

Befangenheit

Schnizer selbst erklärte sein Fehlen mit Befangenheit. Der Antrag zu den Agrargemeinschaften wurde mit Stimmen von FPÖ-Mandataren verabschiedet, und er sei in einem Disput mit der FPÖ.

Im VfGH gilt dies als Schutzbehauptung, und nach den Klagsdrohungen der FPÖ (siehe rechts) wird intern sogar über Schnizers Rücktritt geredet.

Vertrauten hat der umstrittene Richter anvertraut, er werde nicht weichen, und es sei ihm um das Ansehen der Institution gegangen: Es könne nicht sein, dass die VfGH-Entscheidung zur Wahlwiederholung kritisiert werde, und niemand das Verhalten der FPÖ thematisiere.

Schnizer als mutiger Fürsprecher des Höchstgerichts? Vielleicht ist es so.

Weniger Wohlmeinende sehen im Verhalten des Ex-Kabinettschefs von Alfred Gusenbauer den Versuch, sich vorzeitig in Stellung zu bringen: 2017 muss VfGH-Präsident Gerhart Holzinger abdanken, und die Frage, wer ihm folgt, ist völlig offen.

Hat Schnizer also "aufgezeigt"? Das ist plausibel, wenn auch nicht ganz so wahrscheinlich.

Die eigentliche Tragik ist ohnehin eine andere: Egal, ob der Verfassungsrichter die Institution verteidigen oder sich ins Spiel bringen wollte: Beides misslang und die Oppositionsparteien gingen am Donnerstag einen Schritt weiter. Als Reaktion auf die Irritationen wollen sie den Bestellmodus ändern: Die Mehrheit der VfGH-Richter solle künftig vom Parlament vorgeschlagen werden.

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