Heidi Glück: "Die Brutusse wollen besseren Cäsar"

Werner Faymann trat am 9. Mai von all seinen Ämtern zurück
Ex-Schüssel-Mitarbeiterin Heidi Glück erklärt, warum das Polit-Business härter wird.

KURIER: Frau Glück, wir befinden uns im wichtigsten Bundespräsidentschaftswahlkampf der 2. Republik. Doch der geht angesichts des SPÖ-Machtpokers vollkommen unter. Spielte sich hier die Austro-Variante der TV-Serie "House of Cards" ab?

Heidi Glück: Diese besondere Konstellation erzeugt natürlich eine Dramatik, die es so noch nie gegeben hat. Was die Spannung noch steigert, ist, dass es weder bei den Akteuren in beiden politischen Causen noch beim Ort des Geschehens eine Trennung gibt. Das eine fließt in das andere hinein. Das ist ein Stoff, den wir normalerweise eben nur im Film vorstellen, der hier zur Realität wurde.

Erleben wir jetzt eine neue Qualität an Brutalität in der Politik, weil der massive Widerstand aus den eigenen Reihen öffentlich ausgetragen wurde?

Kommt die Kritik aus den eigenen Reihen, schmerzt das am meisten. Die Pfiffe und Buh-Rufe am Rathausplatz waren eigentlich nur mehr der Schlusspunkt einer Front, die sich seit Langem gegen Faymann aufgebaut hat. Die Welle muss für ihn wie ein Tsunami gewirkt haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass Faymann öfters in den letzten Wochen aufgewacht ist und sich gefragt hat, auf wen er sich noch verlassen kann, wer ihm den Rücken stärkt. Befindet man sich einmal in dieser Abwärtsspirale, dann isoliert man sich zunehmend. Diese Abschottung, in der man nur mehr die engsten Vertrauten an sich heranlässt, ist immer das erste Signal für einen absehbaren Rücktritt. In dieser Phase lässt man auch keine Kritik mehr zu, weil der Betroffene den Druck psychisch und zunehmend auch physisch gar nicht mehr aushält. Wahrscheinlich war Werner Faymann an diesem Punkt angekommen.

Heidi Glück: "Die Brutusse wollen besseren Cäsar"
APA5127522-2 - 05092011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Der ÖVP-Abgeordnete und ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seine früher Pressesprecherin Heidi Glück während einer Pressekonferenz am Montag, 5. September 2011, in Wien. Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel (V) zieht sich in Folge der Telekom-Affäre aus dem Nationalrat zurück. APA-FOTO: ROBERT JAEGER

Warum ist der Rücktritt schwierig?

Hier gibt es einerseits Angst vor dem radikalen Bedeutungsverlust und andererseits wirtschaftliche Ängste. Denn aus der Politik abzudanken und in einem anderen Beruf rasch einen guten Job zu bekommen, ist heute fast unmöglich. Aber eben auch die Angst vor dem Verlust von Image und Prestige bis hin zum Chauffeur, der vor der Tür wartet, spielen eine Rolle. Viele Menschen definieren sich über die Funktion, durch die sie Anerkennung erhalten. Vor allem prominente Leute. Überall wird der rote Teppich ausgerollt, überall ist die erste Reihe reserviert. Bei einem Rücktritt fällt das in der Sekunde weg. Das alles plötzlich verlieren möchte niemand. Da stürzt eine Welt ein.

Die öffentliche Spaltung innerhalb der SPÖ war man bis dato nur bei der FPÖ gewohnt. Ist auch hier ein Tabu in Sachen Parteidisziplin gebrochen?

Letztlich geht es um Macht und um die Frage: Bei welchem Machtblock sammeln sich die meisten? Wem traue ich zu, unsere Macht zu erhalten? Dann wird es einfach härter und brutaler. Das haben wir jetzt bei den Sozialdemokraten gesehen.

Warum ist die Politik härter geworden?

Es gibt nichts mehr zu verteilen. Die EU-Länder sind zur Budgetkonsolidierung angehalten. Wenn du heute als Politiker etwas für eine gewisse Bevölkerungsgruppe tun willst, dann musst du es letztendlich einer anderen wegnehmen. Die Verteilungskämpfe sind sicherlich härter geworden. Auch die Medien wollen Blut in der Arena sehen. Maßnahmen, die weh tun, zu erklären, scheut die Politik. Dafür muss man auch ein guter und überzeugender Kommunikator sein. Damit beschäftigen sich die meisten zu wenig ernsthaft.

Hat sich bei der SPÖ die grausame Seite der Macht gezeigt?

Entscheidend ist das Resultat. Der Zweck heiligt viele Mittel. Von Kern erwarten sich die Brutusse den besseren Cäsar. Faymann hat einfach zu oft die Linie gewechselt, von Europa bis Asyl, und bei Wahlen hat er nicht geliefert.

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